Du bist Elred Aramys Nuvian.
„Euer Tod!“, antwortest du den Wissenssammlern.
Mit einer einzigen, fließenden Bewegung legst du den bereitgehaltenen Pfeil auf den Boden, zielst und lässt das Geschoss fliegen. Es durchschlägt die magere Brust eines der Wissenssammler. Ehe sein Körper auf den Boden aufschlägt, hast du bereits den nächsten getroffen.
Arthrax stößt einen Kampfschrei aus und schlägt mit der Axt auf den dritten ein, während du den vierten ins Visier nimmst. Arthrax schleudert schließlich seinen Dolch auf den fünften.
Eure Gegner haben keine Chance, rechtzeitig zu reagieren.
Die Reittiere scheuen und galoppieren panisch davon. Wie du vermutet hast, sind sie schneller als eure Pferde auf dem harten, doch trügerischen Boden.
Du sammelst deine Pfeile wieder ein. Arthrax säubert das Blatt der Axt.
„Das ging schneller als erwartet“, meint der Krieger. „Sieh mal, sie besitzen kaum Blut. Was ist das?“
Angewidert betrachtet er die Rückstände auf Axt und Messer. Die staubigen Körper, die wie in Papier eingewickelte Tote aussehen, besitzen ein grünliches Sekret, das dich eher an zerquetschte Käfer erinnert.
„Versuch, den Kontakt damit zu vermeiden“, rätst du. Vermutlich ist das Blut dieser Wesen giftig, wie alles in Aak.
Arthrax wirft dir einen Blick zu, als zweifele er an deinem Verstand. „Ich wollte mich eigentlich damit einreiben, weißt du?“
Du sparst dir einen Kommentar. Menschen sind so naiv und emotional, dass man ihre ohnehin begrenzte Intelligenz schnell mal unterschätzt. Es ist ein Spießrutenlauf zwischen blöden Nachfragen und tödlich beleidigten Sterblichen.
Grummelnd säubert Arthrax seine geliebten Waffen. Du suchst die Gefallenen ab. Doch sie tragen keine Kleidung, außer, das vergilbte Papier, das um ihre Körper geschlungen ist, stellt eine solche dar. Eure einzige Aussicht auf Beute befindet sich folglich auf dem Ochsenkarren, dessen Zugtiere glücklicherweise noch nicht geflohen sind. Mit einem eleganten Satz springst du auf den Kutschbock.
„Haben sie was zu essen? Wasser?“, fragt Arthrax, der seinen Groll offenbar schon wieder vergessen hat.
Du schlägst die Stoffplane zurück und wirst im nächsten Moment von einer Faust in den Magen getroffen, die dich vom Wagen katapultiert. Du rutscht über den Boden und fühlst, wie dein Rücken von dem harten Untergrund aufgerissen wird. Keuchend kommst du zum Liegen.
Du hörst gedämpfte Kampfgeräusche, Knurren und Schnaufen und Schläge. Als du den Blick hebst, siehst du Arthrax auf dem Karren mit einer papiernen Gestalt ringen.
Natürlich, es muss ja noch jemanden gegeben haben, der den Karren gelenkt hat! Du verfluchst dich im Stillen für deine Unvorsicht und springst auf, um Arthrax zu helfen. Geschickt jagst du einen Pfeil in die Seite des Kutschers. Der kippt zur Seite und zerrt Arthrax im Fallen mit sich vom Karren. Als du um das Gefährt biegst, liegt Arthrax auf dem Toten und befreit sich aus dessen Umklammerung.
„Alles in Ordnung?“ Du reichst dem Menschen eine Hand.
Er lässt sich aufhelfen und sucht sich nach Verletzungen ab. „Ja, alles gut.“
Ihr begutachtet den Wagen, doch Arthrax erkennt schnell, dass ihr nichts nützliches findet. „Das sind ja nur alte Schriftrollen!“
„Für die Wissenssammler das höchste Gut!“ Du sammelst ein paar der wertvoller aussehenden Rollen zusammen und steckst sie ein „Verschwinden wir hier, bevor noch andere Gruppen auftauchen!“
Ihr schwingt euch auf eure Pferde und reitet direkt auf die Stadt zu, um weiteren unangenehmen Überraschungen aus dem Weg zu gehen.
