Ich erblicke mein Ziel schon von weitem. Die ältere Frau steht neben ihrem kleinen Gemüsestand und verkauft einen großen braunen Sack voll mit saftigen, roten Äpfeln. Das passt echt gut zu ihr. Sie lebt für ihren Job.
Die braunen Haare, die von grauen Strähnen durchzogen sind, hat sie zu einem strengen Knoten gebunden und ihre nussbraunen Augen verbirgt sie hinter ihrer großen Nickelbrille, die ihr so eine freundliche Aura verleiht. Sie trägt ebenfalls einen warmen Mantel und darunter zerrissene schmutzige Lumpen. Sie ist zwar nicht obdachlos, doch ihr Einkommen reicht nicht, um sich Kleidung für jeden Tag in der Woche zu kaufen. Diese Frau hat mir schon so oft geholfen, dass wir richtige Freundinnen geworden sind.
“Hallo Hilley“, begrüße ich die nette Frau. Sie hebt den Blick, den sie vorher auf den Verkaufstresen gerichtet hatte. Sofort zaubert meine Anwesenheit ein Lächeln auf ihre gesprungenen Lippen. Auch auf meinen eher rosigen Lippen erscheint ein glückliches Lächeln.
Ich gehe schnellen Schrittes, fast schon rennend, auf sie zu. Sie breitet ihre Arme ein Stück aus und schließt mich in ihre Arme. Ich schlinge meine Arme um sie. Das fühlt sich gut an. Endlich mal wieder eine richtige herzliche Umarmung. Endlich Jemand, der mich seine Liebe und Freundschaft spüren lässt.
Das mag ich an Hilley so gerne. Sie ist so herzlich und gibt jedem schlechten Tag ein wenig Sonnenschein. Sie ist wie eine Mutter oder eher gesagt wie eine Oma für mich.
“Was tust du denn hier, mein Kind?“, fragt sie gütig. Ich löse mich wieder von ihr und deute auf einen grünen und einen roten Apfel:“Äpfel kaufen!“ Sie grinst freundlich und nimmt einen braunen Sack, in den sie mehrere Äpfel packt. Ich reiche der älteren Frau einen, mit Nickel- und Cobaldmünzen gefüllten, Lederbeutel. Sie winkt jedoch ab:“Nein, mein Kind. Das ist nicht notwendig. Ich weiß ja, dass du selbst nicht genug hast.“ “Ach komm schon Hilley. Nimm es. Du gibst mir Äpfel und ich gebe dir Geld. So läuft fairer Handel“, erkläre ich streng, schenke ihr aber ein gutherziges Grinsen. Sie weiß ja, dass ich es nur gut meine.
Hilley rollt mit den Augen, nimmt dann aber den Beutel. Sie überreicht mir dafür den Sack mit den Äpfeln darin. Diese müssen für eine Woche reichen. Ich habe schließlich nicht genug Geld, um mir jeden Tag etwas Neues zu Essen zu kaufen. Ich schaue sie dankbar an.
Dann verabschiede ich mich von ihr und nehme einen saftigen Apfel aus dem Beutel, den ich sofort in den Mund schiebe und zu essen beginne. Ich will gerade an Hilleys Stand vorbei gehen, da packt mich Jemand am Arm.
Ich umklammere mit meiner Hand den Arm der Person und drehe mich ruckartig um. Das habe ich mir so angewöhnt, was mich vor Dieben schützt.
Es ist Hilley, die mich aufhält. Ich schaue sie fragend an:“Ist noch was, Hilley?“
Sie winkt mich an die Seite. Ich folge ihr und sehe sie fragend an. Hinter dem Stand bleiben wir stehen.
Mein Blick fällt auf die Zeitung in ihrer Hand:“Ist das die Zeitung von heute?“ Sie nickt still und schlägt die Seite auf, die auch ich zuvor durchgelesen habe. Dann tippt sie auf das Foto:“Das bist doch du! Das bist du Stella! Wieso bist du in der Zeitung?“ Ich deute auf den Titel darunter. “Du bist abgehauen?“, fragt sie fassungslos. Ich zucke mit den Schultern:“Ich habe es dort einfach nicht mehr ausgehalten, Hilley. Ich war an einem Punkt an dem es nicht mehr ging, Hilley!“ Sie schaut mich wehmütig an:“Aber Stella. Dort waren Leute, die sich um dich kümmern und für dich Sorgen. Du hattest du es dort sehr gut.“
Ihre Ansprache entlockt meinen Lippen ein lautes Lachen:“Um mich kümmern? Für mich Sorgen? Das glaubst du doch nicht wirklich oder? Sie haben mich dort wie den letzten Dreck behalt, Hilley. Sie wollten nur Geld, welches sie dann ungehindert für sich selbst nutzen können.“ “Oh, das wusste ich nicht“, sie legt einen ihrer dünnen Arme um meine Schulter:“Dann kann ich deine Entscheidung doch verstehen. Merk dir aber, dass du jeder Zeit zu mir kommen kannst, wenn du Hilfe oder etwas zu Essen brauchst.“ Ich lächele zwar, schüttele aber den Kopf.
