Ein kühler Wind schlug ihr ins Gesicht. Langsam öffnete sie ihre Augen. Er hatte sie gerade aus dem Wagen gezogen und trug den schlaffen Körper auf seinen Armen in Richtung eines Hauses. Alles an ihr fühlte sich so betäubt an. Sie versuchte zu sprechen doch ihr Mund war trocken und gelähmt. "Abha … hamda …älde" nur genuschelte Worte brachte sie heraus. "Schhhhh meine Kleine. Du bist doch noch viel zu müde. Außerdem ist es noch nicht Zeit zum aufstehen, Schlaf weiter." Wieder legte sich dieses gruselige Lächeln auf seine Lippen das sie einfach nur zum flüchten animierte.
Doch die wieder aufflammende Panik war einfach noch zu viel für ihren entkräfteten Körper und so sackte sie wieder weg. Aber nicht für sehr lange. Sie schlug die Augen gerade wieder auf als der Mann ein paar Handschellen zuschnappen ließ. "Du bist ja schon wieder wach, hab ich nicht gesagt du sollst schlafen!" In seiner Stimme war nun eine leichte Aggression zu hören. Verschreckt kniff sie ihre Augen zusammen und tat so als ob sie schlief. Natürlich war diese Vorstellung nicht sehr überzeugend, aber ihm schien das zu reichen. Und als er den Raum verließ öffnete sie die Augen wieder vorsichtig. Es war noch tiefe Nacht, sie konnte nicht viel erkennen.
Und während sie das Auge wandern ließ fiel ihr Blick auf ein Spinnennetz. Eine Fliege die dort festhing zappelte um ihr Leben, doch das störte die gemächlich auf sie zu wandernde Spinne nicht. Ein Biss und dann wurde die Fliege langsam eingewickelte bis nicht ein Ruck mehr von ihr ausging. Lia fing bitterlich an zu weinen. Doch dann erinnerte sie sich an die ermahnende Stimme das sie doch jetzt schlafen sollte, also versuchte sie es zu unterdrücken. Aber als sie versuchte sich mit einem kleinen Trick zu beruhigen fiel ihr ein wer ihr diesen Trick beigebracht hatte.
Damals, als Lia noch sehr klein war, hatte sie oft Albträume. Dann setzte sich immer ihre Mutter an ihr Bett und erzählte ihr von wunderbaren Orten. Einem stillen Wald in dem man saß. Ein Schmetterling der vorbei flog und dessen Flügelschlag man am Ohr spüren konnte. Dann pustete ihre Mutter vorsichtig an ihr Ohr.
Einem weißen Strand an dem warm die Sonne schien. Das Meer das mit seinem regelmäßigen Wellen einen langsam in den Schlaf wiegte. Und während ihre Mutter das Meeresrauschen imitierte hörte die kleine Lia das Regelmäßige klopfen des Herzens ihrer Mutter.
Nun konnte Lia sich nicht mehr beherrschen. Sie vermisste sie so und wollte nur noch von ihrer Mutter in den Arm genommen werden. "Mami!" schrie sie schluchzend. Es war ihr egal ob der Mann wiederkommen würde, sie war einfach nur verzweifelt und heulte heiße Tränen. So weinte sie, schluchzte und jaulte immer weiter bis sie wieder in einen oberflächlichen Schlaf dämmerte.
Unter solchen Umständen hätte niemand sehr lange schlafen können. Als Lia die Augen aufschlug war es immer noch nicht hell draußen. Zwar war es schon so hell das man draußen was erkennen konnte, aber eine Sonne ließ sich in diesem Grau nur erahnen. Es war wohl kurz vorm Sonnenaufgang. Jetzt konnte sie sich in Ruhe ein bisschen umsehen. Der Mann würde sicher noch schlafen. Sie fummelte ein bisschen an ihren Handgelenken herum und schon war sie von den Handschellen befreit. "Danke Mama.", sprach sie leise während sie sich die Handgelenke rieb. Lia konnte sich noch gut an die Worte erinnern als sie ihr diesen Kniff beibrachte. "Falls du mal ärger mit der Polizei hast." Lia und ärger mit der Polizei. Sie war schon immer "die Brave" gewesen.
