Am nächsten Morgen riss mich ein stetes rütteln aus dem Schlaf. Verschlafen öffnete ich meine Augen. Nach mehrmaligem Blinzeln erkannte ich endlich den Ruhestörer. Verärgert ließ ich mich wieder auf den Schlafplatz sinken. Ein Lachen durchbrach die Stille.
„Na na, Prinzessin. Wir müssen los“ ertönte die Stimme von Orion.
Widerwillig setzte ich mich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen. „Wie spät ist es denn?“
„Ich schätze vier Uhr“
Perplex riss ich die Augen auf und starrte zu Orion „In der Nacht?“
Einen kurzen Moment betrachtete er mich verwirrt dann begann er schallend zu lachen. „Wir sind in der Wüste, Raven. Je früher wir starten desto besser. Ansonsten sind wir alle Grillwürstchen nicht nur Ramon“ Er zwinkerte mir aufmunternd zu.
„Er hat es dir erzählt“ stöhnte ich und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Ach komm schon. Du bist nicht die Erste die ihn grillen wollte“ lachte Orion.
Ich ließ die Hände sinken. „Wirklich?“
„Nein, war nur ein Scherz. Du bist die Einzige“ Er zwinkerte mir schadenfroh zu. „Nun los, wir müssen das Zelt abbrechen“ Er kletterte aus dem Zelt.
Nachdem ich meine Haare zu einem Zopf gebunden hatte und meine Stiefel übergestreift hatte raffte ich mich auf um durch die Öffnung zu klettern. Ein schwall lauwarmer Wüstenwind erwartete mich.
„Guten Morgen, Schlafmütze“ begrüßte mich Ramon mit einem spöttischen Lächeln.
„Nach deinem nächtlichen Trip durch die Zelte bist du sicher fit heute“ spöttelte Narvik.
Ich atmete tief ein. Mehr als zwei Stunden Schlaf hatte ich mit Sicherheit nicht bekommen. Ich schelte mich selbst für meine Dummheit. Mit erhobenem Kopf musterte ich die beiden.
„Natürlich schaffe ich das“ gab ich ihnen zur Antwort und machte auf den Absetzten kehrt. Doch hinter mir erwartete mich schon Remus der mich neugierig musterte. Meine Wange, wo er mich gestern geküsst hatte, begann augenblicklich zu kribbeln. Unsere Blicke trafen sich und schon erschien ein wissendes Lächeln auf seinen Lippen. Idiot! dachte ich und drückte meinen Rücken durch.
„Na, wenn haben wir den da? Hast du ausgeschlafen, Prinzessin?“ Ein breites Lächeln schmückte sein Gesicht. Ich schenkte ihm einen wütenden Blick. Was dachte er sich überhaupt?
„Ich bin keine Prinzessin und nein habe ich nicht“ knurrte ich verärgert. Hinter mir begannen seine Leute die letzten Zelte abzubauen zu welchem dies gehörte in dem ich geschlafen habe.
„Der Ritt wird lange“ erklärte mir Remus während er immer noch meinem Blick stand hielt.
„Was soll das bedeuten? Glaubst du ich schaffe das nicht? Ich bin härter und kräftiger als ich aussehe“ Trotzig hob ich mein Kinn.
„Das würde ich nie wagen zu behaupten, Prinzessin“ beschwichtigte er mich sofort, doch schon gleich erschien ein spöttisches Lächeln auf seinem Mund. „Wir haben nur ein kleines… logistisches Problem“
„Das soll heißen?“ Mir schwante übles.
„Lass uns doch erstmal zu den Pferden gehen“ winkte er ab und drehte sich in die Richtung aus der er vorher gekommen schien.
Ich beeilte mich mit ihm schritt zu halten. „Wohin reiten wir überhaupt?“
„Zum Schattenturm“
Ich wusste was und wo der Schattenturm war. Es war ein großer einsamer Turm der direkt an der Grenze zu Skyland stand. Hier waren epische Schlachten ausgekämpft worden, unter anderem die Schlacht wo Michael Luzifer in die Unterwelt verbannte und schlussendlich seine Flügel mit Pech übergoss.
„Und du glaubst das Schwert sei dort?“
Er schüttelte den Kopf während wir an einer Kochstelle vorbei gingen wo die letzten Lebensmittel gerade verpackt worden. Mein Magen begann zu knurren. Das Wasser lief mir im Mund zusammen als ich beobachtete wie einer der Assassinen ein Stück geräucherten Schinken in einen Leinensack steckte.
Abrupt blieb Remus stehen und seufzte. „Na los, hol dir etwas zu essen“
„Aber wir wollten doch…“ protestierte ich.
Remus betrachtete mich verärgert. „Dein Magen knurrt so laut wie eine Horde Wölfe. Nun geh schon und hol dir etwas zu essen. Das hält doch kein Mensch aus“
Ich gehorchte widerwillig da ich mir eingestehen musste, dass mein Hunger doch zu groß war. Eilig ging ich auf zu Halbstarke Jungen zu, die gerade Säcke auf einen Wagen luden. Als sie mich sahen hielten sie in ihrer Arbeit inne.