Ich will Hilley nicht belasten. Sie ist schon alt und kann alles Geld, was sie verdient genauso gut gebrauchen wie ich. Im Gegensatz zu ihr bin ich es aber gewöhnt alleine zu sein und mich nur um mich zu kümmern. Sie hat noch zwei Kinder und einen Hund, um die sie sich kümmern muss. Ihre Kinder wollen immer wieder Geld von ihr und der Hund frisst ihr die Haare vom Kopf.
“Ich gehe jetzt aber auch mal lieber weiter“, erkläre ich:“Ich will ja nicht entdeckt werden.“ Sie nickt verstehend und tätschelt meine Schulter ratlos:“Gut mach das! Lass dich aber bald mal wieder hier blicken. Ich will sicher sein, dass es dir gut geht.“
Sie ist so fürsorglich, wofür ich auch echt dankbar bin. Ich hatte noch nie eine echte Freundin, doch ich denke, dass die Beziehung von Hilley und mir einer guten Freundschaft von sehr ähnlich ist. Sie sorgt sich um mich und ist für mich, da wenn ich mal nicht weiter weiß oder Hilfe brauche.
“Ja klar. Das mache ich bei der nächsten Gelegenheit“, verspreche ich dankbar für ihre Fürsorge.
Dann trete ich hinter dem Stand hervor und schaue mich um. Wohin jetzt? Nach wenigen Sekunden entscheide ich mich dazu in eine kleine Gasse, in die das Sonnenlicht kaum hinein scheint, da mich dort sicher niemand entdecken wird. Ich setze meine Kapuze wieder auf und laufe mit schnellen Schritten in die Gasse hinüber. Dort werde ich mich ein über kurz oder lang verstecken, bis man nicht mehr in den Nachrichten nach mir sucht. Ich will einfach kein Risiko eingehen.
In der Gasse angekommen sehe ich mich erst mal um. Es ist echt dunkel, da die Sonne hier nicht wirklich herein scheint. Ich schiebe die Kapuze ein wenig hoch, damit ich durch die ganze Gasse blicken kann. Sie ist komplett leer. Wie merkwürdig. Normalerweise ist hier doch immer irgendwas los und so gut wie alle Straßen sind mit wenigstens ein paar Menschen gefüllt, während andere eng wie Sardinenbüchsen sind. Langsam überkommt mich die Vermutung, dass hier irgendwas faul ist. Das war echt eine total miese Idee. Ich hätte nicht in diese Gasse gehen sollen. Es hätte mir vorher schon Spanisch vorkommen sollen.
Plötzlich packt mich jemand an den Armen und jemand anderes hält mir den Mund zu. Was ist denn hier los? Ich versuche zu sprechen und zu fragen, wer das ist, doch die Person presst mir die Hand nur noch fester auf den Mund. Innerhalb von wenigen Sekunden überkommt mich Panik und meine Starre löst sich auf. Ich beginnen um mich zu schlagen und mich zu wären, doch die Personen umklammern mich nur noch fester. Einer von ihnen hält mir den Mund zu, während der Andere meine Arme fest hält.
Als sie auch zu bemerken scheinen, dass ich mich zu währen beginne, tritt einer von ihnen wie wild gegen mein Schienenbein, während der Andere mir seine Faust in den Bauch rammt.
Mir bleibt die Luft weg, doch ich höre nicht auf. Ich kann nicht aufhören. Ich will nicht aufhören. Ich werde nicht zulassen, dass jemand mich entführt.
Ich wehre mich weiter, doch es scheint hoffnungslos. Was wollen die Leute nur von mir? Was habe ich ihnen getan? Ich bin doch nichts Besonderes! Oder?
Bin mit dem Kapitel super unzufrieden! Sorry! Wie findet ihr es?