Sie war mit den Handschellen an einen schrägen Stützbalken gefesselt. Es war der Dachboden auf dem sie eingesperrt war. Als erstes versuchte sie natürlich die einzige Tür die es dort oben gab zu öffnen, aber sie war verschlossen. Dann ging sie zum Fenster. Felder, soweit das Auge reichte Felder. Vereinzelt waren da ein paar Häuser, doch viel zu weit entfernt als das die irgendwas mitbekommen würden wenn Lia hier Theater machen würde. Und außerdem sahen sie mehr wie Scheunen aus, nicht nach Wohnhäusern. Auf der linken Seite erstreckte sich ein riesiges Waldstück. Doch auch das war zu weit entfernt als das es für ein Versteck in Betracht käme, falls ihr eine unerwartete Flucht gelänge. Vor dem Haus schlängelte sich eine endlos erscheinende Straße. Sie sah kein Anfang und kein Ende, keine Kreuzung und keine Gabelung.
Aber was war das? Auf der rechten Seite war auf der Straße ein grauer Fleck der sehr langsam näher kam. Der Morgennebel schränkte die Sicht wirklich sehr ein. Erst als dieses Graue etwas kurz vor dem Haus war konnte sie es erkennen. Es war ein Junge auf einem Fahrrad. Auf seinem Gepäckträger war eine Tasche geklemmt die links und recht mit Zeitungen beladen war. Fast schon fröhlich atmete sie auf.
Als sie sah wie der Junge die Stufen des Einganges herunter kam und sich wieder auf sein Fahrrad setzen wollte klopfte sie wie wild an die Scheibe. Sie wollte nicht schreien um den Mann nicht zu wecken. Der Junge schien das klopfen zu hören. Er sah sich um und schaute schließlich zu ihr hoch. Der Junge sah sehr verwirrt aus so das sie sich doch dazu entschloss zu rufen.
Nur zaghaft rief sie "Hey Junge", doch der Junge wendete den Blick ab und setzte sich auf sein Fahrrad. Jetzt wurde sie panisch, das war vielleicht die letzte Person die in dieser Ödnis vorbeikam. Laut pochte sie gegen die Scheibe und schrie wie am Spieß um Hilfe. Was sie nicht wusste war das der Junge sie dort unten nicht ein Stück hören konnte da der Dachboden vollkommen gedämmt war. Und die Scheibe war mit einer Folie beklebt durch die man von innen nach außen schauen konnte, das von außen aber keinen Blick nach innen zuließ. So sah der Junge auch nichts als ein dunkles Fenster. Langsam fühlte er sich verarscht und trat in die Pedale.
"Nein, bleib hier. Ich brauche Hilfe, ich werde hier gefangen gehalten! HIIILFE!" schrie sie und hämmerte weiter an das Fenster. Doch der Junge war schon wieder im Morgennebel verschwunden.
Plötzlich wurde die Tür hinter ihr aufgeschmissen. Dort stand der Mann Wut schnaubend. Er packte sie fest an beiden Arme und schüttelte sie leicht. "Was fällt dir ein hier so herum zu schreien? Du bist doch kein unartiges Mädchen. Denn weißt du was in diesem Haus mit unartigen Kindern passiert?" Dann verpasste er ihr eine so heftige Ohrfeige das sie zu Boden ging. Sie zog die Beine fest an und hielt sich die Arme vors Gesicht, weil sie sicher war das er sie jetzt heftig verprügeln würde. Doch stattdessen hörte sie nur das Klacken der Tür als sie ins Schloss fiel. Ganz vorsichtig öffnete sie die Augen. Er war tatsächlich verschwunden, anscheinend hatte er sie nur warnen wollen. Behutsam strich sie sich über die pochende Wange.
