16
Mein Herz klopft noch immer wie wild in meinem Brustkorb, als Alex nach langem Zögern jetzt endlich spricht und mir die Antwort gibt, auf die ich so ungeduldig warte.
„Also die Frau im See. Samantha. Meine Leute und ich haben nachgeforscht und konnten ein Rudel in Paris kontaktieren, die uns ein paar Informationen beschafft haben. Sie war so wie du.“
Ich verstehe ihn nicht. Er redet nicht mehr weiter und ich weiß nicht, was das jetzt zu bedeuten hat. Sein Blick wird wieder trauriger und schon kann er mir nicht mehr in die Augen sehen und wendet seinen Blick wieder von mir ab.
„Sie war ebenfalls ein Nachfahre der Bathory Familie. Marius benötigt wohl mehr Blut, als wir gedacht haben. Oder sie war sein Versuchskaninchen. Wir können es nicht genau sagen. Aber in ihrem Körper war so gut wie kein Blut mehr, als sie gefunden wurde. Die eine Sache, die noch nicht geklärt ist, ist, dass wir nicht wissen, mit wem Marius zusammenarbeitet. Besser gesagt ob es wirklich Marius war. Denn der Blutverlust wurde durch einen Vampirbiss verursacht. Ich bin zwar felsenfest davon überzeugt, dass Marius hinter der Sache steckt, aber wir haben auch noch nicht herausgefunden, wer die Leiche so zugerichtet hat. Mehr kann ich dir leider noch nicht sagen. Meine Leute sind zwar noch dabei etwas herauszufinden, aber ich kann nicht sagen, wie lange es dauern wird. Besser gesagt ob sie noch etwas herausfinden können.“
Ich bin vollkommen überfordert. So viele Informationen auf einmal. Was wenn ich bald wie Samantha ende? Ich will nicht so enden und schon gar nicht will ich, dass Marius gewinnt. Bei dem Wort Vampirbiss hat sich in mir alles zusammengezogen. Eigentlich will ich gar nicht daran denken. Denn was ist, wenn es doch Nathan war und er mich angelogen hat? Ich bin froh darüber, dass mir Alex diese Sachen erzählt hat, auch wenn es noch so makaber ist. Aber jetzt weiß ich wenigstens wieso. Auch wenn es mich noch immer ein wenig Überwindung kostet, hier neben Alex zu sitzen. Selbst wenn wir gerade ein fast normales Gespräch geführt haben, bin ich noch immer verletzt. Ferner weiß ich auch, dass ich ihm nicht mehr vertrauen kann. Eigentlich sollte ich gar keinem mehr vertrauen.
„Danke Alex für die Info. Es hilft mir, zu wissen, was passiert ist. Vielleicht komme ich jetzt besser damit klar. Ihr müsst Marius aufhalten und du darfst nicht zulassen, dass er noch irgendjemanden umbringt.“
Meinen Blick muss ich jetzt ebenfalls von ihm abwenden, denn ich habe das Gefühl, dass ich jeden Moment zu weinen beginne. Ohne es aufhalten zu können kommen alle Gefühle in mir wieder hoch. Es schmerzt mehr, als ich gedacht habe. Darum stehe ich ohne ein Wort zu sagen auf und gehe zum Fenster, um wieder hinein zu klettern. Bevor ich jedoch bei dem Fenster angelangt bin, spüre ich Alex’s Hand in meiner, er hält mich fest. Nicht zu fest das es mir weh tut, aber er hält mich. Für einen kurzen Augenblick bin ich wie erstarrt und erinnere mich an die erste Berührung bei Charly. Als seine Finger leicht die meinen gestreift haben und mich dabei ein komplett verrücktes Gefühl überkommen ist.
„Anna. Es tut mir leid. Alles was passiert ist. Aber ich musste es tun. Ich hatte keine andere Wahl. Wenn ich könnte, würde ich alles ungeschehen machen. Du bedeutest mir nach wie vor sehr viel.“
Er steht vor mir mit seinen strahlend blauen Augen und sieht mich mit einem traurigen Blick an. Das Komische ist, in diesem Moment will ich ihm glauben, doch ich kann nicht. Ich habe kein Vertrauen mehr zu ihm und ich denke nicht, dass ich es jemals wieder haben werde. Nach kurzem Zögern löse ich mich wieder von seiner Berührung. Ich darf nicht zulassen, dass ich wieder schwach werde und schon gar nicht, darf ich ihm vertrauen schenken.
