„Bist du eigentlich wahnsinnig‟, knurrte Dorian ihn zornig an, „Deine Mutter? Deine eigene Mutter? Wie kannst du ihr das antun?‟ Er lief in seinem Zimmer auf und ab und schlug sich fassungslos die Hände vors Gesicht. „Hast du auch nur eine Sekunde an sie gedacht und die Folgen deines kleines Experiments?‟
„Ich habe ausschließlich an sie gedacht‟, brummte Josh missmutig, „Sie war besorgt, nachdenklich und du hättest ihre Aura sehen sollen, grau! Ich weiß nicht was es mit den Farben auf sich hat, aber diese kann nichts gutes bedeuten. Als ich sie berührte, wollte ich nur helfen und ihr ein wenig von der Last abnehmen, aber dieser Funke, der auf sie übersprang war nicht geplant. Geschweige denn ihre gruselige Reaktion darauf.‟
„Du wolltest sie ruhig stellen‟, fauchte Dorian und sah ihn wütend an.
„Ich wollte ihr helfen!‟
„Ohne an die Folgen zu denken. Verdammt Josh, du solltest der Vernünftige von uns beiden sein, nicht einmal ich würde mit meiner Mutter experimentieren.‟
„Zunächst mal, ich experimentiere nicht und außerdem, du wolltest, dass ich das Gleiche mit Nora mache.‟
Dorian verdrehte die Augen und schnaubte abfällig, „Ich wollte, dass sie endlich mit dem Gequassel aufhört, außerdem hätte ich nie gedacht, dass du es tatsächlich schaffst. Sie hat im Übrigen bis mittags geschlafen, was du auch immer getan hast, hat sie ganz schön ausgeknockt.‟
„Geht es ihr gut?‟, erkundigte sich Josh erschrocken, aber sein Cousin winkte beifällig ab.
„Ich hatte einen entspannten Morgen.‟ Er blieb stehen und wandte sich Dorian argwöhnisch zu. „Du lässt sie in Zukunft in Ruhe, ja? Ich weiß sie ist nervig, aber am Ende noch immer meine Schwester.‟ Dorian schüttelte verblüfft den Kopf, ließ sich neben Josh auf das Bett fallen und grinste ihn unsicher an. „Wer hätte gedacht, dass ich eines Tages der Bedenkenträger bin.‟
„Wer hätte gedacht, dass du eines Tages Nora in Schutz nimmst‟, ergänzte Josh schmunzelnd und stieß seinen Cousin freundschaftlich an. „Danke, dass du mir die Sache nicht übel nimmst.‟ Dorian zuckte leicht mit den Schultern.
„Ich verstehe dich ja und, um ehrlich zu sein, ist es mir egal wen du wie beeinflusst, solange es niemand ist, der mir am Herzen liegt. Hab deinen Spaß, aber lass uns außen vor, in Ordnung?‟ Josh stimmte ihm mit einem Nicken zu und langte über Dorian hinweg zum Nachttisch. Er warf einen schnellen Blick auf den Sperrbildschirm seines Handys und sprang erschrocken auf.
„Ich muss nach Hause‟, rief er aus und schnappte sich seine Sachen, „Wir sehen uns.‟
„Viel Spaß mit deinen Snacks!‟, rief ihm Dorian hinterher, aber im nächsten Moment schlug bereits die Tür hinter Josh ins Schloss. Kopfschüttelnd stand er auf und nahm sein eigenes Telefon in die Hand. Nachdenklich ging er die letzten Nachrichten durch, von denen viele noch nicht geöffnet waren.
Gruppennachrichten, SMS seiner Mutter, von Josh, Mädchen, die er irgendwo kennen gelernt hatte und Kunden, die ihm wütende Nachrichten schickten, wann die nächste Lieferung Echo bereitstünde. Er seufzte, blieb bei dem Chat des Parkkerls hängen und lachte spöttisch auf. Die Nachricht bestand zum Großteil aus Sachimpfworten, leeren Drohungen und Schreibfehlern, lächerlich. Er hielt nachdenklich den Kopf schräg, überlegte zu antworten, aber entschied zu schließlich dagegen. Josh würde ausflippen, wenn er erführe, dass er sich in einem SMS Krieg mit einen Drogenjunkie befand. Ein hinterlistiges Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er das X betätigte.