°°°
Ihr nähert euch der Ruinenstadt von ihrer weniger ansehnlichen Seite. Es muss das Armenviertel sein, das sich vor euch erstreckt: Die Hütten sind notdürftig aus Brettern geschlagen und liegen so dicht gedrängt wie Bienenwaben. Dreckige Kinder spielen in den engen Gassen, alte, zusammengekauerte Bettler der unterschiedlichsten Rassen beobachten euch und eure Pferde aus tief eingesunkenen, müden Augen.
„Wenn ihr das Maultier verkaufen wollt …“ Ein Mann mit schwarz verfaulten Zähnen und entsprechendem Mundgeruch spricht euch an. „Ich zahle gut! Cordrix zahlt gut!“
„Nein!“ Arthrax stößt den Mann empört von sich.
„Warte.“ Du hältst den Menschen zurück und siehst den Mann an. „Bist du ein Schwarzmarkthändler?“
„Und wenn es so wäre, was geht euch Fremdlinge das an?“, faucht Schwarzzahn zurück.
Du zückst die kürzlich eingesammelten Schriftrollen. „Cordrix soll uns seinen guten Preis demonstrieren! Zahlt er wirklich so gut, wie er sagt?“
Die Augen des Händlers weiten sich und ein unansehnliches Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Rollen der Wissenden! Cordrix zahlt wahrlich gut dafür!“
Er winkt euch in eine Seitengasse und schließt den Handel auf der Stelle ab. Du bist dir sicher, dass er euch betrügt, doch du hast kein Bedürfnis, um jedes letzte Kupferstück zu feilschen. Du bist froh, die Beweisstücke loszuwerden. Dir reicht es, wenn ihr ein wenig Geld für Proviant erhaltet, denn ihr müsst Wasser für eure Pferde kaufen. Dein treuer Coritas ist sichtbar abgemagert und Arthrax‘ Kaltblut hat stumpfes Fell und müde Augen.
Der Händler verabschiedet euch. Ihr seid etwas reicher geworden und immer noch unschlüssig, ob ‚Cordrix‘ sein eigener Name ist und er in der dritten Person von sich redet, oder den Kauf für einen Dritten abgewickelt hat. Mit etwas schwereren Taschen tretet ihr zurück auf die Straße, als sich plötzlich ein grausiger Lärm erhebt.
„Die Säuberung!“, rufen verschiedene Passanten. Manche klingen ekstatisch, andere geradezu panisch. Kinder laufen zu ihren Eltern, wenn sie denn welche haben. Die Menschen strömen aus ihren Häusern, zu kleinen Gruppen zusammengedrängt. Dann erscheint eine Patrouille von Soldaten, deren Stiefel fest auf die Erde stoßen. Es werden immer mehr – bestimmt hundert oder mehr Soldaten, allesamt Wissende mit Papierhaut, die sich in Gruppen zu zehn Männern bewegen.
Sie bleiben stehen, betrachten die Gruppen, dringen in die Häuser ein und durchsuchen diese. Rufe hallen durch die verwinkelten Gassen. Ihr hört das Flehen von Frauen und einige panische Schreie. Nicht weit entfernt wird ein gebrechlicher Bewohner aus einer Hütte gezerrt. Der Kranke weint und fleht um Gnade. Mehrere Personen, offenbar seine Familie, wollen die Soldaten aufhalten. Doch sie haben keine Chance gegen den organisierten Trupp.
„Was haben sie nur mit dem armen Kerl vor?“, wundert sich Arthrax.
„Nichts Gutes“, sagst du mit einem Blick auf die Gesichter der Angehörigen.
„Die Säuberung!“, kreischt die Menge wie von Sinnen. Du siehst zu dem Kranken und dann zu Arthrax, der das Geschehen mit wildem Blick und geballten Fäusten beobachtet. In ihm brodelt es, das kannst du deutlich erkennen.
Du deinerseits …
- ... ignorierst das Geschehen. Lies weiter bei Kapitel 4.
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- ... greifst in das Geschehen ein. Lies weiter bei Kapitel 5.