Es ergab sich, dass ich auf einer urologischen Station arbeiten musste. Für alle, die mit diesem Begriff nichts anfangen können: Die Urologie befasst sich mit den Erkrankungen der Harnorgane also Niere, Harnleiter, Blase und Harnröhre sowie der männlichen Geschlechtsorgane wie Prostata, Penis oder Hoden. Dementsprechend lagen hier primär nur männliche Patienten, was ja irgendwie logisch ist.
Zur Urologie kam ich im 2. Lehrjahr und es hatte soooooo viel Spaß da gemacht, weil ich echt viel lernen konnte, super ins Team integriert wurde, bei Untersuchungen teilnehmen durfte und somit einen Rundumblick in die Thematik bekam.
Schon am ersten Tag schafften es die Patienten mich sprachlos zu bekommen und DAS kam sehr selten vor. Ich ging durch die Zimmer und stellte mich vor. Im letzten Raum, ein 4-Bett-Zimmer, lagen vier junge Männer in ihren Flatterhemdchen (=Krankenhaushemd). Altersdurchschnitt 22. Als ich das Zimmer betrat und erklärte wer ich sei, tauschten die 4 kurz Blicke aus und grinsten. Mhm. Sehr seltsam. Einer der jungen Männer lächelte mich an und bat mich zu ihm zu kommen. Natürlich ging ich hin und fragte, ob ich ihm helfen könne. Unschuldig und fast ein bisschen verlegen, sah er mich an und fragte: "Sagen Sie mal... sieht das schon besser aus?" Dann hob er und auch die 3 anderen gleichzeitig ihre Flatterhemden hoch und entblößten, was darunter war. Mir fiel wirklich und ernsthaft die Kinnlade runter und ich schaute fassungslos von einem Hoden zum anderen. Alle 4 hatten einen Hodenbruch und hatten ihren Hoden auf ein Hodenbänkchen gelagert (Ich frag mich gerade, ob es noch jemand geschafft hat, in einem Satz 3x den Begriff Hoden zu verwenden XD). Oh. Mein. Gott. Sah das krass aus. Sonst baumelt ja bei Männern da nur etwa eine Hand voll Hoden herum und was ich da sah... Die Hoden hatten Handballgröße!!!! Ich gab ein quiekendes Geräusch von mir und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Sieht es schon besser aus? Ernsthaft???? Das sah aus, als würden die gleich platzten. "Und? Besser?" Ich hatte sowas noch nie gesehen und hatte ja keinen Vergleich, wie es vorher war, also nickte ich einfach - unfähig meinen Mund zu schließen. Alle 4 grinsten und ich ging kommentarlos mit hoch rotem Kopf aus dem Zimmer. Als ich die Tür geschlossen hatte, lehnte ich meinen Kopf an die Wand und atmete tief durch. Dann hörte ich sie drinnen herzhaft lachen. Anscheinend war ich nicht die Erste, die sie geschockt hatten.
Eine andere Begebenheit war ein Patient mit Blasenkatheter. Was? Noch nie gehört? Okay. Kurze Begriffserklärung. Ein Katheter ist ein dünner Kunststoffschlauch mit Loch an der Spitze, der durch die Harnröhre in die Blase geschoben wird. Am anderen Ende, also der Teil, den man sieht, wird ein Katheterbeutel dran gemacht, wo der Urin rein laufen kann. Könnt ihr euch das so in etwa vorstellen?
