Immer noch den Bogen in der Hand haltend starrte ich zu der offenen Tür in der – lässig an den Türrahmen gelehnt – Taylor stand. Sein Blick war gelangweilt auf mich und Remus gehaftet, doch ich sah wie es in ihm brodelte. Er kochte förmlich während seine Augen immer wieder von Remus zu mir und dann wieder zurück zu Remus wanderten. Ich räusperte mich. „Wie kommst du hier her?“
Taylor zog erstaunt eine Augenbraue hoch. „Ist das alles was dich interessiert. wie ich hierhergekommen bin? Ich bin wirklich erstaunt“
„Was soll das Taylor?“
Taylor stieß sich schnaubend von dem Türrahmen weg und trat auf uns zu. „Was das soll?“ Seine Worte triefen vor Abscheu. „Zuerst bringst du einen Rebellen in die Akademie und jetzt hängst du mit Assassinen im Palast von Luzifer ab“
„Was heißt hier, ich hätte Rebellen in die Akademie gebracht? Das habe ich doch gar nicht“ verteidigte ich mich, dann viel es wie Schuppen von meinen Augen. „Samuel und Ryder“ keuchte ich.
Taylor nickte. „Du hast es erfasst“ knurrte er. „Allerdings dachte ich du wärst intelligenter. Zumindest hielt ich dich für Intelligenter“
„Taylor, las mich dir das erklären. Es ist nicht so wie es aussieht“
Er lachte. „Also habe ich dich nicht gerade beim kuscheln mit einem Assassinen erwischt?“
„Wenn du vielleicht mal deine vorlaute Klappe halten würdest würde sie es dir erklären“ mischte sich nun Remus in unser Gespräch ein. Seine Augen glühten und ich sah wie seine Oberarmmuskeln sich unter seinem Mantel anspannten. Es sah aus wie eine Katze, die sich zum Sprung bereit machte.
Ich legte ihm beschwichtigend meine Hand auf die Schulter. Augenblicklich entspannte er sich unter meiner Berührung. Ich atmete beruhigt aus.
„Ich lasse mir nichts von einem Staubfressenden Assassinen sagen“ fauchte Taylor wütend. In Sekunden schnelle war es im Raum still und etwa hundert Pfeilspitzen und Schwerter auf Taylor gerichtet. Schnell trat ich vor Taylor und schirmte ihn mit meinem Körper ab. Als ich sah wie die Waffen wieder gesenkt wurden, drehte ich mich zu ihm. Seine Augen waren trotzig auf mich gerichtet.
„Ich wäre auch ohne dir mit ihnen fertig geworden“
„Ein Dank wäre an dieser Stelle angebracht“ ertönte hinter mir Remus Stimme.
„Warum sollte ich?“
„Weil man der Prinzessin der Unterwelt seinen Respekt zollt“ meldete sich nun Narvik zu Wort. Seine blauen Augen waren wütend auf den Jungen gerichtet.
Taylor sah mich verwirrt an. „Prinzessin? Der Unterwelt? Das soll wohl ein Witz sein“
Ich machte keine Anstalten mich zu erklären. Es klang ja selbst in meinen Ohren immer noch seltsam. Doch Taylor verstand mein Schweigen. Seine Augen wurden groß. „Das hieße ja, Luzifer wäre… dein Vater“ er begann zu lachen, was ihm wütende Blicke der Assassinen einbrachte.
„Komm mit“ knurrte ich und zog ihm am Arm in den Korridor. Remus machte bereits Anstalten doch ich winkte ab. „Ich werde mit ihm alleine fertig“ Remus nickte bloß doch ich wusste instinktiv das er meine Gedanken abhorchen wird. Für den Fall.
Als wir aus dem Raum und aus der Schusslinie der Assassinen waren, schubste ich ihn an die Wand. „Sag mal, spinnst du?“ fauchte ich aufgebracht. „Du kannst doch nicht in einem Raum voll Assassinen so ein Theater aufführen nur weil du etwas in den Falschen Hals bekommen hast“
„Wer von uns hat sich einen Assassinen an den Hals geworfen?“
„Du spinnst doch. Ich habe mich bei Remus nur bedankt“
„Ein Einfaches ‚Danke‘ reichte da nicht?“ schnaubte er missfällig.
Verärgert schüttelte ich den Kopf. „Was willst du von mir hören, Taylor? Ja ich habe ihn umarmt, aber mehr war da nicht. Kannst du mir das nicht einfach glauben?“
Einen Moment herrschte Stille im Gang. Taylor betrachtete mich argwöhnisch.
„Also ist es wahr“
Ich seufzte. „Wenn du damit meinst das Luzifer mein Vater ist, dann ja“
Mit großen Augen sah Taylor mich an. „Du… du bist Luzifers Tochter? Aber ich dachte die wäre bei der Geburt gestorben?“ Er schüttelte nachdenklich den Kopf. „Das bedeutet… Was bedeutet das? Warum warst du dann in Skyland die ganzen Jahre und nicht in der Unterwelt?“
Ich atmete genervt aus und begann Taylor kurz und bündig die ganze Geschichte zu erzählen. Als ich endete betrachtete er nachdenklich den Fliesenboden unter unseren Füßen. Immer wieder schüttelte er ungläubig den Kopf.