Auf dem Boden hatte sie nur das Klicken der Tür vernommen, nicht aber die des Schlüssels. Also überprüfte sie als erstes ob er vergessen hatte abzuschließen. Doch Fehlanzeige, die Tür war fest verschlossen. Wie schaffte er es nur so leise die Tür abzuschließen, fragte sie sich in Gedanken, den Blick auf das Schlüsselloch gerichtet. "In Filmen öffneten die Leute ganz oft solche Schlösser mit nur einem Draht oder 'ner Kreditkarte", schoss es ihr durch den Kopf. Sie stand auf und schaute sich nun ganz genau auf dem Dachboden um.
Er war voll gestellt mit Spielzeug. Von der Babyrassel bis zum Handhelden, alles war vertreten. Eines der elektrischen Geräte griff sie sich, denn meist hatten diese eine Möglichkeit der drahtlosen Kommunikation. Doch schon als sie den Staub von dem Gerät pustete verflog ihre Hoffnung damit was anfangen zu können. Und tatsächlich, sie klickte die Schalter an und aus doch keine Reaktion, nach dem dritten Gerät gab sie auf. Sie sah sich weiter um. Kinderküchen, Spielzeugautos, Puppen, Holzeisenbahn. Ob das alles die Spielzeuge des Mannes waren? Doch was machten dann die Puppen und anderen Mädchenspielsachen hier? Hatte er auch mit so was gespielt?
Gebückt durchsuchte sie ein paar Kisten nach geeignetem Werkzeug, doch dort waren nur modrige Kuscheltiere zu finden. Als sie wieder aufstand setzte etwas kleines, schweres auf ihrem Kopf auf. Angeekelt schrie sie kurz "IHHH" auf und fegte sich mit den Händen durch die Haare. Sie dachte daran das es vielleicht eine dicke Spinne war die sich auf ihrem Kopf abgesetzt hatte, aber dann fiel ihr Blick auf das wild pendelnde Etwas vor ihr. Erstarrt und mit angehaltenem Atem stand sie und horchte in die Stille hinein. Sie hoffte das der Mann nicht hochkam und sie wegen dem Aufschrei bestrafte. Stille. Er kam nicht. Sie atmete einmal tief aus.
Irgendwie schien sie dieses kleine, silberne Ding zu kennen das nun wieder ganz brav da hing. Vorsichtig streckte sie die Hand danach aus doch traute sich nicht so recht es zu berühren. "Ist das …" sprach sie leise und faste sich an den Hals. "Wo ist mein Medaillon? Ist das meines? Warum hat er es geputzt und poliert?" Jetzt hielt sie es in der Hand und öffnete es.
In Lias Medaillon war auf der einen Seite ihre Mutter und auf der anderen Seite ein Bild mit ihr und ihrer Mutter. Aber in diesem hier waren leicht vergilbte Bilder von einem jungen Mann in Anzug und einer jungen Frau in Brautkleid drin. Sie sahen beide so glücklich aus. Vor allem diese herzhafte lachende junge Braut.
Das Medaillon sah genauso aus wie Lias, aber es war nicht ihres. Das neue Aussehen und die Fotos der fremden Personen, das konnte unmöglich ihres sein. Doch wo war dann ihres? Sie suchte überall, bei den Handschellen, beim Fenster, aber keine Spur von der Kette oder gar dem Medaillon. Es blieb unauffindbar. Sie dachte daran das es ihr dieser Mann weggenommen haben könnte. Doch warum?
Bevor sie aber noch einen Gedanken daran richten konnte ging schon wieder die Tür auf. Auch wenn sie diesmal ganz normal aufgemacht wurde und nicht aufgeschmissen schlug ihr das Herz bis zum Hals.
"Komm, Essen." brachte er kurz und knapp hervor. Sie war sich nicht sicher ob sie mitgehen sollte, aber wenigstens war es eine Chance von dem Dachboden zu entfliehen. Und bevor er sie mit Gewalt herunterzog wollte sie doch lieber freiwillig gehen.
Wachsam und ängstlich ging sie auf ihn zu. Er trat einen Schritt zurück um sie durch zu lassen. Schnell schlich sie sich an ihm vorbei und konnte seine Blicke auf ihrem Rücken spüren. Sie hingegen traute sich nicht ihn anzusehen. Eine Treppe führte nach unten. Links war eine Wand und rechts das Geländer. Es war eine ganz gewöhnliche Treppe nicht solche Klappstufen, wie sie es vom Dachboden von zu Hause kannte.