Jedenfalls ging ich durch die Zimmer und ließ den Urin aus den Beuteln der Patienten ab. Der eine Patient, bei dem ich gerade war, beobachtete ganz genau was ich tat. Als ich dann unter seine Decke sah, um zu kontrollieren, ob da noch alles richtig lag, steckte er mir plötzlich etwas in meinen Kassak. Verdutzt schaute ich hin. Er hatte mir doch wirklich einen 50€-Schein zugesteckt! Ich merkte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Was sollte das denn werden? Doch schon bekam ich eine Antwort auf meine ungestellte Frage. "Wenn Sie schon mal da unten sind, dann können Sie mir ja auch gleich einen runter holen." WAS???? Der olle Knopf hatte sie wohl nicht mehr alle!?!?!? Was dachte der denn, wo er war? Im Bordell? Ich merkte, wie mein Kopf gefährlich zu pochen begann. Gott, war ich sauer. Doch ich versuchte Profi zu bleiben und nicht zu eskalieren. Stattdessen lächelte ich ihn an. Ich machte eine leicht geöffnete Faust und bewegte sie nach oben. "Machen Sie mal so." Er machte mir meine Bewegung nach. Dann bewegte ich meine Hand nach unten. "Und jetzt so." Wieder tat er es mir gleich. "Dann machen Sie doch selber!" Ich schmiss das Geld auf sein Bett. Erst jetzt hatte er bemerkt, welche Bewegung ich nachgestellt hatte und lief rot an. Mit hoch erhobenen Kopf drehte ich mich um und verließ das Zimmer. Nach dieser Aktion war er immer ziemlich kleinlaut. Die anderen Kolleginnen mieden ihn, weil er wohl auch gern grabschte und die wenigsten weiblichen Pflegekräfte sich offensiv wehrten. Da war ich ja noch gut weg gekommen...
Auf der Urologie sah man die interessantesten Dinge. Einen Mini-Penis zum Beispiel, wo jedes Mini-Wini vor Größenwahn platzen würde. Ich weiß noch, dass ich dies am letzten Tag gesehen hatte und total geflasht beim gemeinsamen Frühstück saß und darüber sinnierte, wie man im Alltag wohl mit so einem kleinen Penis zurechtkam. Das war überhaupt nicht böse gemeint, denn es interessierte mich wirklich. Im stehen pinkeln ging zum Beispiel nicht, da der Penis zu klein zum Greifen war...saß er dann immer? Und während ich vor mich hin philosophierte, fing unser Oberarzt an zu lachen. Irritiert sah ich ihn an. "Ach Mensch. Gerade jetzt verlassen Sie uns, wo Sie die fundamentalen Themen der Urologie erkennen."
Weiterhin lernte ich, dass Männer mit roter Kopfbehaarung auch wirklich rote Schamhaare hatten. Auch diese Frage, die mir schon immer unter den Nägeln brannte, konnte ich nach dieser Station abhaken.
Und eins lernte ich auch. Sex im Alter war definitiv kein Konstrukt der Medien. Ich begleitete einen 82jährigen Mann zu einer urologischen Untersuchung. Er litt an Prostatahyperplasie, also an einer vergrößerten Prostata alias Vorsteherdrüse. Das Problem daran ist, dass die Prostata die Harnröhre einschnürt und die Leute zum Beispiel nicht mehr richtig Wasser lassen können. Naja...nach der Untersuchung hatte sich die Diagnose bei dem Patient auch bestätigt und er sollte operiert werden. Auf dem Weg zurück zur Station, blieb er plötzlich stehen und sah vor sich hin. Besorgt berührte ich ihn am Oberarm und fragte, ob alles in Ordnung sei. Er blickte zu mir und hatte Tränen in den Augen. "Kann ich nach der OP noch Sex haben? Meine Frau verlässt mich, wenn ich es ihr nicht jeden Tag besorge." Wow. Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.
2 Jahre später traf ich zufällig einen Patienten beim Einkaufen. "Ach hallo! Können Sie sich noch an mich erinnern?" Ähm...nein?! Sollte ich? Ich schüttelte den Kopf. "Ich lag auf der Urologie und sie waren die Schwester, die so gut Katheter legen konnte. Das hat richtig gekitzelt. Und sie haben mich auch ganz toll untenrum gewaschen." Wush. Ich merkte, wie mein Gesicht zu glühen anfing, als sich jemand neben mir räusperte. Mein Mann stand neben mir und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Was er wohl jetzt dachte? Ich sah wieder zu meinem ehemaligen Patienten. "Ähm. Danke. Schön, dass es...ähm...Ihnen gefallen hat?" Er bedankte sich auch noch mal und ging weiter. Strange.