„Ich kann es nicht fassen“ murmelte er schließlich.
„Mir ging es genauso“ pflichtete ich ihm bei und lehnte mich an die Wand. „Ich kann es, wenn ich ehrlich bin immer noch nicht fassen“
Taylor hob seinen Blick und sah mich an. „Was wirst du jetzt tun?“
„Ich werde dieses verdammte Schwert suchen“ antwortete ich. „Und dann hoffe ich das es uns helfen wird“ fügte ich nachdenklich hinzu.
Er nickte. „Dann komme ich mit“
Erschrocken fuhr ich herum. „Nein, Taylor das geht nicht. Das ist viel zu gefährlich“
Er zog spöttisch eine Augenbraue hoch. „Sagt wer? Dein hübscher Gardist?“ Er gab einen spöttischen Laut von sich. Ich spürte wie ich rot werde. Taylor kniff seine Augen zusammen. „Ich werde mitkommen. Und wenn es das letzte ist was ich tue“
Er drehte sich um und ging den Korridor entlang ohne mir einen weiteren Blick zu würdigen und ich blieb mit klopfendem Herzen zurück.
„Alles in Ordnung?“ ertönte plötzlich eine Stimme neben mir. Erschrocken führ ich herum. Ich starrte in dunkelbraune fasst schwarze Augen die mich besorgt betrachten. Es waren dieselben Augen wie die von Remus, doch als ich das Gesicht betrachtete war es jünger. Er trug einen Dreitagebart und hatte ein runderes Gesicht als Remus. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken“ entschuldigte sich der junge Mann und kratzte sich unsicher am Hinterkopf. „Remus schickt mich um nach dir zu sehen. Ich bin Ramon, sein kleiner Bruder“
„Freut mich Ramon“ Ich schenkte ihm ein zaghaftes lächeln. „Sag Remus das es mir gut geht“
Ramon betrachtete mich eine Weile dann lehnte er sich neben mich an die Wand. „Weißt du das Remus eine Gabe hat?“
„Du meinst das mit den Gedanken lesen?“
Ein Lachen ertönte neben mir. „Das ist nicht seine einzige Gabe. Außerdem kann er sie nur lesen, wenn er in deine Augen sieht“ Danke für deinen Tipp, dachte ich innerlich.
„Gern geschehen“ sagte Ramon neben mir so dass ich erschrocken herumfuhr. Er lachte. „Ich dagegen kann Gedanken lesen ohne jemanden in die Augen zu schauen“
„Du… du hättest mich vorwarnen können“
Auf seinem Gesicht erschien ein schelmisches lächeln. „Dann ist es aber nicht mehr lustig“
Ich warf ihm einen gespielt verärgerten Blick zu.
„Nun was ist das dann für eine Gabe?“ Und wie kann ich sie umgehen, fügte ich in Gedanken hinzu.
Er seufzte. „Ich befürchte gar nicht, oder zumindest habe ich bisher noch keine Möglichkeit gefunden sie zu umgehen“
Mir wurde heiß und kalt im selben Moment. Was für eine Gabe könnte das sein?
„Man nennt Menschen mit dieser Gabe Empathen. Sie spüren Gefühle und Empfindungen von allen Menschen in ihrer Nähe, können sie lesen und manipulieren“ erklärte Ramon. Ich spürte seine Blicke auf mir. Wieder lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Wieder spürte ich ein kurzes Zögern von ihm dann legte er seinen Arm um meine Schulter. „Ich weiß das dich das schockiert aber du brauchst dich vor uns nicht zu fürchten“ flüsterte er mir beruhigend ins Ohr. Sogleich verlangsamte sich mein Herzschlag und ich entspannte mich. Eine böse Vorahnung machte sich in mir breit.
„Ramon? Hast du die selbe Gabe?“ Ich wandte mein Gesicht zu ihm. Sein Gesicht war meinem so nahe das ich die langen dunklen Wimpern zählen konnte, die seine warmen Augen umrandeten und um die ihn sicherlich jede Frau beneidet.
Er schenkte mir ein vorsichtiges Lächeln. „Das hast du wohl gerade erraten, ja? Nun auf einer Art und weiße hängen diese Gaben zusammen. Bei mir ist das mit der Empathie allerdings nicht so ausgeprägt wie bei Remus. Dafür ist das Gedankenlesen ausgeprägter“
Für einen langen Moment blieben wir so stehen, angelehnt an die kalte Wand, sein Arm um meine Schulter gelegt. Ich fühlte mich seltsam geborgen bei ihm. Ob das an seiner Gabe lag interessierte mich in dem Moment nicht. „Eure Gaben sind wenigstens nützlich“ stellte ich fest. Ich wandte mich wieder zu ihm. „Ich kann nur Portale öffnen“
„Warum ‚nur‘?“ murmelte er. Ich dachte einen kurzen Moment über meine Antwort nach doch als ich meinen Mund öffnete fuhr er schon fort. „Du hast deine Gabe erst entdeckt. Bis du weißt was du alles kannst dauert es seine Zeit. Du musst sie öfter Benutzen. Je öfter desto stärker wirst du“
Ich kam nicht mehr dazu ihm zu antworten. Lärm der vom anderen Ende des Flurs zu uns Drang erweckte unsere Aufmerksamkeit. Die Tür neben uns Sprang auf und Remus brauner wilder Haarschopf erschien neben uns. „Was geht da vor?“
Wir zuckten die Schultern. Remus zog sein Schwert aus der Scheide und ging gefolgt von einigen seiner Männer auf den Lärm zu. Ramon zog neben mir ebenfalls sein Schwert und wandte sich dann zu mir. „Du bleibst hier“ befahl er bevor er hinter den Männern nacheilte.
