Wie in Trance nahm ich war wie Tristan und Magnus wieder die Führung übernahmen und zusammen Befehle brüllten. Hektisches Gewusel verbreitete sich und die vier Männer liefen schnell mit den brennenden Fackeln die Treppe hinunter zu dem Berg aus Möbeln. Starr drehte ich mich um und stieg schleppend die Treppen hoch. Was würde nun aus uns werden? Würden wir es schaffen?
Am hölzernen Geländer des oberen Geschosses blieb ich stehen und beobachtete nachdenklich das Geschehen unter mir in der Lobby des alten Gebäudes. Ich konnte es nicht glauben das die einzige Angst die ich noch vor wenigen Stunden hatte die war, in der Prüfung zu versagen. Was für eine lächerliche Angst. Was alles in ein paar Stunden geschehen konnte: Mein Sieg über Taylor, der Kuss im Flur, Taylors Brief den Haven jetzt bestimmt gerade las, die Einteilung der Gruppen, unsere schwere Aufgabe den Dolch in dieser Stadt zu finden den wir immer noch nicht hatten, Magnus der ängstlich und sorgenvoll auf die Stadt blickte, das Auftauchen von Tristan in diesem Haus und das Entdecken der Höllenhunde. Das alles schwirrte mir nun im Kopf herum. Es musste einen Zusammenhang geben. Doch was war es?
Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung. Ein Zeichen erweckte mein Interesse. Feine Schwarze Linien auf der Haut. Schwarze Tinte die ein Zeichen erwecken das mir sehr Bekannt war. So oft gesehen in den Büchern der Bibliothek. Warum bin ich nicht früher darauf gekommen? fragte ich mich nun im Stillen. Der Dolch war nie ein Gegenstand gewesen.
„Moment,“ rief ich laut als Tristan noch einmal den Arm hob um eine Fackel hochzuheben. An der Innen Seite seines rechten Armes war das gesuchte Zeichen. Es war ein ganz besonderes Muster: Eine Rune in die Mitte genommen von schwarzen Flügeln. Die Krieger Rune. Tristan hielt in seiner Bewegung inne und sah zu mir hoch.
„Ich habe ihn. Ich habe ihn gefunden,“ rief ich aufgeregt und wippte auf den Fußballen auf und nieder. Verwundert schauten die Männer zu mir hoch. Beflügelt von meiner Entdeckung lief ich zur Treppe immer die Augen auf das Tattoo gerichtet
„Jetzt hat sie den Verstand verloren,“ stellte Andrew Kopfschüttelnd fest. Taylors Augen wanderten von mir zu Tristan und wieder zurück. Als er das Tattoo auf der Innenseite des Armes bemerkte verstand er sofort. Er packte Tristans Arm und hielt in still so das auch die anderen das Tattoo sahen.
„Nein, hat sie nicht. Sie hat das Rätsel gelöst.“
„Welches Rätsel?“ Andrew runzelte Verständnislos die Stirn.
„Das Rätsel um den Dolch. Sie hat ihn gefunden,“ erklärte Magnus monoton und starrte ebenfalls unverwandt auf Tristans Tattoo.
„Ach ja? Und wo?“ fragte Andrew der immer noch nicht verstand was um ihm vorging.
„Er steht hinter dir,“ antwortete ihm Taylor augenrollend.
„Wie soll das…? Ach so. Interessant.“ Andrew schlug sich mit der Hand an die Stirn als er endlich verstand.
„‘Der Dolch' war Jaxsons Spitzname für Tristan. Dolche in seinen Händen waren gefährlich. Niemand konnte ihn besiegen. Nicht mal mit einem Schwert,“ erklärte ich meinen Mitstreitern als ich schnaufend zu ihnen stieß. Die Hitze der Fackeln wärmte meine Haut. Ich betrachtete Tristans Gesicht das von dem Schein des Feuers beleuchtet wurde. Er sah unverwandt zu mir.
„Wieder einmal hast du es uns gezeigt, Raven. Du hast wieder einmal die Lösung schneller gehabt als die anderen. Es stimmt: ich bin der Dolch. Ich wusste gleich als ihr von der Aufgabe gesprochen habt was der Sinn der Übung war: mich nach Hause zu bringen. Aber ich komme nicht wegen ihm zurück.“ Seine Stimme war scharf wie die Klinge eines Dolches doch sein Gesicht blieb ausdruckslos als er die Fackel auf den Scheiterhaufen warf. Augenblicklich breiteten sich die Flammen aus und leckten über das Holz. Die Hitze im Raum stieg stetig je Größer die Flammen wurden. Magnus zögerte einen Moment doch dann warf er seine Fackel ebenfalls auf den Möbelhaufen.
„Es war geplant, oder? Du wusstest von Jaxsons Plan!“ verstand ich plötzlich.
Magnus drehte mir den Rücken zu.
„Ich habe Recht. Warum? Warum hast du uns nicht gewarnt? Warum dieses Theater?“ fuhr ich mein Verhör weiter und trat auf ihn zu.