„Leider kann man die Zeit nicht zurückdrehen, Alex.“
Nach diesen Worten, die ich dennoch schmerzhaft über meine Lippen gebracht habe, drehe ich mich um und klettere durch das Fenster, in mein Schlafzimmer. Einige Sekunden noch spüre ich die Blicke von ihm auf mir, bis er mit einem Sprung wieder vom Dach springt und verschwindet. Und wieder macht sich ein Gefühl in mir breit. Ich fühle mich so alleine. Auch wenn ich jetzt nur noch Schmerz empfinde, glaube ich, dass ich ihn irgendwann einmal geliebt habe. Doch er hat einfach alles mit seinen Lügen zerstört. Hätte er mich nicht angelogen, wäre alles Gut geworden. Und schon merke ich, wie mir eine Träne über die Wange fließt. Ich wische sie mit meinen Fingern weg. Wo bekomme ich jetzt die Antworten her, die ich haben will. Ich muss nochmal zu dem Schloss von Marius. Ich muss herausfinden, ob sich dort das Grab befindet. Doch alleine habe ich Angst, alleine schaffe ich es nicht. Und ich kann niemanden in diese Sache einweihen. Zumindest niemand Menschlichen. Nathan, er wird mich vielleicht verstehen und mir helfen. Ich muss zu ihm. Vielleicht weiß er etwas oder kann mich zu dem Schloss begleiten. Er muss etwas über das Alles hier wissen.
Den Gedanken noch nicht einmal fertig durchdacht, ziehe ich mir bereits meinen schwarzen Pulli über und mache mich auf den Weg.
Das Brummen meines Wagens beruhigt mich wieder ein wenig und mein Fuß drückt das Gaspedal heute noch etwas tiefer. Ich muss eben so schnell wie möglich zu Nathan. Zu sehr brennen diese Fragen in meinem Kopf und warten nur auf eine Antwort.
Als ich an einer Kreuzung halte, versuche ich mich an den Weg zu erinnern, den Nathan mit mir gestern gefahren ist. Als die Sonne dann auch noch hinter den Bäumen verschwindet, fängt mein Herzschlag an, sich zu beschleunigen und Nervosität gemischt mit Unsicherheit überkommt mich. Was mache ich hier eigentlich? Ich fahre freiwillig zu einem Vampir und zu dessen biestiger Freundin. Aber jetzt ist es wohl zu spät, um meine Entscheidung zu ändern. Denn es geht um meine Familie und um deren Geschichte. Also versuche ich, mich auf mein Gefühl zu verlassen und biege rechts ab. Ich hoffe so sehr, dass das die richtige Entscheidung war und ich so zu Nathan’s Haus komme. Ich fahre und fahre und bekomme immer mehr das Gefühl, dass ich falsch abgebogen bin. Die Sonne ist schon vollkommen hinter dem Horizont verschwunden und es wird immer dunkler. Dann endlich, nach einigen Minuten, erkenne ich ein Haus. Nathan’s Haus. Ich bin erleichtert und nervös zugleich. Was wenn niemand da ist, oder nur Melina? Dann bin ich geliefert. Jetzt wird mir irgendwie klar, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war, hier her zu kommen. Aber trotz des Kampfes in mir, den mein Verstand gerade mit meiner Unsicherheit führt, muss ich es tun. Zu sehr brauche ich diese Antworten. Die Hoffnung das nur Nathan hier ist und Melina nicht, lässt mich etwas mutiger werden. Er muss einfach hier sein, denn die Sonne ist erst vor wenigen Minuten untergegangen. Er kann nur hier sein. Ich mache mir selbst Hoffnung und nehme all meinen Mut zusammen, als ich an die Tür klopfe. Mein Herz hämmert wie wild gegen meinen Brustkorb und die Nervosität steigt wieder. Es sind die längsten Sekunden in meinem Leben. Ich stehe vor der alten Tür und warte darauf das sie sich öffnet. Gespannt lausche ich an der Tür und hoffe, dass sie sich öffnet und ich dann in Nathan's Gesicht blicke. Doch ich höre niemanden. Aber ein Weiteres mal will ich es noch versuchen. Muss es nochmals versuchen. Also treffen meine Knöchel wieder auf die harte Tür und das Geräusch, das sich daraus ergibt, ist dieses Mal ein wenig lauter. Aber auch dieses Geräusch zeigt nicht die Wirkung, die ich gewünscht habe. Denn die Tür öffnet sich nicht und ich blicke nicht in diese faszinierenden Augen.