Diese Blicke auf ihrem Rücken lenkten sie so ab das sie sich nicht genug auf den Treppenabstieg konzentrierte und kurzerhand stolperte. Auch jetzt wurde sie sich der Stärke dieses Mannes wieder bewusst. Blitzschnell packte er sie am Arm und mit nur einer Hand konnte er sie aufrecht halten bis sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte. "Danke" sprach sie kleinlaut.
DANKE?! Hatte sie sich gerade bei ihrem Entführer bedankt? Der Typ der sie entführt, betäubt und eingesperrt hatte dankte sie jetzt? Warum hatte ihre Mutter sie nur so gut erzogen? "Scheiß Freundlichkeit, verdammte gute Manieren!", beschimpfte sie sich in ihren Gedanken. Sie war froh das er dem keine Beachtung schenkte.
Unten angekommen sah sie das sie schon im Erdgeschoss stand. Dies war wirklich ein seltsames Haus. Soweit sie sehen konnte war vieles einfach nur alt und verrottet. Das Holz sah sehr verfault aus und hatte schon fast die Farbe Schwarz angenommen. Stühle, Boden, Pfosten, jedes Stück Holz war in einem so erbärmlichen Zustand. Die Tapete war alt und vergilbt und hing an einigen Stellen auch schon von der Wand ab.
Er drückte sie leicht nach links durch einen runden Türbogen ohne Tür. Dann standen die beiden in der Küche und er zog einen Stuhl vor auf den sie sich wohl setzten sollte. Sie folgte seinem lautlosen Befehl und setzte sich an den Tisch auf dem schon ein alter, tiefer Porzellanteller stand. Was auch immer er da, mit Hilfe einer Suppenkelle, aus dem Topf in den Teller schöpfte, es sah gruselig aus. Irgendwelches braunes Wasser in der ein paar dicke, graue Stücke lagen, wie Steine in einer Pfütze. Selbst wenn sie tierischen Hunger gehabt hätte so hätte sie doch DAS niemals runter bekommen. Sie sah dem Essen zu wie es langsam vor sich hin dampfte. Nicht viel, es war bestimmt nicht frisch gekocht. "Noch nicht mal frisch ausgekotzt!" sagte sie sich in Gedanken. Bei dieser Vorstellung wurde ihr nur noch übler.
Ohne was zu sagen verließ der Mann den Raum. Sie hörte den Schritten auf dem Boden zu wie sie immer weiter fort gingen und plötzlich aufhörten. Dann das laute plärren eines Fernsehers. Sofort erkannte und ergriff sie natürlich die Chance abzuhauen. Er hatte sie nicht gefesselt oder ähnliches. Ganz leise stand sie auf und versuchte zu der Tür zu schleichen die es im hinteren Teil der Küche gab. Alleine der Weg zur Tür war ein schwieriges Unterfangen, weil jede Diele unter ihren Füßen heftig anfing zu knirschen und zu quietschen. Sogleich versuchte sie die Tür zu öffnen, doch wie gewohnt war sie verschlossen. Aber etwas war anders an dieser Tür. Als sie an der Klinke zog merkte sie wie das Holz deutlich nachgab. Anscheinend war die Tür in genau der schlechten Verfassung wie sie aussah. Lia zog noch mal dran, diesmal ein wenig kräftiger. Ein beharrliches knacken ging von der Tür aus. Kurz stoppte sie um zu hören ob das Geräusch bis ins Wohnzimmer drang, doch von dem Mann war keine Spur. "Jetzt oder nie!", sagte sie leise zu sich. Sie hängte sich mit beiden Händen an die Türklinke und stützte noch ein Bein am Rahmen ab. Und dann zog sie mit all ihrer Kraft an der Tür. Sie konnte das Holz am Rahmen Splittern sehen doch es reichte nicht aus um die Tür aufzubrechen.