„Guten Morgen“ Ich schenkte ihnen ein zaghaftes lächeln. Die beiden Jungen nickten nur knapp und betrachteten mich weiter als wäre ich ein seltenes Tier. Mein Blick fiel auf einen Sack voll Brot. Sofort lief mir wieder das Wasser im Mund zusammen und Magen gab ein lautes knurren von sich.
„Du hast wohl das Frühstück verpasst“ stellte der größere der Jungen fest und beide begannen zu lachen. Das war ja auch so schwer zu erraten! dachte ich augenrollend.
„Was können wir dafür, wenn ihr mitten in der Nacht frühstückt, wenn ein normaler Mensch noch schläft“ ertönte eine mir bekannte Stimme hinter mir. Mein Herz machte einen Salto und ich drehte mich Freude strahlend um.
„Hope“ rief ich überglücklich und viel meiner Freundin um den Hals. So fest ich konnte drückte ich sie an mir bis sie einen gespielt gequälten Laut von sich gab. Lachend lies ich sie los. „Was machst du hier?“ wollte ich atemlos von ihr wissen.
Sie setzte einen gespielt entsetzten Blick auf. „Was soll das heißen ‚Was machst du hier?‘? Ich unterstütze meine Freundin“ erklärte sie gespielt entrüstet über mein Unwissen. Dann fügte sie Augenzwinkernd hinzu: „Außerdem gibt es in der ganzen Unterwelt keine süßeren Typen als die der Garde“ Sie zwinkerte mir Grinsend zu.
Ich rollte lachend mit den Augen und drehte mich wieder zu den beiden Jungs. „Nun? Wie sieht es aus habt ihr ein wenig Brot übrig für mich und meine Freundin“
Die beiden Jungs zeigten auf die Säcke, die sie bereits verladen haben und schüttelten den Kopf.
Hope trat genervt vor. „Wisst ihr überhaupt wer das ist?“ Sie zeigte mit dem Finger auf mich. Die Jungen schüttelten den Kopf. Sie seufzte gespielt. „Das hier, meine Herren“ Sie zeigte wieder auf mich. „Ist eure Herrin. Luzifers einzige Tochter und Herrin der Unterwelt“ Die beiden Jungen schnappten erschrocken nach Luft.
„Natürlich, Prinzessin“ murmelten sie und griffen nach einem der Säcke. Daraus zogen sie zwei dunkle Brotleibe und ein Stück geräuchertem Schinken. Mir lief das Wasser im Mund zusammen.
„Ich glaube dieses essen wird uns sehr durstig machen“ stellte Hope fest. Die beiden Jungen hoben irritiert den Kopf, dann schienen sie den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden zu haben. Hope verdrehte die Augen neben mir.
„Sie sind zwar süß aber die Hellsten sind es wirklich nicht“
Ich lachte. Der jüngere brachte uns schließlich zwei Flaschen gefühlt mit Wasser. Bepackt mit unserer Ausbeute machten wir uns auf den Weg zu Remus. Der erwartete uns an einen Holzzaun gelehnt.
„Na, ist der Rabe nun gefüttert?“
„Noch nicht aber wir haben uns für den Weg eingedeckt“ Ich zeigte ihm den Leinensack mit den zwei Brotleiben und dem Schinken. Er zog verwundert die Augenbrauen hoch.
„Das willst du alles essen? Na, dann Mahlzeit“ neckte er mich.
„Ich bin auch noch hier“ warf Hope ein. „Die Hälfte gehört mir“
„Zum Glück. Andernfalls hätte ich mich gefragt wie es mein Pferd bis zum Schattenturm schaffen soll“ Verwundert drehte ich mich zu ihm. „Was soll das heißen?“
„Das es ein langer Ritt wird“ seufzte Remus während er das Holztor ansteuerte, das auf eine Art Pferdekoppel führte. Aufgebracht stolperte ich hinter ihm her.
„Soll das bedeuten das ich… mit dir… auf einem Pferd?“ stotterte ich fassungslos. Ich ließ meinen Blick über die Koppel gleiten. Mehrere hundert Pferde grasten in der kargen Steppe und kauten auf dem bisschen Gras das sie finden konnten. Ich wandte meinen Blick ab und drehte mich zu Remus. „Ist hier wirklich keines für mich dabei?“ frug ich verzweifelt.