Enttäuschung breitet sich in mir aus und die Hoffnung auf Hilfe erstirbt mit ihr. Ich habe ja nicht einmal eine Nummer von ihm. Die nächste Frage, die ich mir stelle, ist, ob er eigentlich ein Telefon besitzt. Niedergeschlagen setzte ich mich auf die Treppen der Veranda. Ohne es wahrhaben zu wollen, überkommt mich bei dem Anblick der Bäume vor mir eine Trauer, die sich in meine Magengrube legt. Das Bild vor meinen Augen lässt mich noch nachdenklicher werden. Der Wind, der alles mit sich trägt, fliegt über die Baumspitzen und einige wenige Sterne sind bereits am Himmel zu sehen. Dieser hat sich in ein dunkles rot-orange gefärbt und dieses Bild erinnert mich ein klein wenig an ein Gemälde. Die kleinen Wölkchen, die sich am Himmel in langsamen Bewegungen hin und her bewegen, machen das Bild noch unglaubwürdiger. Das Gras, dass sich durch eine leichte Brise, wie eine Welle hin und her bewegt, lässt auch meine Gedanken in Wellen hin und her bewegen.
Was soll ich jetzt machen? Ich habe niemanden mehr. Und alleine gegen Marius habe ich keine Chance. Alex kann ich nicht vertrauen und wenn es darum ginge, meine Familie oder sein Rudel, würde er sich für sein Rudel entscheiden. In mir macht sich eine Leere breit und ich bin am Boden zerstört. Alles kommt auf einmal in mir hoch. Alex’s Lügen. Dass ich fast gestorben wäre. Marius, der meiner Familie etwas antun will. Nicht zu wissen wer meine Vorfahren wirklich waren und Nathan, der nicht hier ist, um mir zu helfen. Und noch bevor ich es stoppen kann, laufen die Tränen über meine Wangen. Ich versuche, mich zu beruhigen, doch ich schaffe es nicht. Es kommt alles, was in den letzten Wochen passiert ist wieder in mir hoch. Alles was ich bis jetzt verdrängt habe. Und gerade als ich alle Hoffnung aufgegeben habe, spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich erschrecke und springe hoch. Was wenn es Melina ist. Ich drehe mich um und bin erleichtert, als ich Nathan vor mir sehe.
Ich muss mich zurückhalten, um ihm nicht vor Freude um den Hals zu fallen. Doch dann bemerke ich, meine tränennassen Wangen und streiche mit meinem Handrücken, die übrigen Tränen weg. Er muss nicht unbedingt wissen, dass ich wieder in meine Verzweiflung gefallen bin und mich wieder einmal diese Schwäche überkommt. Doch seine tiefe raue Stimme, lässt mich schnell wieder an etwas anderes denken.
„Anna, was machst du hier? Es ist zu gefährlich für dich hier.“
Seine faszinierenden Augen blicken mich besorgt an und seine makellose Haut schimmert in dem Licht der Lampe. Ohne es auch nur aufhalten zu können mustere ich ihn von oben bis unten. Das graue Tanktop und die tiefsitzende ausgewaschene Jeans passen perfekt zu seinen unfrisierten Haaren. Neben ihm komme ich mir immer vor wie ein hässliches Entlein.
„Ich brauche dich. Also es...ähm ich brauche deine Hilfe bei etwas.“
Wieder einmal öffnen sich meine Lippen und ich rede nur so vor mich hin, ohne darüber vorher nachgedacht zu haben. Er hat einfach diese eine Wirkung auf mich. Als würde ich mich in seiner Gegenwart nicht unter Kontrolle haben. Als würden alle meine Sinne mit einem Mal nur von ihm kontrolliert werden. Einerseits fühle ich mich bei ihm sicher, doch andererseits schüchtert er mich ein. Und noch nicht einmal dass er mich umbringen wollte, macht mir noch etwas aus. Ich weiß das sollte es und das tut es auch. Aber eben niemals in seiner Gegenwart. Als würde ich alles Vergangene in seiner Anwesenheit vergessen und nur noch ihn sehen. Es sind einfach so viele Gefühle die über mich kommen, wenn ich in seiner Nähe bin. Ich weiß einfach nicht, was ich denken soll. Ich weiß nur, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle, auf eine Art und Weise die ich nicht erklären und schon gar nicht verstehen kann. Vor allem dieses überlegene Grinsen macht mir zu schaffen, das er gerade wieder auf seine Lippen gelegt hat. Als würde er wissen, dass ich mich in seiner Gegenwart nicht unter Kontrolle habe. Es ist, als würde er es genießen und manches Mal versuchen mich aus der Reserve zu locken.
„Also was ist so wichtig, dass du dich in solche Gefahr bringst?“
„Ich brauche deine Hilfe um etwas über Marius herauszufinden.“
Er lächelt mich an, als wäre die Frage die ich gestellt habe, keine Überraschung für ihn und wieder einmal bin ich mehr als verwirrt.
„Du meinst diesen Jäger?“
Seine Finger berühren die Meinen und die Berührung lässt mein Herz ein klein wenig höher schlagen. Sie schieben sich zwischen meine und mit einem sanften Druck, zieht er mich nach sich.
