„Was machst du da?“
Sie kamen immer wieder an. Taten freundlich, um ihr Vertrauen zu gewinnen, sie in Sicherheit zu wiegen, und dann schlugen sie zu.
„Ich sitze“, antwortete Siria.
„Warum sitzt du hier?“
Sie drehte sich um. Sie kannte den Jungen, er ging in eine ihrer Parallelklassen. Es hieß, dass seine Eltern ihm schon einen Platz an einer der guten Universitäten gesichert hätten, und dabei war er erst in der Siebten.
„Was geht dich das an?“, giftete Siria.
„Es ist okay, wenn du nicht reden willst. Aber ich fand, dass du traurig aussahst.“
Der Junge lächelte zaghaft. Siria öffnete die Hände, die sie unwillkürlich zu Fäusten geballt hatten.
„Malst du?“
Er beugte sich über ihre Schulter und sah auf das Blatt, das Siria ihm bereitwillig zeigte.
Er musterte die Zeichnung kritisch. „Ich finde, Hunde sind blöd.“
Es gab einen kurzen Filmriss oder so. Plötzlich lag der Junge vor Siria auf dem Boden. Sie war aufgesprungen und in ihr kochte es. Wieder und wieder trat sie zu. Der Junge robbte von ihr weg, kam stolpernd auf die Füße und floh.
Siria rannte brüllend hinterher. Schüler drehten sich nach ihnen um. Siria bekam die Jacke des Jungen zu fassen, die Kapuze. Sie riss und er fiel nach hinten, schon war sie über ihm und schlug zu, wieder und wieder in sein Gesicht.
Ihre Knöchel platzten auf. Sein Gesicht wurde unförmiger, verbarg sich hinter Blut, Zähne klapperten zu beiden Seiten auf das Pflaster. Die Schreie endeten erst, als ein Lehrer sich durch die umstehenden Schüler wühlte.
Er packte Siria am Arm und schleifte sie hinter sich her. Sie hörte ihm kaum zu: „Bist du wahnsinnig? Wolltest du ihn umbringen? Was hat er dir getan? Hörst du mir zu, Siria? Er ist jetzt im Krankenhaus. Deinetwegen. Sag mir endlich, warum!“
Sie sagte nichts. Die ganze Zeit, während verschiedene Erwachsene auf sie einredeten, Lehrer, Schulleiter, Polizisten, Psychologen, zuletzt ihr Vater … die ganze Zeit schwieg sie.
Und dachte daran, dass sie das Bild nicht mitgenommen hatte, dass sie es verloren hatte.