Zwei Wochen herrschte zwischen Julia und Elias absolute Funkstille. Es waren die schlimmsten zwei Wochen ihres Lebens. Christian schien wirklich Interesse an ihr gefunden zu haben, doch Julia interessiert das nicht mehr. Sie fühlt sich leer, einfach leer, so leer, dass es keine Metapher gab, die diesen Zustand vollends beschreiben könnte. Es war als ob jemand eine Schere genommen hätte und sie in zwei Hälften geteilt hatte. Die eine Hälfte saß wahrscheinlich gerade unter dem Süßkirschenbaum. Die andere saß zu Hause und weinte jämmerliche Tränen. Sie fühlte sich beschießen, ein Häufchen elendigsten Dreck, denn man vergessen hatte aufzukehren. Und alles nur wegen Elias. Sie wusste weder rütteln, noch zweifeln halfen ihr, sie war in Elias verliebt. Eigentlich wusste sie das schon länger, doch sie wollte das nicht wahrhaben um die Freundschaft nicht zu gefährden. Am Ende der zweiten Woche fasste Julia den Entschluss: Sie würde zu Elias gehen und es ihm sagen. Sagen was sie für ihn empfindet. Auch wenn das bedeuten könnte, dass er sie zurückweisen würde.
Julia schwang sich auf ihr Fahrrad und als sie in der Louise-Otto-Straße ankam, stoppte sie an Hausnummer 15. Genau wie vor zwei Wochen..., ging es ihr durch den Schädel, ehe sie den Mut verlieren konnte, hatte sie schon an der Klingel geklingelt. Wenig später öffnete ihr Elias Mutter die Tür. "Hallo Julia", begrüßte sie Julia mit einem aufrichtigen, herzlichen Lächeln und bat sie doch herein zu kommen. "Julia.. ", fragte Elias Mutter zaghaft.
"Ja?"
"Ist etwas passiert? In der Schule oder so? Elias ist seit zwei Wochen nahezu verstummt und total verschlossen. Ich könnte fast denken mein Sohn ist ein Geist."
Julia schüttelte den Kopf: "Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit, ich bin hier um es wieder ins Reine zu bringen."
Elias Mutter verstand glücklicherweise worum es ging und harkte nicht weiter nach. Als Julia auf die Terrasse trat und von dort in den Garten lief, hatte sie ihren Freund bald gefunden. Er lag wie früher unter dem Kirschbaum und starte in die Blätter, welche hier und da von den Sonnenstrahlen durchbrochen wurden. Dieser Kirschbaum, "ihr Kirschbaum", über den beide sogar schon ein Referat und eine Geschichte geschrieben hatten, beziehungsweise über Kirschbäume an sich.
"Hey", hauchte sie mit leiser Traurigkeit. Elias hatte sie noch nicht bemerkt und drehte sich mit ehrlichem Erstaunen zu ihr um. Er richtete sich an dem Stamm des Baum auf und während er noch nicht ganz stand sagte er mit tiefhängenden Kopf: "Es tut mir leid, von ganzem Herzen, ich habe mich nicht wie ein Freund verhalten...", kaum hörbar und ihren Blick ausweichend, sagte er diese Worte. Wieso weicht er meinem Blick aus, dass hat er noch nie getan? Lag es an dem Streit oder an etwas anderem?, dachte Julia bei sich und äußerte: "Ich muss dir etwas wichtiges sagen, Elias."
"Mir geht es genauso.", gestand er, "Julia, du hattest vollkommen Recht. Ich konnte dein Glück nicht akzeptieren."
Enttäuschung machte sich in ihr breit. War das alles? War das wirklich alles? War am Ende nichts von alledem wahr? Aber war das nicht klar? Wir unwahrscheinlich war es denn, dass er das gleiche dachte wie sie?
"Ich... Ich... wollte... dir... sagen...", nur stoßartig kamen ihr die Worte über die Lippen.
Er betrachte sie, sah die Sonne auf ihrem Gesicht, die Röte die begann sich zu entfalten. Für einen Moment glaubte er sich in ihren Augen spiegeln zu können. Julia ging auf ihn zu Wenn Worte versagen, lass Taten sprechen!, sagte sie sich mit Bestimmtheit. Und doch der Keim der Verzweiflung in ihr wuchs, wuchs so schnell, bildete Wurzel, Spross und Blätter. Er versuchte sie zu binden, mit Mühe schaffte sie es trotz weicher Knie auf Elias zuzugehen. Sie umarmte ihn. Und er erwiderte: " Ich gehörte zu denen, die nicht sofort erkannten, dass der Mensch den ich liebe, vor mir stand...Doch jetzt sehe ich."
Sie wollte ihm antworten, doch nahm ihr die sanft über den Rücken streichende Hand den Atem. Gänsehaut, am ganzen Körper. Wollige Schauer durchzuckten Julia. "Ja.", hauchte sie, "Ich war genauso blind." Bevor sie fragen konnte, ob seine Wort ernst und für die Zukunft gedacht seien, legte er seine Fingerspitzen auf ihre Lippen. "Pssst", haucht er in ihr Ohr und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund.
Stille lag über dem Garten, allein die Blätter des Kirschbaums rauschten.
Wenn die Kirschen rot werden, finden liebende zueinander.
ENDE