„Setz dich Anna. Was willst du wissen?“
Ich setze mich neben ihm und bemerke erst jetzt, dass er noch immer meine Hand hält. Mein Blick wandert unkontrolliert über seine, von Muskeln durchwachsenen Unterarme und stoppen bei seinen wunderschönen Augen.
„Ich will wissen, was du über Marius weist.“
Die Kälte die sich über meine Finger legt, als seine sich von meinen lösen, hinterlässt ein Gefühl der Leere auf meiner Haut.
„Also ich weiß nich, welche Informationen du bis jetzt über ihn hast. Er ist ein Jäger und seine Familie ist schon sehr lange auf der Suche, nach den Dingen die für dieses Ritual benötigt werden. Durch dieses Ritual , so heißt es in der Legende, wird er sehr viel stärker und schneller als ein normaler Jäger. Es ist so wie bei uns Vampiren, seine Sinne werden um das vielfache verstärkt.“
„Das weiß ich schon, aber hast du eine Ahnung davon, was er noch für dieses Ritual benötigt? Besser gesagt, was hat dass Ganze mit meiner Familie zu tun? Mit meinem Blut?“
„Du bist ganz schön neugierig.“
Seine Mundwinkel heben sich an und lassen ein schwaches Lächeln erahnen, bevor er weiterspricht.
„ Also es ist etwas kompliziert. Es gibt mehrere Theorien über dieses Ritual. Die am häufigsten genannte, ist jene, in der er dein Blut braucht. Du bist eine Nachfahrin des Bathory Ordens. In dir fließt ein Teil des Bathory Blutes. Deshalb konnte ich mich nicht kontrollieren, als ich dich dass erste mal gesehen habe. Es ist einfach sehr verlockend.“
Die kleinen Fältchen um seine Augen erscheinen, als er mich entschuldigend anlächelt. Doch der bittere Gedanke, dass ein Lächeln diese Nacht, in der er mich fast umgebracht hätte, nicht aus meinem Gedächnis streichen kann, zerstört wie von selbst, die Reaktion meines Körpers auf ihn. Auch wenn es nur für ein paar Sekunden ist.
„Dann muss er noch den Ort finden, an dem die Gebeine von Elisabeth Bathory vergraben sind. Nicht zu vergessen, den Edelstein, den sie immer um ihren Hals getragen hat und niemals abnahm.“
Der traurige Schleier der sich plötzlich über seine Züge legt, lässt mich wachsam werden. Niemals hätte ich gedacht, er könnte so etwas wie Trauer empfinden. Die Tatsache, dass er jedoch bei diesen Worten von der Traurigkeit eingehüllt wird, verwirrt mich etwas.
„Nathan, was ist los?“
Der Drang mehr über dieses Ritual zu erfahren, lässt mich ungeduldig werden. Vorallem, da ich das Gefühl habe, er weiß mehr, als er mir bis jetzt offenbart hat. Seine Blick wandert zu den, im Wind wankenden Bäumen vor uns. Er zögert sehr lange, bevor er mir mit ruhiger und trauriger Stimme weiterspricht.
„Ich kann mich noch genau daran erinnern wie der Edelstein unter ihrem schwarzen Haar verschwand. Ihr Haar war so lang und ihre Augen glänzten im Mondschein. Sie war so verdammt schön.“
Ich kann es kaum glauben, aber er spricht, als würde er sie kennen. Er wirkt so unendlich traurig und niedergeschlagen. Wenn er von ihr spricht, beginnen seine Augen, trotz der Schwere seiner Worte, zu leuchten. Wie jemand der von Liebe spricht. Und ich habe die wage Vermutung, dass ich damit recht habe.
„Du kanntest sie. Nicht wahr?“
Ein verhaltenes Räuspern ist zu hören, bevor er weiter spricht.
„Ich kannte sie nicht nur. Ich liebte sie. Es war eine dunkle Zeit in meinem langen Leben und dann kam Elisabeth und alles war auf einmal so einfach mit ihr.“
Meine Vermutung bestätigt sich mit seinen Worten. Die Traurigkeit in seiner Stimme lässt mich ihn mitfühlend beobachten. Auch wenn ich doch von der bahnbrechenden Neuigkeit überrascht worden bin.
„Ich hatte keine Ahnung Nathan. Was ist mit ihr passiert? Was war, oder ist an ihr so wertvoll oder anders?
“
Soviele Fragen, auf die ich gerne eine Antwort hätte, brennen auf meinen Lippen. Es fällt mir nicht einfach, dieser Welt zu folgen und die Zusammenhänge zu verstehen. Ich wusste bis vor einigen Wochen nichts über diese Welt und jetzt soll ich daran glauben, dass es ein Ritual gibt dass einem stärker machen soll? Es ist einfach so Vieles neu für mich. Wieder zögert er mit seinen Antworten.