Ein kurzes lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Leider nicht. Wir haben dich bis hierher in einem der Wagen transportiert. Wir wussten nicht bis wann du dich erholen würdest“
Weiterhinten im Lager sah ich wie vier starke Männer jeweils zwei Rösser an eine Art Planwagen spannten. „Sie sind für die Verletzten, richtig?“
Remus nickte. „Für diejenigen die nicht im Stande sind selbständig zu reiten“
Ich riss mich von den Wagen los und drehte mich zu Remus. „Und du bist sicher das dein Pferd uns beide tragen kann?“
Zur Antwort pfiff er laut so das es über die ganze Koppel hallte. Als ich in die Richtung schaute in die Remus sah, staunte ich nicht schlecht: Ein schwarzer großer Hengst, dessen Fell in der aufgehenden Sonne glänzte, machte im Galopp kehrt und preschte nun mit vollem Tempo auf uns zu so dass seine Mähne wie ein Fächer im Wind wehte. Vor uns verlangsamte er sein Tempo und lies sich bereitwillig von Remus in Empfang nehmen.
Ich beobachtete der Hengst seinen Kopf, an dem seines Herren rieb. Es schien als hätten die beiden eine ganz besondere Verbindung.
„Willst du nicht näherkommen?“ Remus Stimme holte mich aus meinen Gedanken. Zaghaft trat ich näher an den Kopf des Tieres. Seine Nüstern blähten sich. Ich streckte meine Hand aus und schaute dem wunderschönen Hengst in dessen Augen. Erstaunt stellte ich fest, dass diese dieselbe Bernsteinfarbene Iris hatten wie meine. Der Hengst wieherte und rieb seinen schweren Kopf an meiner Hand. Remus lachte. „Er scheint dich zu mögen“
Ich lies meine Hand über das seidige Fell gleiten. „Wie heißt er denn?“
„Nachtschatten“ antwortete Remus während er eine grobe schwarze Decke über den Rücken des Pferdes legte. Es hielt still und lies in machen. Einzig seine Ohren die unruhig hin und her zuckten wissen darauf hin, dass er langsam unruhig wurde.
„Ein normaler Name wie Max, hat es wohl nicht getan“ spöttelte ich.
Mit einem belustigten Grinsen im Gesicht warf er eine Art Satteltasche über die Decke und befestigte sie mit ledernen Gurten am Bauch des Tieres. „Ich fand den Namen passend“
„Seit wann hast du Nachtschatten?“ wollte ich nun wissen.
Er drehte sich zu dem Tier und streichelte ihm über die Flanke. „Schon mein ganzes Leben“ Er drehte sich ein letztes Mal zum Zaun und nahm seine Waffen an sich. Dann wandte er sich zu mir.
„Nun, Ladies First“ Er nickte Richtung Pferd das ruhig vor mir stand. Ungesattelt.
„Von Satteln haltet ihr wohl nicht sehr viel?“ stellte ich nervös fest. Wie sollte ich auf den Rücken des großen Tieres kommen, ohne mich zum Affen zu machen.
Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „So ist es angenehmer“
Ich drehte mich unbeeindruckt zu ihm. „Für dich oder Nachtschatten?“
„Ich würde sagen für uns beide. Na los, komm schon her. Ich helfe dir“ Er schwang sich elegant auf den Rücken des Pferdes und streckte mir die Hand entgegen. Mit einem letzten Blick über die Schulter, ob uns ja niemand beobachtete, nahm ich seine Hand dankend an und schon saß ich auf dem Rücken des Hengstes. Remus drehte sich halb zu mir. „Bist du bereit?“ frug er mich zweifelnd.
Ich schluckte. Er war mir so nahm wie nie zu vor. Mein Körper schmiegte sich bei jeder Bewegung des Hengstes an seinen. Seine Haare kitzelten mich in der Nase. Ich atmete tief durch.„Bereit“
Remus sah mich zweifelnd an. Ich war mir sicher, dass er wieder in meinen Gedanken geschnüffelt hatte. Ich nickte nur um meine Aussage zu bekräftigen. Seufzend drehte er sich um und Nachtschatten setzte sich trappend in Bewegung. Erschrocken klammerte ich mich an Remus Mantel. An diese Art zu Reisen würde ich mich noch gewöhnen müssen.
„Mach dich schon mal darauf gefasst mir rede und Antwort zu stehen“ flüsterte ich Remus ins Ohr.
Verwirrt drehte er sich wieder halb zu mir. „Wie meinst du das?“
„Ich weiß wenig über die Unterwelt. Es wird aber wie es aussieht für die nächste Zeit mein Zuhause sein. Also will ich ein wenig über das Leben hier erfahren“ erklärte ich ihm mein Interesse.
„Hier ist doch nichts anders als bei euch?“
„Du warst noch nie in Skyland, stimmts“ lachte ich. Remus nickte. „Es ist wie in einer Zeitreise zurück in die Vergangenheit“ erklärte ich ihm.
„Wir leben veraltet, willst du damit sagen?“ verstand er. Kurz dachte ich über seine Worte nach dann schüttelte ich den Kopf. „Es ist abenteuerlicher“ lachte ich schließlich und beobachtete von Nachtschattens Rücken aus wie am Horizont die Sonne über den Bergen aufging.