Magnus warf unbeirrt die nächste brennende Fackel auf den Haufen. „Du verstehst das nicht, Raven.“
„Warum?“ wiederholte ich meine Frage bestimmt.
„Er ist… Er ist der einzige Mensch der immer zu mir gehalten hat, der mich Verstand. Und dann kam Jaxson zu mir und sagte er habe ihn gefunden. Da musste ich einfach hierher. Ich musste es mit eigenen Augen sehen. Also habe ich Natalia bestochen. Ich drohte ihr zum Direktor zu gehen und ihm von ihrer heimlichen Schwangerschaft zu erzählen sollte sie mir nicht helfen.“
„Natalia ist Schwanger? Aber doch nicht…,“ entsetzt brach ich ab.
„Ich hatte nie etwas mit Natalia. Es ist von ihrem Mentor.“
„Das wird ja immer besser. Seit wann weißt du es?“ erkundigte sich Andrew neugierig.
„Seit zwei Wochen. Wir hatten an diesem Tag in der ersten Stunde ‚Anatomie‘ und als unsere Professorin anfing über den Verdauungstrakt zu sprechen, wurde Natalia schneeweiß im Gesicht, sprang auf und hechtete hinaus. Das machte mich stutzig,“ berichtete Magnus
„Morgenübelkeit,“ nickte ich. „Du bist ihr also nachgegangen?“
Magnus bejahte. „Ich habe Professor Lewis angeboten nach Natalia zusehen und bin ihr gefolgt. Dann habe ich sie zur Rede gestellt. Unter Tränen hat sie mir alles gestanden.“
„Warum hast du das getan? Du hättest doch einfach zum Abschlusstraining kommen brauchen, mich in die Pfanne hauen wie immer und du wärst in dieser Gruppe gewesen. Warum also das ganze Theater?“ bohrte Andrew stirnrunzelnd nach.
„Du brauchtest Andrew in deiner Gruppe,“ tippte ich.
„Eigentlich wollte ich Marvin, aber als Angela sich selbst das Hirn zu Brei haute musste ich mich mit Andrew begnügen und das beste hoffen,“ stimmte mir Magnus zu.
„Ich war also nur zweite Wahl. Wie nett,“ schmollte Andrew.
„Das wichtigste war die Anzahl der Leute und das Raven dabei ist.“
„Warum sollte ich dabei sein? Warum war das so wichtig?“ erkundigte ich mich verwirrt.
„Weil du der einzige Grund für ihn bist zurück zu kommen,“ antwortete Magnus mir und sah mir dabei direkt in die Augen. Vom Schein des Feuers erhellt sah ich Traurigkeit in seinen Augen aufleuchten. Das Holz im Feuer knackte und Schweiß lief mir über den Rücken. Ich schüttelte langsam den Kopf.
„Nein, bin ich nicht,“ murmelte ich kaum hörbar über das knacken und zischen des Feuers.
„Doch, Raven. Das bist du. Mein bester Freund weiß nur eine Sache nicht den ich habe es ihm nie erzählt,“ seufzte Tristan.
„Was hast du mir nicht erzählt?“ fuhr ihn Magnus gereizt an und zog die Stirn in Falten.
Tristan wandte sich ruhig zu ihm.
„Die Erzengel wollen mich Tod sehen. Darum bin ich hier. Sie wollten mich loswerden denn ich habe ein Geheimnis entdeckt und dafür soll ich sterben,“ erklärte er mit Monotoner Stimme.
Magnus starrte seinen Freund fassungslos an. „Was hast du getan, Tristan?“ hauchte er.
„Ich bin in der Bibliothek auf etwas gestoßen: Aufzeichnungen die vor über zwanzig Jahren gemacht wurden. Es sind Aufzeichnungen einer Prophezeiung von einer unbekannten Seherin.“
„Was ist so Interessant an dieser Prophezeiung? Warum solltest du sterben?“ wollte Andrew wissen.
„Diese Prophezeiung berichtet über das Verschwinden des Schwertes,“ antwortete eine Stimme neben mir. Erschrocken fuhren wir herum. Taylor starrte mit ausdruckslosem Gesicht auf Tristan. „Es stimmt also? Die Prophezeiung sagt die Wahrheit?“
Tristan starrte verblüfft zurück. Ich erinnerte mich an mein Gespräch mit Jaxson nach dem Kampf. Taylors größte Begabung sei es in einem Raum vollkommen zu verschwinden so das ihn niemand findet, außer er möchte gefunden werden.
„Du hast sie gelesen?“ fragte Tristan fassungslos.
Taylor rollte mit den Augen. „Ich hörte wie Jaxson mit Arthur und Mortimer über eine Prophezeiung diskutierte und dabei Ravens Namen fiel. Da wurde ich neugierig.“
Ich wurde sofort hellhörig. „Was habe ich damit zu tun? Wie lautet diese Prophezeiung? Sagt mir sofort was das zu bedeuten hat,“ schrie ich außer mir vor Wut.
Ein Knall ließ uns herumfahren. Die Flügeltür bebte. Ein weiterer Knall und die Tür öffnete sich wenige Zentimeter. Eine riesige Pelzige Pfote mit messerscharfen Krallen schob sich durch den Spalt.