„Elisabeth war die Tochter von Georg Bathory und dieser war, wie größtenteils alle in denen reines Bathory Blut floss, Mitglied des Ordens, der sich der siebte Tot nannte. Nicht nur Mitglied. Er war der Anführer. Doch Elisabeth war anders. Sie wollte nicht töten. Weder Vampire noch Werwölfe oder irgendjemand anderen. Sie war so gut in ihrem Herzen. Doch für ihren Vater, Georg war es eine Qual dass sie es nicht wollte. Und so zwang er sie zum töten. Er lies sie mit achtzehn Jahren in einem Vampirbau aussetzen und so konnte sie nicht anders als sich zu verteidigen. Von dieser einen Nacht trug sie eine große Narbe davon. Eine seelische Narbe. Sie haben sie fast zu Tode gesaugt, doch irgendwie schaffte sie es. Ich habe sie mitten im Wald gefunden. Blutüberströmt. Ihr Herz war kurz davor aufzugeben. Ich gab ihr mein Blut, doch es war zu spät. Sie erwachte nicht wieder.“
Es scheint ihm sichtlich schwer zu fallen, darüber zu erzählen.
„Aber wenn sie gestorben ist, was war dann so wertvoll an ihr?“
In seinen Augen scheint, dass erste Mal ein winziger Anschein von Freude zu erkennen, als er mich mit den dunkler werdenden Augen anblickt.
„Anna, die Geschichte ist noch nicht vorbei. Du musst wissen, wie man zu einem Vampir wird. Man saugt demjenigen das Blut aus, bis fast nichts mehr von seinem Eigenen Blut in diesem Körper ist. Dann muss man warten bis das Herz aufhört zu schlagen und so lange die Seele noch im Körper verweilt gibt man ihm sein Blut. Dann wartet man und falls es funktioniert, was nicht immer der Fall ist, öffnet dieser Jemand seine Augen und wandelt ab diesem Zeitpunkt als Vampir auf dieser Welt.“
Ich bin sprachlos. Ich glaube ich verstehe es, oder wieder doch nicht. Es ist einfach verdammt schwer dieser Geschichte zu folgen und zu verstehen was Nathan mir damit sagen will. Doch wenn ich seine Geschichte verknüpfe, denke ich, dass ich weiß worauf er hinaus will.
„Ich kannte bis zu diesem Tag Elisabeth nicht.“
Abwartend auf meine Reaktion wandern seine Augen über mein Gesicht.
„Ich verstehe. Also auch wieder nicht. Aber irgendwie denke ich, dass ich dir folgen kann.“
Mein Herz scheint etwas überempfindlich auf sein Lächeln zu sein, als er mich mit eben Diesem anblickt. Es ist zwar nur von kurzer Dauer, doch es lockert diese angespannte Situation ein wenig auf.
„Ich ging danach nach Hause, denn ich glaubte sie wäre tod und ihre Seele schon verschwunden. Es bereitete mir nicht sonderliche Trauer, da ich sie ja nicht kannte. Und bis zu diesem Tag hatte ich so etwas noch nie gemacht. Ich weiß nicht, ich hatte einfach Mitleid mit ihr, als sie da so vor mir lag. Ich vergrub sie im Wald. Ich konnte es nicht übers Herz bringen, sie da einfach so liegen zu lassen. In meinem Haus angekommen, bereitete ich mich auf den Tag vor, doch gerade als ich die Türen und Fensteläden schließen wollte, stand sie vor mir. Sie sah mich an, blutüberströmt mit Erde in den Haaren und mit ihren haselnussbraunen Augen. Ich konnte nicht anders und bat sie herein. Ich konnte sie nicht einfach der Sonne überlassen. Von diesem Tag an lernte ich sie schätzen und die Liebe zwischen uns begann zu wachsen. Doch sie war anders. Sie hatte kein Verlangen nach Blut und konnte normal Essen und Trinken. Wir konnten es uns nicht erklären, doch eine Hexe hatte die Lösung gefunden. Das noch übrig gebliebene Bathory Blut in ihren Adern, lies sie halb Mensch und halb Vampir sein. Somit konnte ihr auch kein Sonnenstrahl, auf ihrer zarten Haut, etwas antun. Niemand dachte, dass dies möglich ist, aber Elisabeth war der lebende Beweis dafür.
