Steve war froh das das Essen beinah im selben Moment serviert wurde und er sich hinter seinem Teller verstecken konnte. Was hatte Bucky im letzten halben Jahr getrieben und warum hatte ihn niemand gesehen? Hatte er ihn am Nachmittag wirklich getroffen oder hatte er sich das bloß eingebildet? Er war weder zu Michelle gefahren um die Sachen für Oma Marry abzuholen noch zu Freds Pharmacy um sich mit Schlaftabletten für die Nacht einzudecken.
Jessica schien zu merken das ihm das Thema unangenehm war und versuchte die Gespräche von der Myrtles Lane und der Myrtles Plantage fern zu halten, Steve versuchte hin und wieder zu nicken um eine gewisse Teilnahme vorzutäuschen.
Plötzlich merkte er wie der Tisch erneut verstummte, alle schienen einen Punkt neben ihm zu fixieren. "Darf ich mich zu euch setzen?", hinter ihm stand Bucky, er sah besser aus als am Nachmittag, hatte frische Sachen an und wirkte frischer. Steve sprang auf und holte einen Sessel, auf dem er Bucky platzierte. Ihm schien die Situation unangenehm zu sein, alle schienen ihn an zu starren. "Wo hast du dich das letzte halbe Jahr verkrochen?", fragte Jessica spitz, sie konnte ihre Abneigung gegen diesen Menschen kaum verbergen. Bucky fuhr sich verlegen durch die Haare: "Ich hatte viel zu tun!" Steve schob ihm seinen Teller hinüber: "Iss erst einmal was Buck, fragen kannst du später beantworten!" Jessica verstand den Wink, allerdings hatte er nicht mit Sebastian gerechnet. Dieser lehnte sich zurück und verschränkte die Arme: "Damien Barnes, schön dich einmal live zu sehen, wie man hört wohnst du in St. Francisvilles Spuckhaus?" Bucky zuckte zusammen, er hustete, Steve reichte ihm sein Glas Wasser und funkelte Sebastian finster an.
"Das sind doch nur Kindergeschichten, niemand glaubt an sowas, man erzählt das um den Tourismus anzukurbeln, was hat den St. Francisville sonst zu bieten?", wer auch immer der Junge neben Sebastian war, nun war Steve ihm für diese Aussage dankbar. Er stand auf und legte 100 Dollar auf den Tisch: "Fühlt euch eingeladen, ich muss noch etwas besorgen, Bucky würdest du mich begleiten?" Dankbar erhob sein bester Freund sich und folgte ihm hinaus.
"Es tut mir Leid, wenn ich gewusst hätte das du mit Freunden hier bist wäre ich nicht gekommen!", Bucky starrte auf dem Boden als die beiden zu Steves Wagen gingen. "Diese Leute!", Steve drehte sich noch einmal zum Restaurant um "sind nicht meine Freunde Buck, und ich habe dich eingeladen und bin fast schon dankbar das du nach deinem Verschwinden heute die Güte hattest zu kommen!" Bucky zuckte zusammen: "Steve, die Situation heute Nachmittag war mir unglaublich peinlich, ich muss ausgesehen haben wie ein Obdachloser auf Chrystal Meth, ich wollte mich umziehen vor dem Essen!" Steve bereute sofort ihn so scharf angeredet zu haben, konnte aber seine Wut gerade nicht kontrollieren.
"Und der Brief?" er blieb stehen "kannst du mir erklären warum alles was ich im letzen halben Jahr von dir gehört habe ein Brief war?" Bucky blieb nun auch stehen, sagte aber kein Wort. Steve musste an die Situation damals auf dem Sofa denken, als Bucky ihm sagte das er nun gehen müsse. Steve hatte ihn gefragt warum, seine Antwort war gewesen weil er ihn sonst küssen würde. Steve war darauf hin aufgestanden und hatte seine Zimmertüre abgesperrt, er hatte genau das gewollt. Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht ob er vielleicht schwul sein könnte, er fühlte sich auch nicht zu Bucky hin gezogen weil er ein Mann war, sondern weil er eben einfach Bucky war. Steve packte Bucky am Arm und schleifte ihm zum Auto, er merkte wie dieser vor Schmerzen sein Gesicht verzog. Hatte er ihn so fest gepackt? Steve lockerte seinen Griff, Bucky befreite seinen Arm daraus. Steve starrte ihn eingehend an, Bucky wich seinen Blicken nach wie vor aus. Dieser mittlerweile 18 jährige Junge trieb ihn in den Wahnsinn, Steve versuchte seine Gedanken zu kontrollieren, konnte es etwa sein das Bucky...?