Unschlüssig stand ich an der Tür. Sollte ich ihm gehorchen. Ich schüttelte den Kopf als ich hörte wie der Lärm anschwoll. Ich trat in das Zimmer, schnappte mir die Sachen die Remus für mich zusammengesucht hatte und eilte aus dem Zimmer. Hinter mir hörte ich eine Stimme meinen Namen rufen doch ich war mit den Gedanken am Ende des Flurs. Je näher ich dem Kampf kam desto besser konnte ich die Geräusche einordnen. Klingen klirrten. Holz zersplitterte. Körper fielen dumpf auf den gefliesten Boden. Rufe hallten durch den Flur.
Mein Herzschlag dröhnte in meinen Ohren. Mein Atem ging schneller. Das Schwert lag schwer in meiner rechten Hand. Als ich um eine Kurve bog stand mir plötzlich ein Mann in einem olivgrünen Mantel gegenüber. Er hatte sein Gesicht hinter einer Maske versteckt. Ich verstand sofort was es war. Ein Rebell. Er hob sein Schwert und wollte mich angreifen, doch ich war schneller. Auch wenn Schwertkampf nie meine beste Disziplin war, hatte ich gegen diesen breitschultrigen Mann einen Vorteil: Ich war flink und beweglich. Ich wich dem Hieb geschickt aus und rahmte ihm die Klinge in die Kniekehlen während ich mich drehte. Der Mann ging schreiend vor schmerz zu Boden. Hinter mir tauchte Ein schwarzer Mantel auf. Es war Orion, der dem Rebell noch mit seinem Dolch in einer flinken Handbewegung den Hals aufschnitt.
„Du weißt das du nicht hier sein sollst?“ stellte er fest doch da kamen schon die nächsten zwei um die Ecke gerannt. Seufzend eilte er zu mir und so kämpften wir Seite an Seite. So erledigten wir einen nach dem anderen bis wir zu den anderen stießen. Doch da war der Kampf schon zu ende. Verdreckt und verschwitzt ließen wir die Schwerter sinken. Verschmitzt lächelnd wandte sich Orion zu mir bevor wir näher zu den anderen traten und legte mir einen Arm auf die Schulter.
„Remus wird mir jetzt gleich den Kopf abhacken, weil ich dich nicht aufhalten konnte. Aber eines solltest du noch wissen: Mit niemanden würde ich lieber in einer Schlacht kämpfen, Mädchen“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zu der Gruppe von Assassinen, die weiterweg standen. Stolz erfüllte mich. Er hatte mich eine gute Kämpferin genannt! Ich atmete tief ein als ich Remus und Ramons braune Haarschöpfe entdeckte. Sie knieten auf dem Boden. Remus Gesicht war sorgenvoll. Vor ihnen lag etwas. Ich trat näher da erkannte ich das es sich um einen Körper handelte, neben dem ich eine blasse schlanke Hand erkannte. Der Körper sah in meinen Augen grotesk aus wie er da lag, ausgebreitet auf den Fliesen. Remus Hände waren blutverschmiert. Überall war Blut. Ramon drehte sich plötzlich zu mir. Sein Gesicht war kreidebleich. Er schüttelte den Kopf. Ich spürte wie Tränen über meine verschmutzten Wangen liefen. Der Flur verschwamm vor meinen Augen. Meine Beine bewegten sich automatisch. Ein schluchzen verlies meine Kehle. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen um wieder klarer zu sehen. Remus hob nun den Kopf. Sein Gesicht verzog sich schmerzvoll. Er erhob sich und nahm mich in die Arme.
„Es tut mir so leid“ flüsterte er mir zu während ich mein Gesicht in seiner Schulter verbarg. Mein Körper erbebte bei jedem Schluchzer. „Wir können nichts mehr für ihn tun. Er hat zu viel Blut verloren“ Ich schluchzte weiter und kämpfte mich frei. Erschöpft sank ich neben dem leblosen Körper auf die Knie und lies meinen Schmerz freien Lauf. Er würde nie wieder zurückkommen. Taylor war für immer fort.
Nach einer halben Ewigkeit spürte ich wie starke Arme mich widerstandslos von dem kalten Körper hoben und wegbrachten. Ich war zu geschwächt um mich zu wären so ließ ich es geschehen.