„Sie brechen durch die Tür. Sie riechen die Schweine,“ rief Andrew und holte uns dadurch aus unserer schreckensstarre.
Taylor packte mich am Arm und zog mich hinter den anderen her die nun zu den Treppen liefen.
Als wir am Ende der Treppe ankamen ließ uns ein ohrenbetäubender Knall herumfahren.
Die Tür schwang auf und ein riesiges Hundeähnliches Wesen stand davor. Ein tiefes grollendes Knurren kam aus seiner Kehle und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Entsetzt starrte ich auf das zottelige schmutzig braune Fell des zwei Meter hohen Ungeheuers.
Seine Blutroten Augen durchsuchten den Raum. Fassungslos beobachtete ich wie seine Nase zuckte als er eine Fährte aufnahm.
„Raven, wir müssen hier verschwinden,“ raunte mir Taylor tonlos in das Ohr.
Langsam und darauf bedacht keinen Lärm zu machen schlichen wir geduckt zu den anderen die sich hinter dem hölzernen Gelände duckten und jede Bewegung des Höllenhundes beobachteten.
„Was machen wir nun?“ fragte ich leise in die Runde.
Die Nase des Hundes blähte sich wieder, ein weiteres tiefes knurren ertönte doch er bewegte sich nicht von der offenen Tür weg. Er hob seinen Kopf und jaulte markerschütternd.
„Worauf wartet er? Warum kommt er nicht herein?“ Magnus verzog das Gesicht skeptisch.
„Er ist misstrauisch,“ murmelte Tristan.
Ein weiteres knurren ertönte von draußen das immer lauter wurde. Die Ohren des Höllenhundes zuckten. Sein Kopf wandte sich nervös von einer Seite zur anderen.
„Er hat auf Unterstützung gewartet,“ stellte Andrew tonlos fest. Ich wandte mein Gesicht in seine Richtung. Er war schneeweiß. Ich streckte meinen Arm aus und berührte seine Schulter.
„Wir schaffen das. Wir kommen hier raus,“ machte ich ihm Mut obwohl ich selbst inzwischen daran Zweifelte. „Wir schaffen das. Ganz Bestimmt.“
„Wir schaffen das,“ stimmte mir Taylor leise zu.
Schwere Tatzen streiften über die kaputten Fliesen der Lobby. Die Schritte hallten dumpf von den Wänden. Drei Höllenhunde kamen in unser Blickfeld. Silbern schimmerte der Sabber an ihren Lefzen im Mundlicht. Wachsam sahen sich die Hunde um und hechelten. Mit angehaltenem Atem starrte ich in die Halle. Langsam stapfte der größte der Drei auf unseren Scheiterhaufen zu. Kurz vor dem Feuer blieb er stehen und witterte nach den Schweinen die in der Mitte des Feuers lagen und davon noch nicht berührt wurden. Schmelzwasser lief von den Kadavern. Ein grollen entfuhr seiner Kehle und die zwei anderen traten nun auch näher an den Haufen. Fasziniert beobachtete ich das Schauspiel. Die drei Hunde liefen rund um den aufgehäuften Berg von Möbeln der nur Teilweise in Flammen stand, blieben alle paar Meter stehen und rochen. Plötzlich schien einer der Hunde fündig geworden zu sein. Er blieb stehen, witterte und haute mit der Tatze auf den Fliesenboden. Ein bellen ertönte, auf das die anderen beiden stehen blieben und die Köpfe hoben. Er haute noch einmal mit der Tatze auf den Boden und stieg vorsichtig auf die nicht brennenden Möbel.
„Er hat einen Weg zu den Schweinen gefunden. Sie sind schlauer als ich dachte,“ fluchte Tristan leise neben mir. In seinem Gesicht sah ich blankes Entsetzen.
„Was machen wir nun? Unser Plan ist gescheitert,“ bemerkte ich und sah fragend zu ihm. Er beobachtete weiterhin die drei Hunde die nun ihren Weg über die teilweise brennenden Möbel suchten.
„Er ist nicht ganz gescheitert. Das Brennmittel war nur nicht stark genug oder die Möbel sind zu feucht. Was weiß ich. Aber sie sind bei den Schweinen. Und es sind nur drei,“ stellte er nachdenklich fest.
„Ich weiß was du denkst. Ein versuch ist es wert,“ gab ihm Magnus recht und griff nach seinem Langbogen und dem Köcher mit den zwanzig Pfeilen.
„Ihr wollt… Seid ihr verrückt?“ quietschte ich aufgebracht. Tristan hielt mir schnell eine Hand vor den Mund und starrte verängstigt zu den Hunden. Doch diese gingen unbeirrt weiter.
„Psst. Du machst sie auf uns aufmerksam. Wir haben keine andere Wahl. Willst du nach Hause?“ fauchte er leise.
Ich nickte immer noch Stumm von seiner Hand.
„Dann nimm deinen Bogen und deine Pfeile und tu was notwendig ist. Wir haben keine andere Wahl.“