Doch dann kam dieser eine Tag, wo wir durch ihren Vater an einer Lichtung, aufgehalten wurden. Er wollte uns umbringen und bei dem Anblick von Elisabeth überkam Georg purer Hass. Er hetzte seine Werwolf- Sklaven auf uns. Sie gingen auf Elisabeth los und ich konnte ihr nicht helfen. So sehr ich wollte, es waren einfach zu viele. Ich werde diese Nacht niemals vergessen. Wir beide kämpften mit all unserer Kraft und Georg lies uns mit den Wölfen alleine, in den Glauben, dass sie uns töten werden. Bis heute weiß ich nicht wie, aber ich schaffte es alle Werwölfe zu töten. Doch als ich bei Elisabeth angekommen war, war ihr Körper mit Bissen übersäht. Sie streckte mit ihrer letzten Kraft, ihre Finger nach mir aus. Ich kniete mich vor sie und mit ihrem letzten Atemzug, sagte sie mir dass sie mich liebt. Gleich nachdem sie diese Worte gesprochen hatte, spürte ich ein Brennen auf meiner Schulter. Die Sonne, sie war bereits aufgegangen. Ich versuchte bei Elisabeth zu bleiben, aber diese war bereits von mir gegangen. Und die Sonne brannte so stark dass die Schmerzen unerträglich waren. Ich wollte mit ihr sterben. Wollte ihre Hand halten und mit ihr den Weg in das Nichts gehen. Doch während die Sonnenstrahlen sich immer weiter in mein Fleisch brannten, desto wütender wurde ich. Wütend auf Georg. Dieser Feigling hat es nicht einmal selbst getan. Mit dem Schmerz wuchs der Hass und der Drang nach Rache. Also lief ich zurück zu unserem Unterschlupf. Ich versteckte mich dort, bis die Sonne wieder unterging und meine Wunden verheilt waren. Ich wollte sie bei Anbruch der Nacht zu mir holen. Wollte ihr einen anständigen Abschied ermöglichen, bevor ich Rache üben wollte. Doch dort angekommen waren alle Kampfspuren verschwunden. Lediglich eine Rose lag auf der Stelle wo Elisabeth gestorben war. Ich war verwirrt und voller Hass auf Georg. Er hatte mir dass genommen, was ich am meisten geliebt habe.“
Erst jetzt merke ich, dass sich eine Träne den Weg über meine Wange bahnt. Diese Geschichte so unendlich traurig. Als mir Nathan dass erzählt, ist kaum zu übersehen, welche Liebe er für Elisabeth empfunden hat oder noch immer empfindet. Und ohne nachzudenken, lege ich meine Hand auf seine. Er sieht mich etwas überrascht an und schenkt mir nochmals ein kleines Lächeln. Bevor er seine Finger zwischen meine schiebt.
„Was ist danach mit Georg passiert?“
„Ich habe ihn verfolgt. Viele Jahre. Immer wieder ist er mir knapp entwischt. Doch 1618 hatte ich ihn zurück nach Rumänien, seiner Heimat getrieben. Dort fand ich ihn und brachte ihn um. Ebenso seine Anhänger. Mit diesem Tag hörte der siebte Tot auf zu existieren. Dass dachte ich bis jetzt.“
„Was meinst du mit, du dachtest er würde nicht mehr existieren? Und was ist mit Elisabeth’s Körper geschehen?“
Die Verwirrung scheint mir ins Gesicht zu schreiben als sich einer seiner Mundwinkel, wissend nach oben bewegt, bevor er mir eine weiter Erklärung liefert.
„Also ich habe Georg getötet. Danach habe ich noch einige Monate in Rumänien verbracht. Eines Tages hörte ich von einem Reisenden eine Geschichte über eine Frau die viele Gestalten annehmen kann und alles andere Übernatürliche, dass ihr begegnet vernichtet. Ich weiß nicht wieso ich nicht damals gleich auf die Idee gekommen bin, dass es Elisabeth sein könnte. Aber ich habe den Gedanken sofort wieder verworfen. Bis zu dem Tag als ich wieder hier her zurückgekehrt bin, zu meinem Unterschlupf.“
Eine kurze Pause und ein gequälter Ausdruck auf seinem Gesicht, lassen mich nun spüren, dass es ihm noch immer Schmerzen bereitet, die Geschichte in seinen Erinnerungen wieder hervorzurufen.