Löschen
„Auf die Sekunde zu spät‟, murmelte Joshs Mutter und öffnete die Tür, bevor er selbst aufschließen konnte. Sie sah ihn missbilligend an und er schob sich mit einem entschuldendem Grinsen an ihr vorbei.
„Du meinst eher pünktlich‟, korrigierte er lächelnd und warf seine Sachen in den Flur. Josh folgte seiner Mutter ins Esszimmer, und setzte sich eilig an den bereits gedeckten Tisch. „Ich habe beinahe die Zeit aus den Augen verloren‟; gab er schließlich zu und sah seiner Mutter entgegen, die dabei war das Essen zu bringen. „Das sieht lecker aus.‟
„Es war auch viel Arbeit‟, erwiderte sie und ließ sich erschöpft ihm gegenüber auf den Stuhl fallen, „Und weißt du was ebenfalls viel Arbeit ist?‟ Josh sah stirnrunzelnd auf, die Gabel bereits im Mund. Er hob fragend die Brauen und seine Mutter grinste ihn diebisch an. „Die Küche, die du nach dem Essen aufräumen darfst.‟
Er brummte genervt, aber zuckte widerwillig mit den Schulter. „Ich dachte, wir machen uns einen gemütlichen Abend? Hast du … hast du eingekauft?‟ Sie nickte mit vollem Mund in Richtung Sofa, auf dem ein kleiner Haufen Süßigkeiten lag. Joshs Augen wurden groß und er grinste sie verblüfft an. „Danke‟, schmatze er und betrachtete neugierig ihre Aura.
„Ich hatte Lust darauf‟, gab sie nachdenklich zu und runzelte die Stirn. Ihr Farbschleier verfärbte sich in ein dunkles violett, doch die goldene Narbe, war weiterhin zu sehen. Sie verblasste allmählich und die goldenen Fäden, die sich in die Schwaden brannten, zogen sich langsam zurück.
„Mama?‟, hauche Josh fasziniert und schob seine Hand über den Tisch. Seine Mutter lächelte irritiert und ergriff sie mit warmen Fingern. „Ich hab dich lieb.‟ Ihr Lächeln wurde breiter und sie drückte ihm einen Kuss auf den Handrücken.
„Ich dich auch mein Schatz.‟ Er lächelte sie selig an und betrachtete ihre verschränkten Finger.
Als er klein war, hatte er nie dem Drang widerstehen können etwas anzufassen, insbesondere, wenn es ihm seine Mutter ausdrücklich verboten hatte. Egal ob es wertvolle Kunstwerke, heiße Teller oder die Herdplatte waren, immer musste er sich selbst von ihrer Hitze und Zerbrechlichkeit überzeugen. Das Gefühl, welches sich nun in seinem Körper ausbreitet, ließ sich nicht anders beschreiben. Er sah die Aura seiner Mutter, die schutzlos in der Luft flackerte und dachte daran, wie falsch es war, ihre Gefühle zu manipulieren. Er seufzte resigniert, zwei Funken lösten sich von seinen verflochtenen Fingern und sprangen wie Blitze auf sie und ihren Farbschleier über.
Joshs Mutter zuckte leicht zusammen als das Licht ihre Aura durchzuckte und zwei frische Risse hinterließ. Einen goldenen, der sie augenblicklich zum Lächeln brachte, und einen bronzefarbenen, bei dem ihre Augen zu leuchten begannen.
Er biss sich wütend und fasziniert zu gleich auf die Lippen und betrachtete wie ihre Aura allmählich die Farbe wechselte. Das Violett verblasste und sie richtete sich schmunzelnd auf. Schwankend erhob sie sich und griff nach seinem leeren Teller.
„Weißt du was mein Schatz? Lass mich die Küche machen, setzt dich schon mal ins Wohnzimmer und starte den DVD Player, ich komme gleich nach.‟ Sie verschwand in der Küche und Josh sah ihr erstaunt nach. Langsam schüttelte er den Kopf und vergrub das Gesicht grummelnd in den Händen.
„Was mache ich nur‟, hauchte er schuldbewusst und sah betrübt auf seine käsigen Finger. Hass breitete sich erstmals in seinem Herzen aus. Er war wütend, weil das Schicksal ihm diese Gabe verliehen hatte, zornig weil er sie nicht beherrschen konnte und hasserfüllt, weil er es genoss, sich von ihr kontrollieren zu lassen.