Alice hielt den Atem an, als die Gestalt mit einer Anmut, die man seiner breiten und muskulösen Statur nie zugesprochen hätte den langen Gang entlang schritt. Der Blick seines Auges war starr nach vorne gerichtet und kein Lächeln zeigte sich auf den ernsten Zügen. Alle Köpfe wandten sich ihm zu und verfolgten seinen langsamen Gang zum Thron.
Der Priester breitete weit seine Hände aus und legte sie dem Mann auf die breiten Schultern. „Bist du, Sohn der Götter, bereit ihre Prüfung zu bestehen?‟
„Ja das bin‟, grollte Knox Stimme durch die ansonsten totenstille Halle, „Ich bin bereit zu bestehen … aber auch zu versagen wenn es die Götter so wollen.‟ Seine Miene blieb starr und zeigte kein Anzeichen von Furcht oder Sorge. Der Priester nickte verkniffen, verdrossen über Knox außerplanmäßige Ergänzung der zeremoniellen Worte und trat ihm aus dem Weg. Er deutete zu dem goldenen, reich verzierten Thron und Knox setzte sich ohne Zögern auf die glatt polierte Sitzfläche. Seine Arme lagen ruhig auf den glänzenden Lehnen, während sich seine Hände fest, um die Löwenkopf-Verzierungen an ihren Ende ballten.
Seine Knöchel traten hell unter der dunklen Haut hervor, und wer ihn aus der Nähe gesehen hätte, hätte die Schweißtropfen bemerkt, die auf seiner Stirn glitzerten. Er nickte dem Priester fest entschlossen zu und richtete den Blick stur geradeaus.
Der Zeremonienmeister wandte sich von Knox ab und nahm die Krone von einem bestickten Samtkissen, welches ihm ein Diener unterwürfig reichte. Er hielt das goldene Artefakt mit den silbernen Applikationen und Saphiren in die Höhe, sodass alle seine Schönheit bewundern konnten, bevor er mit ihm in den Händen vor den Thron trat. Der Priester strich liebevoll über das blanke Metall, ehe er sie nur eine Handbreit über Knox Schädel hielt. Abermals sah er den ehemaligen Feldwebel prüfend an, der ihm stumm sein Einverständnis zusicherte. Vorsichtig ließ der Zeremonienmeister die Krone auf Knox dunkles Haupt sinken und trat einige Schritte zurück.
Alice ballte sie Hände zu Fäusten und biss sich nervös auf die Lippe. Keeda neben ihr ließ unaufhörlich ihre Knöchel knacken, während Harbek mit erstarrter Miene zum Thron blickte. Sie alle hatten gesehen, was die Krone denjenigen antat, die sie nicht für würdig erachtete und der Gedanke, dass mit Knox das Gleiche geschehen könnte, war furchterregend.
Seine Wahl zum König hatte bereits vor mehreren Wochen stattgefunden und war reine Formalität, wie Keeda fand. Seit der Schattenschlacht hatte der Feldwebel die Aufgaben Neverembers übernommen, hatte die Soldaten neu formiert, den Frieden mit den Orks gefestigt und Nachricht in die entlegensten Orte des Landes geschickt. Zwar hatte Knox immer bestritten nach der Krone zu streben und hatte die Wahl zunächst abgelehnt, doch nach langen Gesprächen mit seinen jetzigen Beratern und den Helden von Neverwinter, wie er sie noch immer nannte, akzeptierte er die Wahl des Volkes. Sie hatten ihn förmlich angefleht die Zeremonie zu verweigern, aber wenigstens das, sei er dem Land schuldig, hatte er ihnen geantwortet. Er wolle sich als würdig erweisen und könne die Ungewissheit nicht ertrage.
Keeda schnaubte abfällt, besser unwissend als tot, hatte sie geantwortet, doch Knox wollte sich nicht von der Krönung abbringen lassen. Nun saß er dort auf dem goldenen Thron und hatte die Augen ergeben geschlossen, auch er musste an Neverembers qualvollen Tod denken.
Kein Laut war zu hören, während sie alle auf ein Zeichen der Ernennung warteten. Selbst der Priester wirkte nervös und schnappte erschrocken nach Luft, als die Saphire zu glühen begannen. Knox vernahm die wachsende Unruhe und seine Stirn warf tiefe Falten. Das Leuchten der Steine nahm zu, bis man glaubte, Knox sei mit einer blauen Sonne gekrönt.
Der Feldwebel rührte sich noch immer nicht, kein Laut des Schmerzes verriet die Wirkung des Fluches und kein erleichtertes Aufatmen des Priesters das Gegenteil. Allmählich erloschen die leuchtenden Saphire und Knox öffnete verwundert die Augen. Er hob den Kopf und blickte sich im Thronsaal um, sein Blick wanderte über die gespannten Gesichter und blieb an seinen Helden hängen. Er sah sie unschlüssig an und stand langsam, mit gerunzelter Stirn auf. Sein Blick kreuzte sich mit dem des Priesters, der versonnen die Arme hob und sich langsam auf die Knie fallen ließ.
„Lang lebe der König‟, krächzte er heiser und senkte unterwürfig den Kopf. Nach und Nach taten es die Umsehenden gleich, bis sich alle Anwesenden in tiefer Ehrfurcht vor ihrem neuen Herrscher beugten.
Der Gesang gewaltiger Glocken verkündete den Beginn einer neuen Herrscherschaft und das Ende der Krönungszeremonie. Knox ließ sich wieder auf seinen prunkvollen Thron sinken, während die Zuschauer nach draußen getrieben wurden, wo man ein großes Festmal mit Musik und Tanz veranstaltete. Lagerfeuer brannten in eisernen Schalen, an denen die neuesten Geschichten und Heldentaten der Schattenschlacht erzählt wurden, nicht zuletzt die, von Valindras Tod und den Helden der Nacht. Feuerspucker erleuchteten die aufkommende Dämmerung und brachten die Menschen zum Jubeln und Lachen.
Der Thronsaal lehrte sich allmählich, lediglich die Mitglieder des Ehrenbereichs blieben zurück, um sich dem König nacheinander vorzustellen und, um seine Gunst zu wetteifern. Knox empfing sie höflich, aber reserviert. Die Adligen zogen sich tief gebeugt zurück und verließen ebenfalls die Halle der Gerechtigkeit.