Als wir am See ankommen, ist es bereits zehn Uhr. Wir alle bleiben stehen und staunen über das wunderschöne Bild, das sich uns hier bietet.
Die Sonne scheint auf die Wasseroberfläche des Sees und reflektiert das Licht und alle Richtungen. An einer Stelle hält ein Kirschenbaum seine Zweige, die mit pinken Blütenblättern bestückt sind, ins Wasser. An einer anderen Stelle befinden sich mehrere dunkle Steine im Wasser. In den Spinnennetzen zwischen den Grashalmen glitzert der Tau. Meine Ohren nehmen das Geräusch von zirpenden Grillen war. Diese wunderschöne Bild verleiht mir innere Ruhe. Hier könnte ich den ganzen Tag verbringen.
Hilley deutet auf einen der dunklen Steine:"Setz dich dahin." Ich schaue sie erst verwundert an, doch dann lege ich meinen Mantel ab und tue, worum sie mich gebeten hat. Ich lege den Mantel ins Gras und gehe auf den See zu. Am Ufer angekommen, knie ich mich hin, um meine Schuhe aus zu ziehen. Diese stelle ich ins Gras.
Als ich soweit fertig bin, halte ich meine Zehen ins Wasser um zu testen wie kalt es ist, falls ich hereinfallen sollte, was ich nicht hoffe. Dann wären meinen Sachen nämlich nass und kalt. Das ist ja eigentlich nicht so schlimm, aber leider werde ich total schnell krank und habe nicht schon wieder Lust auf unsere fette Erkältung.
Entgegen meiner Erwartungen ist das Wasser jedoch gar nicht so kalt. Es hat eine relativ angenehme Temperatur, was wahrscheinlich daran liegt, dass die Sonne den ganzen Tag darauf scheint.
Ich wate durchs Wasser, bis ich an dem Stein, auf den Hilley gedeutet hat, ankomme. Mit aller Kraft ziehe ich mich hinauf.
Oben angekommen sehe ich mich um. Der Stein befindet sich etwa drei Meter vom sicheren Ufer weg.
"Jetzt leg deine Hände bitte ins Wasser", ruft Hilley mir zu. Ich runzele die Stirn, tue dann aber wie mir geheißen. Sie scheint mit ihren Befehlen aber noch nicht fertig zu sein:"Super! Jetzt konzentrier dich auf das Wasser. Fühle das Wasser. Sei das Wasser."
Ich werfe ihr einen verwirrten Blick zu:"Wie soll ich denn das Wasser sei?" "Wasser kann sich verformen und in passt in jede Form in die man es zwängen will. Sie genau so verformbar", erklärt sie. Ich seufze verzweifelt:"Und wie mache ich das?" "Entspanne dich und konzentriere dich auf das Wasser unter dir. Dann wird es dir sagen, was du tun sollst." Ich verdrehe die Augen. "Und wann hat das Wasser sprechen gelernt", murmele ich leise, sodass nur ich es hören kann. "Was hast du gesagt?", fragt Hilley aufgeweckt. "Nichts!", streite ich schnell an.
Nun schließe ich meine Augen und halte meine Hände tiefer ins Wasser. Das wird wohl schwieriger als erwartet. Ich versuche es ja wirklich, aber Rubys Blick brennt auf meiner Haut und macht mich wahnsinnig.
Genervt öffne ich meine Augen nochmal und werfe Ruby einen wütenden Blick zu:"Kannst du aufhören mich anzustarren." "Tut mir leid. Ich kann nicht dagegen tun. Ich muss Leute, die zu dumm sind einfache Aufgaben zu erledigen, anstarren. Das mache ich automatisch", lacht sie böse. "Na gut, dann zeig du mir doch mal wie gut du das mit den Kräften hinbekommst", fordere ich. Wahrscheinlich ist das aber nicht meine beste Idee, was mir das böse Lächeln zeigt, das auf meine Aufforderung folgt.
Ruby hebt ihre rechte Hand in die Höhe und schließt die Augen. Sie muss sich also auch konzentrieren. Als nach etwa einer Minute immer noch Nichts passiert ist, sage ich zufrieden:"Guck, du kannst es genauso wenig wie ich." Von Ruby ist nur ein wütendes Knurren zu vernehmen und sie öffnet ihre Augen. Darin ist wieder dieses seltsame Flackern zu erkennen.
Es wirkt als würde die Zeit langsamer laufen, als der Boden um Ruby wie aus heiterem Himmel zu brennen beginnt. Hilley scheint genauso verwundert darüber zu sein wie ich und stolpert zurück. Mist, was ist denn jetzt los?
Wie in Zeitlupe bildet sich plötzlich ein glühender Feuerball in Rubys rechter Hand, der wild lodert. Ich nehme nur noch wahr wie sie aufholt und den Ball in meine Richtung wirft.
Der rot-orange glühende Ball rast schnell auf mich zu, doch ich bin nicht befähigt mich einen Zentimeter zu rühren. Ich bin einfach zu geschockt. Als der Ball nur noch wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt ist, hebe ich blitzschnell meine Arme. Sobald sie oben sind, bildet sich eine Wasserwand vor meinen Händen.
Der Feuerball löst sich an der Wasserwand auf und ist in der nächsten Sekunde verpufft. Meine Angst löst sich sofort auf und macht der Erleichterung Platz. Ich nehme die Hände wieder runter und versuche meinen Atem wieder gleichmäßiger werden zu lassen.
Auch Hilley scheint sich wieder gefangen zu haben und ist total in Rage:"Ruby! Das ist doch nicht dein Ernst. Krieg deine Probleme unter Kontrolle und zügle deinen Wut oder ich muss dich wieder weg schicken."
Der Feuerkreis um das blonde Mädchen erlischt und sie schaut wütend zu Hilley. "Das war doch nicht meine Schuld. Sie hat mich provoziert", gibt sie wütend und gleichzeitig vollkommen verzweifelt zurück. "Selbst wenn sie das getan haben sollte, ist das nicht wichtig. Du kannst sie nicht einfach angreifen, Ruby. Du stellst einen Gefahr für jeden hier da", ruft Hilley aufgebracht.
Ruby scheint nicht mehr mit ihr diskutieren zu wollen, weshalb sie sich einfach umdreht und durch den Wald davon läuft. "Ruby! Bleib sofort stehen", ruft Hilley ihr nach, doch Ruby stapft immer weiter durchs Unterholz auf Hilleys Haus zu.
Hilley dreht sich zu mir um und fragt mich:"Ich muss ihr hinterher gehen, Stella. Findest du den Weg zum Haus alleine wieder?" "Ja, das schaffe ich schon irgendwie", sagt ich, bin mir aber in Wirklichkeit gar nicht so sicher.
Bevor sie durch den Wald verschwindet, wirft Hilley mir noch einen dankbaren Blick zu. Dann ist sie weg und ich bin zum ersten Mal an diesem Tag alleine. Endlich einmal Zeit für mich.
Ich versuche mich zu entspannen und atme durch, was aber schwerer zu sein scheint, als ich dachte. Meine Hände zittern auch noch leicht. Ruby hat mich einfach unerwartet getroffen und ich war froh, dass das mit der Wasserwand so zufällig passiert ist. Oder ist es gar nicht zufällig passiert? Vielleicht sollte ich es, jetzt wo ich ganz alleine bin, nochmal versuchen.
Kurzer Hand halte ich meine Hände ins Wasser. Was wohl diese Mal geschieht?