"Du musst deine Mahlzeiten immer brav aufessen, damit du so groß und stark wirst wie ich." Wie aus dem nichts stand er hinter ihr und erschreckte sie mit diesen Worten fast zu Tode. Nun geriet sie zwar in Panik, aber nicht so das sie starr vor Angst wurde, sondern das es ihr einen zusätzlichen Stärkeschub verlieh. Noch einmal zog sie heftig an der Tür und noch mal und noch mal. Die Tür verzog sich unter ihrem Kraftakt doch sie sprang einfach nicht auf. Als wäre Lia nur ein Stück Papier griff er sie und zog sie zum Tisch hin. Beim vorbeigehen an der Spüle griff er sich eine Bratengabel daraus und hielt sie ihr an den Hals. Als sie das blanke Metall an ihrem Hals spürte war sie ganz still und versuchte sich nicht mehr so stark zu bewegen. Am Tisch angekommen drückte er sie mit ihrer ganze Vorderseite auf den Tisch und fixierte, mit nur einer Hand, ihren Kopf so das sie mit Müh und Not nur noch ihre Arme bewegen konnte.
Mit einem mal rammte er die Gabel in einen der grauen "Steine" von ihrem Teller und hielt ihr den vor den Mund. Mit aller Machte presste sie ihre Zähne aufeinander damit sie das nicht essen musste. Doch der Druck seines Körpers der sie an den Tisch presste und der Hand die ihren Kopf festhielt wurde so stark das sie nur noch voll Schmerzen aufschreien wollte. Hektisch suchte sie mit den Armen etwas zum wehren, doch konnte sie mit den Fingern gerade mal den Rand des Tellers berühren. Heftig klatschte sie mit der ganzen Hand auf diesen und die ganze braune Soße ergoss sich über sie und ihren Entführer. Der Druck ließ nach und er wurde wie Stein. Vor diesem Zustand dieses Mannes fürchtete sie sich am meisten, denn es war nicht abzusehen was passieren würde. Wäre er wütend geworden hätte er sie sicher grün und blau geprügelt und seiner Wut freien lauf gelassen, doch so.
Man konnte nicht erkennen was in ihm vorging. Schweigend griff er sie am Handgelenk und zog sie wie einen nassen Sack hinter sich her. All ihre Schreie und ihre Versuche sich irgendwo festzuklammern schien er gar nicht mitzubekommen. So starr wie ein Roboter ging er einfach nur immer weiter voran, hinauf zum Dachboden. An der Tür angekommen warf er sie in den Raum und schob sie mit seinem Fuß soweit rein das er die Tür schließen konnte.
Noch ein Weilchen lag sie dort und versuchte sich von den Schmerzen zu erholen. Jede Stufe hatte sich ihr einzeln in den Körper gerammte. Dort liegend konnte sie die schweren Schritte des Mannes hören die die Treppe hinunter stapften, dann das knallen einer Tür und dann Stille. Sie hoffte wirklich das er gegangen war und für eine ganze Zeit wegbleiben würde. Mühsam ächzend stand sie auf und schleppte sich zum Fenster. Aber sie sah niemanden herauskommen. Sie horchte, aber die Stille blieb. "Aber wenn er weggefahren wäre hätte ich doch sicher das Auto gehört.", dachte sie sich. Sie hob ihr Bein um sich auf ein paar Kisten die am Fenster standen, lang zu machen, da drückte sie etwas ins Bein. Sie griff in ihre Hose und zog das polierte Medaillon raus. "Ach ja, das hatte ich ja ganz vergessen." sagte sie zu sich. Sie öffnete es und sah sich noch mal aufmerksam die Fotos an.
Lia starrte die Braut lange an und wusste dann nicht mehr ob sie ihr bekannt vor kam weil sie die Person jetzt schon so lange anstarrte oder ob sie die Braut vielleicht wirklich früher schon mal gesehen hat. Mit ihren Daumen versuchte sie alles rund um das Gesicht abzudecken. Plötzlich fiel es Lia wie Schuppen von den Augen. "Das kann doch nicht wahr sein!" Sie hatte die Braut nicht gleich erkannt weil sie sie noch nie so herzlich lachen gesehen hatte. Es war eindeutig ihre Mutter. Auf dem Bild war sie so unglaublich jung, sie musste in Lias Alter gewesen sein.
