Du bist Brenna Sundergeer.
„Naja, um ehrlich zu sein“, beginnst du, um dir etwas Zeit zu erkaufen. „Wir sind nicht wirklich Söldner. Nicht mehr.“
Das ist das einzige, was dir einfällt. Hoffentlich wird Karja Mitleid mit Verstoßenen aus Kalynor haben und euch eure Geschichte abkaufen.
„Wir haben einen Fehler gemacht“, erklärst du möglichst wage, „und wurden aus der Armee verbannt. Also suchen wir eine neue Heimat.“
„Und die sucht ihr hier?“ Karja hebt eine Augenbraue. Sie wirkt nicht überzeugt. Wenigstens schenken euch die anderen Piraten keine Beachtung, sondern widmen sich allein dem Essen.
„Wir waren in der Gegend“, sagt jetzt Allyster. „Es war einfacher, direkt über die Grenze zu gehen, statt einen großen Umweg zu schlagen. Und, zu eurer Information, Kapitän, wir haben nicht gegen irgendwelche Gesetze verstoßen.“
Dir wird klar, dass du einen Fehler begangen hast. Die Piraten, so frei und wild sie auch leben, haben an Bord ihrer Schiffe eine strenge Hierarchie und noch strengere Regeln. Es wirft kein gutes Licht auf euch, wenn Karja denkt, dass ihr keine Befehle befolgen und euer Wort nicht halten könnt.
„Warum wird man denn dann aus der Armee geworfen?“, fragt die Piratin nach. „Und wieso tragt ihr immer noch eure Waffen?“
„Wir sind auch keine Fahnenflüchtigen, falls Ihr das glaubt“, beeilt sich Allyster, den Schlamassel zu bereinigen, den du angerichtet hast. Du verziehst innerlich das Gesicht. Wäre ja noch besser, dass man euch für Feiglinge und unvertrauenswürdig hält.
„Du bist still, Zauberer“, sagt Karja scharf. Sie sieht dich an. „Ich will die Wahrheit wissen, hier und jetzt.“
Du musst schlucken, denn dein Kopf ist wie leergefegt. Was sollst du Karja sagen? Allyster hat doch so gut wie alles ausgeschlossen, was als Erklärungen in Betracht käme.
„Verleumdung“, sagst du. „Da war einer in unserer Kompanie, der uns angeschwärzt hat. Meinte, wir hätten Waffen geklaut, aber das war er vermutlich selber.“
„Aha?“, macht Karja wenig überzeugt. „Und es gab niemanden, der die Anschuldigungen überprüft hat?“
„Doch, natürlich!“, sagst du schnell. „Aber … sie haben die Waffen bei uns gefunden. Es muss der Mann gewesen sein, der uns angeschwärzt hat, oder vielleicht auch jemand anderes, der uns Übeles wollte.“
Du merkst, dass du dich in unglaubwürdigen Widersprüchen zu verstricken beginnst, und seufzt schwer. „Es war mein Bruder, Arthrax, der das behauptet hat.“ Noch während dir die Lüge von den Lippen kommt, durchfährt ein stechender Schmerz dein Herz, den du jedoch zu ignorieren versuchst. Trotzdem fühlst du dich nicht wohl. Du hast keine Ahnung, wo dein Bruder ist und ob es ihm gut geht. Ihn derartig schlechtzureden, fühlt sich wie der schlimmste Verrat an.
Zu allem Unglück wirkt Karja noch weniger überzeugt als zuvor.
„Wisst ihr, wenn ihr schon nicht die Wahrheit erzählt, dann überlegt euch wenigstens eine gute Lüge!“, sagt sie kalt. Dann steht sie auf und marschiert davon.
Inzwischen sind die meisten Piraten fertig mit Essen und das Deck leert sich. Als du später in dein Bett fällst, hast du ein ungutes Gefühl in der Magengrube.
°°°
An den nächsten Tagen spricht Karja nicht mit euch, noch lässt sie euch das Deck schrubben. Die Piraten ignorieren euch oder antworten so unfreundlich und kurz angebunden wie möglich. Beim Essen bildet ihr eine kleine, isolierte, traurige Gruppe.
Mehrmals versuchst du, mit Karja zu reden – um ihr die Wahrheit zu sagen oder dich wenigstens zu entschuldigen, denn vor allem anderen hast du das Gefühl, dass Karjas Abweisung nicht allein wegen deiner Lüge ist – sondern weil du es warst, die gelogen hat.
Doch die Kapitänin weicht euch aus, bis sie schließlich am Abend des sechsten Tages zu euch kommt.
Ihr sitzt gerade im Bug des Schiffes und schaut auf die See, und gerade ist am Horizont eine kleine Felseninsel in Sicht gekommen.
„Ihr werdet von Bord gehen“, sagt Karja ohne jede Begrüßung, als sie zu euch kommt. „Ich dulde keine Lügner an Bord.“
„Du setzt uns aus?“, entfährt es Aji entsetzt.
„Ja. Hier liegt eine vielbefahrene Route, es werden bald andere Schiffe kommen, um euch aufzunehmen. Aber auf meinem Schiff werdet ihr keine Meile mehr segeln!“
Ihr schweigt wie gescholtene Kinder. Karjas entschlossener, trauriger Ton macht deutlich, dass ihr sie nicht umstimmen könnt.
So also wandert ihr wenig später mit euren Habseligkeiten auf dem Rücken über eine Planke auf die Insel und seht dann zu, wie das Piratenschiff in der untergehenden Sonne verschwindet.
„Schöne Scheiße“, murmelst du leise.
Dies ist kein Canon-Ende, deswegen gibt es hierzu keine Fortsetzung.
Um das richtige Ende zu erreichen, musst du Karja die Wahrheit sagen.
Vielen Dank für's Lesen und viel Spaß beim Weiterspielen!