Er musste sicher gehen, also packte Steve Bucky am Handgelenk und riss seinen Ärmel hoch. Was er auf dem Arm sah wirkte auf dem ersten Blick wie tiefe Kratzer eines wilden Tieres, sie verliefen von seiner Schulter über den ganzen Oberarm und schienen frisch zu sein. Es hatte sich noch keine Kruste gebildet, sie waren Notdürftig mit Pflastern zusammen gehalten. "Buck was hast du getan?", entfuhr es ihm. Bucky riss seinen Arm weg: "Nichts Steve, ich war das nicht!" Steve wusste das es immer mehr Jugendliche gab die sich selbst verletzten, aber nie hätte er es Bucky zu getraut. Und das er es leugnete machte ihn noch wütender. "Steig ein!", befahl er ihm "und denk gar nicht daran wieder ab zu hauen!"
Die Fahrt zu Steves Haus verbrachten die beiden schweigend, Steves Wut war verflogen, absolut überrannt von der Sorge um seinen besten Freund. Zum zweiten mal an diesem Tag parkte er mit Bucky vor seinem Haus und schleifte diesen in die Küche.
"Das Haus!", begann Bucky schließlich als Steve ihn auf das Sofa gesetzt hatte um sich die Wunden genauer anzusehen "Steve dieses Haus ist nicht normal, am Myrtles Anwesen geht irgendetwas vor! Ich kann nicht mehr schlafen seit wir dort wohnen und mein Vater, er ist durchgedreht! Er wollte ausziehen, aber dazu kam es nicht mehr! Er ist nicht nach Jackson abgehauen, er liegt im West Feliciana Parish Hospital auf der Intensivstation. Meine Mutter will es geheim halten aber jemand hat ihm sein Gesicht zerschnitten und ihm den Namen "Chloe" in die Brust geritzt!" Steve sprühte noch ein bisschen Desinfektionsmittel auf die Wunden bevor er sie verband: "Und du denkst das er es nicht selbst getan hat?" Bucky schüttelte den Kopf: "Niemals, und warum Chloe? Meine Mutter meinte das es sicher jemand war der damit den Tourismus Rund um die alte Gruselgeschichte wieder aufleben lassen möchte, darum hält sie es auch geheim!" Steve dachte an die Geschichte um das Myrtles Anwesen. Chloe - das war der Name der dort auf der früheren Plantage lebenden Sklavin gewesen, die laut der Legende die Tochter und Ehefrau des Besitzers vergiftet hatte um ihren Geliebten für sich alleine zu haben. Aus Angst vor dem Zorn ihres Herren hatten die anderen Sklaven sie an der großen Trauerweide auf dem Grundstück gehängt. Allerdings sind diese Morde und auch die Existenz von Chloe selbst nie bewiesen worden. Die Geister des ermordeten Kindes und der Ehefrau wurden angeblich auf der Veranda gesehen Chloes Geist soll durch das Gebäude streifen und auf Rache aus sein. Steve kannte auch die anderen Geschichten, der Herr des Hauses soll aus Wut und Trauer über den Verlust von Frau, Kind und der Geliebten alle Sklaven an der Trauerweide gehängt und sich selbst danach mit seinem Gewehr hingerichtet haben. Aber Geschichte blieb Geschichte, reine Fiktion, eine Spukgeschichte über ein altes leer stehendes Gebäude.
