Ich bin 11, als mein Leben ein neues Gesicht bekommt. Der Wechsel von der Grundschule auf das städtische Gymnasium verläuft ruhig, ich lebe mich schnell ein. Ich bin es gewohnt, hilfsbereit zu sein und war schon immer ich selbst. Ich finde Freunde, nicht viele, doch gute, obwohl ich niemanden kenne. Ich bin als einzige in einer Klasse mit vielen Fremden, die anderen sind bei ihren Freunden.
Eine Weile geht alles gut, ich fühle mich wohl hier. Bald jedoch merke ich, wie die anderen über mich lachen. Max, ein Junge, den ich mir nie genauer angeschaut habe, kommt mir plötzlich mit einem „Was macht die denn hier?“ auf den Lippen im Gang entgegen, dabei weiß ich nicht warum er diesen Hass gegen mich hegt.
Immer mehr meiner Klassenkameraden stimmen in das Gelächter um mich ein. Mein Lachen, das sehr fröhlich und dementsprechend auch laut ist, weil ich nun mal ein Lebensfrohes Mädchen bin, wird nachgeahmt; meine Lieblingslieder als Schrott abgetan; meine Kleidung hämisch belächelt; ich selbst als Dumm und Hässlich beschimpft.
Auf einmal ist nichts wie vorher. Ich war beliebt, stand immer im Mittelpunkt, ohne dass ich mich in ihn hineingedrängt hätte, und nun bin ich ein Niemand. Meine Welt bricht mit jedem Tag ein bisschen mehr, doch ich fange an mich daran zu gewöhnen. Es tut nicht mehr so weh, wenn sie über mich lachen. Nach einigen Gesprächen mit unserer Lehrerin ist es vorerst vorbei, doch ich weiß dass sie wieder beginnen werden.
Und sie tun es. Wieder und wieder. Sie finden mich ekelig, weil ich Bauchfrei trage und mich nicht rasiere. Dabei habe ich das nie gelernt. Meine Eltern haben mir nie vorgeschrieben, mich zu rasieren. Auch habe ich selten einen richtigen BH an, selbst im Schwimmbad rannte ich bis vor kurzem ohne Oberteil herum. Mich störte diese Nacktheit nie und sie tut es immer noch nicht. Das ist das Leben, das mir meine Eltern vorleben.
Ich beginne trotzdem mich anzupassen, trage Bustier und rasiere mich. Bauchfrei darf ich nicht mehr tragen, dank meiner Lehrerin muss ich mich in Klamotten zwängen, die ich nicht mag. Immer weiter mache ich aus mir eine Person, die ich nicht bin, die ich nicht sein möchte, damit die Schikanen aufhören. Als sie noch immer weiter gehen, höre ich auf mich für andere zu verbiegen. Ich beginne zu akzeptieren. Nachdem mir auch noch meine angeblichen Freunde den Rücken kehrten, weiß ich, dass ich nicht hier her passe. Nur eine Freundin ist mir in all der Zeit erhalten geblieben.
So geht das jetzt schon Jahre, und noch immer komme ich nicht wirklich mit den andern aus. Es ist ruhiger geworden, aber Freunde werde ich hier wohl nicht mehr finden.
Irgendwann braucht Lea, der Kopf der Bande die mich immer noch unterbuttert, Hilfe bei einem Schulprojekt. Natürlich spiele ich mit dem Gedanken, sie abblitzen zu lassen, doch dann half ich ihr, jedoch nicht ohne Lea meine Gefühle offenzulegen. Sie sieht ein, dass sie Fehler gemacht hat, und wir verstehen uns etwas besser. Auch der Rest der Klasse beginnt mich langsam als vollwertigen Menschen anzusehen, nun, wo sowieso bald das Kurssystem der Oberstufe beginnt. Der geplante Schulwechsel ist auch nicht geglückt, die Kurse wären einfach zu verschieden gewesen.
Außerdem hielt mich die Zuneigung zu ein paar meiner Mitmenschen an dieser Schule.