„Es war bereits nach Mitternacht und ich war auf der Jagd. Ich brauchte Blut und seit Elisabeth von mir genommen wurde, konnte ich meinen Blutdurst nicht kontrollieren. Ich wollte ihn auch nicht kontrollieren. Mir war einfach Alles so gleichgültig. Doch als ich zu meinem Unterschlupf zurückkehrte, stand sie vor mir. Schöner als je zuvor, mit ihren langen schwarzen Haaren und den Haselnussbraunen Augen. Ich konnte mein Glück kaum fassen und wollte sie sofort in meine Arme schließen. Doch als ich ihr näher kam, spürte ich, dass etwas anders ist. Ihre Augen veränderten sich, sie wurden schwarz wie die dunkelste Nacht. Aus ihrem Kiefer schossen riesige Fänge hervor. Ich hatte so etwas noch nie gesehen. Ich konnte es nicht verstehen, aber sie rannte auf mich zu und versuchte mich zu töten. Sie war so stark und ich wollte sie einfach nicht verletzten. Doch je länger wir kämpften und je mehr ich versuchte auf sie einzureden, desto wütender wurde sie. Irgendwann verstand ich es. Sie war nicht mehr die Elisabeth die ich liebte, sie war Jemand anderes. Etwas anderes. Und so sehr ich auch dagegen ankämpfte, habe ich Elisabeth’s Herz aus ihrer Brust gerissen. Und an diesem Tag ist auch mein Herz aus meiner Brust gerissen worden.“
Der Schock über die gesagten Worte, über diese unfassbare Geschichte, sitzt nun in mir fest. Ich kann mir kaum vorstellen, was Nathan durchgemacht hat. Wie ihn noch immer diese Dunklen Träume jagen müssen. Seine Finger bewegen sich und legen sich um meine, als würde er versuchen darin Halt zu finden.
„Ich begrub sie in der Gruft in unserem Heim. Ich habe es für sie bauen lassen, doch sie konnte es niemals sehen. Später erfuhr ich von einer Heilerin, dass Elisabeth’s Seele nicht mehr vollständig war. Sie hatte sich in dieser einen Nacht, in der ich dachte, dass sie gestorben ist, in einen Werwolf verwandelt. Es war das Gift in ihrem Blut, dass ursprünglich die Verwandlung in einen Werwolf stoppen hätte müssen. Doch ihre Menschliche Seite hat es zugelassen. Somit war ihre Seele zerissen und konnte nicht länger ihren Körper kontrollieren. Ihr Körper wurde somit von vier verschiedenen Seiten kontrolliert. Sie war teils Bathory, Mensch, Vampir und auch Werwolf. Noch niemals, nicht in meinem langen Leben, habe ich jemals von so Etwas gehört. Und jetzt zu dem wesentlichen Teil. Marius will Elisabeths Körper finden um alle Kräfte die Elisabeth hatte, mit seinen zu vereinigen. Kaum vorzustellen, welche Stärke er dadurch erlangen würde.“
„Ich versuche es zu verstehen Nathan, aber aus welchem Grund benötigt dann Marius mein Blut?“
„Um den nötigen Anteil an Bathory Blut in seine Venen zu bekommen. Ansonsten würde es ihm ebenfalls seine Seele zerreißen und er könnte sich nicht kontrollieren, sollte er sich verwandeln.“
Also ich kann diese Geschichte kaum glauben oder verstehen. Ich kann ihm zwar folgen, aber es klingt alles wie in einem Märchen. Aber was wenn Marius Elisabeth’s Körper bereits gefunden hat? Nicht auszumalen was dann passieren würde. Bei diesem Gedanken läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken.Meine Gedanken schweifen nun immer wieder zu diesem Ort, an dem ich denke, dass dieser irgendetwas mit Elisabeth`s Überresten zu tun hat.
„Leider habe ich den schlimmen Verdacht, dass er den Ort bereits gefunden haben könnte.“
Keine Sekunde später, löst er seine Hand von meiner und das Zittern in seiner Stimme ist nicht zu überhören.
„Er wird sie nicht öffnen können. Für diesen Fall habe ich Vorkehrungen getroffen. Die Gruft ist verriegelt. Einerseits mechanisch und andererseits durch einen Zauber. Er wird es niemals schaffen, zu ihren Überresten zu gelangen.“
„Nathan ich war heute mit meinem Vater und Marius an einem Ort, denn ich glaubte zu kennen. Es war ein kleines Schloss mitten im Wald, ein wenig außerhalb von Driftwood. Ich habe dort eine Statue mit den Namen Elisabeth gefunden.“
„Was soll dass bedeuten? Du warst dort?“
Mit einer schnellen Bewegung steht er nun neben mir und blickt auf mich herab. Sein Tonfall und die panische Geste seiner Finger, die sich in seinem Haar vergraben, lassen mich nervös werden.
„Ich .... Also ich bin nur mitgefahren, weil ich wissen wollte was Marius vorhat. Ich habe keine Ahnung was Marius dort wollte. Ich weiß nur, dass mein Vater das alte Haus wieder originalgetreu aufbauen soll. Aber ich wusste nichts von dieser Geschichte.“
Vorsichtig bewege ich mich auf ihn zu. Er hat sich von mir abgewendet. Noch immer scheint er zu versuchen mit den Neuigkeiten klar zu kommen. Seine Schultern heben und senken sich zu schnell, um dahinter einen ruhigen Nathan zu erwarten. Seine Hände sind zu Fäusten geballt und auch sonst scheint sich jede seiner Muselfasern zu straffen, die sich unter seinem Shirt abzeichnen.