Und das daneben war also ihr Vater? Lia hatte mit ihrer Mutter nie wirklich über ihren Vater gesprochen. Einerseits weil ihre Mutter immer sehr traurig wurde wenn dieses Thema angeschnitten wurde. Andererseits weil Lia ihr sehr vertraute und meinte wenn es etwas Wichtiges zu wissen gäbe würde ihre Mutter ihr das schon erzählen. "Aber könnte es sein das …?" Bevor Lia den Gedanken zu Ende denken konnte wurde die Tür schon wieder aufgeschmissen.
Er stand dort in der Tür mit einem Seil in der Hand. Er hatte neue Kleidung an und auch seine Haare waren noch feucht. Anscheinend war er nicht gegangen sondern hatte sich erst mal sauber gemacht. Seine Mine war immer noch steinern und er sprach kein Wort als er einen bedrohlichen Schritt nach dem anderen auf sie zu machte. Sie hatte keine Ahnung was sie jetzt tun sollte.
Er griff sie am Oberarm und zog sie mit sich. Durch das Ruckartige ziehen verlor sie das Medaillon aus ihrer Hand und es fiel runter, aber er schien es nicht bemerkt zu haben. Weiter ging es die Treppe hinunter und durch die Küche. Diesmal stand die Tür sperrangelweit offen. Er zerrte sie nach draußen.
Das grelle Licht blendete so sehr das sie für einen Moment die Orientierung verlor. Da lag sie auch schon auf dem Rücken und er streckte ihre Arme aus und band sie fest.
"Aaaaaaauu" schrie sie auf, denn er band sie so fest das die Fasern sich schon in die Haut drückten. Doch er band einfach weiter ohne sich daran zu stören das sie hier draußen so einen Lärm machte. Bei dieser Reaktion überlegte Lia wie weit wohl das nächste Haus entfernt sein musste das er so ruhig blieb. Als sie nach oben schaute sah sie das sie an eine alte, eiserne Pumpe gebunden war.
Als er merkte das sie sich für die Geschehnisse zu interessieren begann fing er an zu reden. "Du hast dich ganz schön dreckig gemacht. Du bist ein Suppenkasper, aber keine Angst, ich werde dir dabei helfen anständig essen zu lernen. Dann wirst du dich nicht mehr so dreckig machen. Ich werde dir noch so vieles beibringen das du ein großes Mädchen wirst. Du brauchst bei mir keine Angst haben, ich werde immer gut auf dich aufpassen und dich beschützen." Er legte ihr seine Hand auf die Wange und fing an zu grinsen. Sie zog ihr Gesicht weg und versuchte zur Seite zu robben. Aber sie konnte noch nicht mal ein Stück nach links oder nach rechts rücken, weil ihre Hände einfach viel zu fest an diese Wasserpumpe gebunden waren.
Diese Aktion riss ihn wieder aus seinen Gedanken und er stand auf und fing an zu pumpen. "Aber erst mal werden wir den kleinen Schmierfink wieder sauber machen. Ja, sauber und rein." Bei diesen Worten schoss das Wasser heraus. Sie schrie auf als es sich über sie ergoss. Es war so kalt das es auf ihrer Haut brannte. Sie schrie immer weiter und fing vor Schmerzen an zu weinen. Doch das Wasser spülte die Tränen einfach weg, als wären sie nie in ihrem Gesicht gewesen. Ihn schien es wie immer nicht zu beeindrucken und pumpte immer weiter. Als er dann endlich aufhörte war sie viel zu sehr mit durchatmen beschäftigt als das sie bemerkte hätte das er schon wieder im Haus war und mit einem Schwamm nach draußen kam.