"Du und deine Gedankenwelt!", Buckys Stimme holte ihn zurück auf das Sofa, er hatte sich gesetzt ohne es zu merken und hielt Buckys Hand. "Ja ich muss abgedriftet sein, tut mir Leid! Ich mache mir sorgen das dir etwas passiert wenn ein Irrer in eurem Haus ist!", Steve dachte über diese Möglichkeit nach, ein Verrückter der den alten Geschichten wieder neues Leben einhauchen wollte, gefährlich genug um Mr. Barnes auf die Intensivstation zu bringen. Steve stand auf: "Was genau ist mit deinem Arm passiert? Erzähl es mir!" Bucky stand auch auf: "Ich weiß es nicht, ich war betrunken und bin im Nebengebäude herum spaziert, du weißt schon, wo man früher die Sklaven untergebracht hat! Ab da weiß ich nichts mehr, ich bin aufgewacht und zurück ins Haus, darum war ich auch so spät erst im Que Pasa!" Steve schüttelte den Kopf: "Und du klebst deinen in fetzen hängenden Arm mit Pflastern zusammen und spazierst zum Mexikaner anstatt ins Krankenhaus zu fahren? Was wenn es sich entzündet?" Bucky blickte verlegen zur Seite: "Ich wollte dich sehen Steve!" Steve konnte ihm nicht böse sein, Bucky wirkte wirklich aufrichtig und schien ihm die Wahrheit zu sagen, außerdem hatte er das Gefühl das etwas merkwürdiges in dieser Straße haftete, desto näher er dem Myrtles Anwesen gekommen war desto stärker wurde dieses Unbehagen.
Steve schob diese Gedanken bei Seite, er stand mit Bucky in seinem Wohnzimmer, sie standen vor einander. Er hatte eine solche Wut auf seinen besten Freund gehabt, ihn aber mehr vermisst als alles andere in dieser Stadt. Steve schloss Bucky in die Arme, im Schutz des Hauses lies Bucky es diesmal auf zu und erwiderte die Umarmung.
Plötzlich klingelte es an der Tür, Steve lies Bucky los und blickte auf die Uhr: "Wer läutet den um kurz vor Mitternacht noch?" Bucky wirkte auf einmal wieder verunsichert, fast schon panisch und kauerte sich auf das Sofa. Steve ging an die Türe und blickte interessiert auf Detektiv Cassidy, der mit zwei Streifenpolizisten auf der Veranda stand. "Mr. Cassidy, schön Sie zu sehen, kann ich Ihnen helfen?", Steve lehnte sich in den Türstock sodass sie Bucky im Wohnzimmer nicht sehen konnten. Detektiv Cassidy musterte ihn kritisch: "Steve, ich wünschte ich könnte dich unter anderen Umständen wieder in der Stadt willkommen heißen!" Steve blickte auf die beiden Streifenpolizisten und fragte sich warum man drei Personen zu ihm schickte. "Steve wir haben den Hinweis erhalten das sich Damien Barnes bei dir aufhält, wir müssen dringend mit ihm sprechen!", Cassidy sah ihn eindringlich an. Steve versuchte nicht nervös zu werden, er wusste nicht warum die Polizei mit Bucky sprechen wollen könnte. Er wusste nicht wie er reagieren sollte, leugnen das der Gesuchte in seinem Wohnzimmer saß oder Cassidy aufhalten damit er sich einen Beschluss für eine Hausdurchsuchung holen musste? Buckys Hand auf seiner Schulter unterbrach seine Gedanken, er trat neben Steve und starrte auf die Polizisten: "Was kann ich für Sie tun Mr. Cassidy?" Cassidy nickte den beiden Beamten zu die sich darauf hin langsam näherten: "Damien Barnes, sie müssen uns begleiten, Sie werden verdächtigt Ihre Mutter, Emily Barnes heute Nachmittag getötet zu haben!" Im selben Moment zogen die beiden Streifenpolizisten Buckys Arme nach hinten und legten ihm Handschellen an. "Nein, das kann nicht sein!", Steve wollte eingreifen aber Cassidy hielt ihn zurück während Bucky von den anderen in das vor dem Haus parkende Polizeiauto geschleift wurde. Steve versuchte sich aus Cassidys Griff zu befreien, dieser versuchte ihn zu beruhigen. "Bucky ich hole dich da wieder raus!", rief Steve ihm nach, sein Puls erhöhte sich, er atmete tief ein und hatte das Gefühl die eingeatmete Luft nicht mehr ausatmen zu können. "Steve, geht es dir gut?", Cassidy gab via Funk durch das dringend ein Rettungswagen zur 5785 Cypress Street kommen sollte. Steve bekam keine Luft mehr, er hatte das Gefühl zu ersticken.