Das nächste einschneidende Erlebnis war - wie bei jedem anderen Kleinkind - der Kindergarten. Neue Umgebung, neue Menschen und vor Allem: keine Mama da! Ich muss der Albtraum jeder Erzieherin gewesen sein. Ich weiß nicht wie lange es gedauert hat, bis ich nicht mehr jedes Mal geweint habe, wenn meine Mutter mich dort abgeliefert hat.
An dieser Stelle möchte ich mich bei den wunderbaren Erzieherinnen entschuldigen und bedanken. Danke für eure Geduld und Fürsorge. Ich finde, das wird viel zu selten gesagt.
Da meine Schwestern 3 und 5 Jahre älter sind als ich, waren sie zu dem Zeitpunkt schon in der 1. und 3. Klasse der Grundschule. Ich kannte also niemanden.
Erschwerend kam hinzu, dass ich nicht besonders gut sehen konnte. Ich habe von Geburt an eine Hornhautverkrümmung. Meine Eltern haben das erst irgendwann später festgestellt. Bis dahin dachten sie einfach, ich wäre ungeschickt. Ein kleiner Trampel. Ich hatte ständig irgendwo blaue Flecken, weil ich mich irgendwo angestoßen hatte und aufgeschürfte Knie, weil ich über Türschwellen (!) gestolpert bin. Ist jetzt nicht unbedingt förderlich fürs Selbstvertrauen, wenn mensch ständig zu hören bekommt, das mensch ein Schussel ist.
Vielleicht wird dadurch auch verständlicher, warum die ungewohnte Umgebung im Kindergarten in mir Angst ausgelöst hat. Ich konnte nicht richtig sehen. Nach 3 Jahren zu Hause, wusste ich wo alles stand und kannte mich aus. Da ist "nicht alles scharf sehen zu können" keine allzu große Behinderung.
Da sich zu Hause die meiste Zeit Mama um mich und Kind D gekümmert hat (Spiele spielen, bei Laune halten, Baden, frische Kleidung anziehen und was sonst noch alles zum Großziehen dazu gehört), ich also nie großartig Kontakt zu anderen hatte, fiel es mir extrem schwer im Kindergarten Anschluss zu finden. Ich konnte diese ganzen neuen Menschen ja nicht richtig sehen. Die meiste Zeit hab ich also mit mir selbst gespielt. Vorzugsweise mit Lego, Matchbox Autos und Dinos. Kuscheltiere waren auch ok. Nicht das typische Mädchenzeugs? Hat mich nie interessiert. Vielleicht weil A und B mich nicht mit ihren Sachen haben spielen lassen. Wir hatten aber, soweit ich mich erinnere auch nicht so viel typisches Mädchenzeugs. Ein paar Barbie-Sachen ja, ein paar "Mein kleines Pony"-Ponies, aber das wars auch schon. D und ich haben lieber mit Feuerwehr- und Polizeiautos und mit Duplo-Zootieren gespielt.
Die eine Riesenpuppe, die jede von uns Mädchen mal von unserer Omi geschenkt bekommen hatte, löste in mir eher Abwehr und Angst aus.
Bis hierher war eigentlich noch alles in Ordnung. Es hätte alles auch ganz anders kommen können. Aber dann kam ich in die Grundschule.