Er setzte sich auf ihre Beine und teilweise das Becken so das sie nun vollkommen bewegungsunfähig war. Langsam und ohne einen Ton wischte er ihr zuerst über den einen Arm, dann über den anderen. Dann öffnete er die obersten Knöpfe ihrer Bluse. Sie wurde sehr nervös und fing wieder an unruhig zu atmen, doch sie traute sich nicht sich zu wehren. Er wischte ganz ruhig und zärtlich ihre Brust sauber. Anschließend ging er zu ihrer Beruhigung weiter hoch und wusch ihr ganzes Gesicht. Sein Blick bohrte sich tief in ihrer Augen, er konnte den Blick nicht von ihr abwenden. Er streckte die Hand aus und strich eine nasse Strähne aus ihrem Gesicht.
Total weggetreten sprach er "Du bist wirklich schön." Wieder strich er ihr über die Wange. "Du bist ein wirklich wunderschönes Mädchen." Sie bekam Angst. Was ging gerade in ihm vor? Was hatte er jetzt mit ihr vor?
Langsam strich er ihr an der Seite entlang hoch zu ihrem Busen und spielte vorsichtig mit ihm. Nun verstand sie und entsetzten macht sich in ihr breit, gefolgt von blanker Panik. Sie fing an zu zappeln und sich zu winden, doch es hatte keinen Sinn. Das Seil war so festgebunden das kaum mehr Blut in ihre Hände kam und der Mann der auf dem Mittelpunkt ihres Körpers saß hatte jenen unter völliger Kontrolle. Es gab kein Entkommen aus dieser Lage.
Sie schrie immer wieder "Nein, bitte nicht! Lass mich in ruhe!" Doch wie immer störte er sich nicht an ihren Schreien. "Schhh. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde dir nicht weh tun." antwortete er dieses mal, während er sacht ihren Hals hinunter küsste. Gerade bei diesen Worten kam ihr eine Idee. Sie konnte es nicht fassen auch nur darüber nachzudenken diese Worte in den Mund zu nehmen, aber anscheinend war es ihre letzte Chance bevor er sich an ihr verging.
"Bitte nicht … Papa" er stockte. Sie sprach weiter, diesmal in einem etwas kindlicherem Ton "Warum tust du mir das an Papa. Warum will mein Papi mir weh tun?" Er gefror zu einer Statue und starrte ins Leere. Wieder war nicht zu erkennen was ihn ihm vorging oder was das für Konsequenzen haben würde. Sie war einzig und allein froh darüber das er aufhörte. Selbst wenn er sie jetzt grün und blau prügeln würde war ihr das immer noch lieber.
Doch gar nichts passierte. Mit seinem immer noch abwesend starrendem Blick stand er auf und ging ins Haus. Er schloss die Tür hinter sich und dann konnte man nur noch den Lärm des Fernsehers vernehmen.
Aber was sollte sie jetzt tun. Sie würde auf keinen Fall zu ihm rufen das er etwas draußen vergessen habe. Zu glücklich war sie das er endlich weg war. Doch sie musste irgendwas tun. Langsam wurde es dunkel und sie lag hier draußen, halb nackt und nass. Es war Sommeranfang, das heißt das die Tage durchaus heiß werden konnten, die Abende aber noch sehr kühl waren. Als die Sonne dann endgültig weg war fing sie an zu frieren.
Sie schlotterte heftigst und versuchte sich so gut sie konnte zusammen zu kauern. Aber ihre Hände waren von dem nassen Seil und dem Versuch sich unter ihm weg zu winden total aufgescheuert und schmerzten unsäglich. Also blieb ihr nichts anderes übrig als auf dem Rücken liegend zu versuchen zu schlafen und den Tag schnell hinter sich zu bringen. Die Kälte war fast unerträglich, wären da nicht die aufgescheuerten Hände gewesen. Der Schmerz lenkte sie vom frieren ab. Immer wieder fiel sie in kurzen Schlaf doch kam nie richtig zum einschlafen. Und nach einer sehr quälenden und unendlich lang erscheinenden Nacht sah sie die Sonne aufgehen.
Die Sonne ging auf. Ein neuer Tag brach an und sie lebte noch und war weitestgehend unversehrt. Sie musste lächeln, dann schloss sie die Augen und schlief ein.