Auch wenn ich Angst haben müsste, kann ich nicht ander und versuche ihn zu beruhigen, indem ich meine Handfläche langsam auf seine Schulter zu legen versuche. Doch schneller als mein menschlicher Verstand arbeiten kann, schlingen sich seine langen Finger um mein Handgelenk.
Mit einer Härte in seinen Augen drängt er mich mit den Rücken an die Wand hinter mir. Sein Anblick löst für eine Sekunden ein Gefühl der Angst aus, bevor es in Faszination umschlägt.
Seine Augen blicken mich an und kein Pigment scheint davon verschont zu sein. Das Einzige was sich zwischen seinen Lidern von diesem Pechschwarz abhebt, ist seine Iris, die aussieht als würde sie brennen und von Flammen eingehüllt sein. Seine Fänge blitzen unter seinen Lippen auf und ich weiß, dass ich Angst haben sollte. Weiß, dass es nicht gerade die freundliche Seite von Nathan ist. Aber es scheint nur Einfluss auf meinen Körper zu haben, der sich nun ohne Gegenwehr von ihm weiter nach hinten drücken lässt. Als ich die rauhen Holzbretter an meinem Rücken spüre, stoppt er für einen Moment. Ein Grollen aus seinem Mund und die Faust, die sich nun auf mich zubewegt, reißen mich wieder aus meinem Trance-Artigem Zustand und lassen mich aus Angst vor diesem Schlag die Augen schließen.
Erst als ich dass Geräusch von splitterndem Holz neben meinem Kopf höre, öffne ich langsam meine Lider. Mein Herz hämmert in meinem Brustkorb und erst als ich Nathan`s Blick begegne, löst sich meine Angst in Mitleid auf.
Seine Augen blicken auf mich herab und in ihnen ist soviel Trauer und Schuld zu erkenne, dass es mir förmlich dass Herz zerreißt.
„Anna, es tut mir leid. Es tut mir so leid. Ich wollte dir keine Angst einjagen. Es ist so verdammt schwer, meine Gefühle in der Hinsicht auf diese Erinnerungen kontrollieren zu können. Ich war seit dem Tag, als ich Elisabeth die letzte Ehre erwiesen habe, niemals wieder an diesem Ort.“
Noch immer hält er mein Handgelenk umklammert. Noch immer ist seine andere Hand neben meinem Kopf in das Holz gebohrt. Etwas von diesem Schwarz in seinen Augen, scheint wieder zu verschwinden, als er seinen Blick zwischen meinen Augen und meinen Lippen hin und her wandern lässt, bevor er seine Lippen auf meine presst. Seine Zunge trifft auf meine und ich kann seine Fänge fühlen, die sich glatt und kühl an meine Lippen pressen. Aber anstatt im Weg zu sein, machen sie diesen Kuss noch bedeutender.
Er küsst mich mit seiner wahren Gestalt. Ohne etwas vor mir zu verbergen.
Die Hand zu meiner Seite scheint sich aus dem Gefängnis aus Holz zu befreien und langsam wandert sie zu meinem Nacken, schiebt sich unter mein Haar und hält so meinen Kopf fest. Die Finger auf meinem Handgelenk lösen sich und verursachen ein Prickeln auf meiner Haut, als er sie über meinen Unterarm nach oben gleiten lässt.
Bevor jedoch dieses ganze Spektakel, dass mein Herz und meinen Körper zum durchdrehen bringt, in einem Gewirr aus unseren ineinander verschlungenen Gliedmassen endet, scheint er sich mit all seiner Kraft von meinen Lippen zu lösen und sich einen Schritt von mir weg zu bewegen. Es scheint, als müsste er Abstand zwischen uns schaffen.
Doch noch immer liegt seine andere Hand in meinem Nacken und seine Iris scheint nun vollkommen von den Flammen bedeckt zu sein, als er seine Augen auf mich richtet.
Und als ich denke, dass er nun doch seine Meinung geändert hat und das Angefangene weiterführen möchte, zieht er mich einfach mit einer Ruckartigen Bewegung in seine Arme und drückt mich fest an sich. Sein Kopf wandert zu meinem Nacken und verharrt dort, bis ich endlich verstehe was hier mit uns passiert.
Er umarmt mich. Es ist eine einfache und doch so intime Geste, die mein Herz vor Wärme fast zerspringen lässt. Dass Gefühl, dass ich eine Ewigkeit auf diesen Moment gewartet habe und nun endlich die Sehnsucht befriedigt wird, lässt mich meine Hände fester um seinen Körper schlingen. Es fühlt sich an, als hätte ich diese Umarmung schon einmal erlebt und mein Körper hat nur darauf gewartet, endlich diese Berührung wieder spüren zu können.