Aus Schwärze erwach ich - allein und weich gebettet
Die Wunden versorgt, doch ans Lager gekettet
Seit Monden bin erstmals selbst wieder ich
Und Schuld erfasst mich gar fürchterlich
Ich kann nicht glauben, was geschah
Wenngleich mit eignen Augen ich’s sah
Ich will nicht glauben, was ich getan
Denn dich zu morden, das war mein Plan
Ein Quäntchen nur, dann wär's gelungen
Dein Tod und auch der der Jungen
Und dennoch schontest du mein Leben
Hast deine letzte Chance vergeben
Denn ich spür das Monster nagen
Tief in mir und ohne Verzagen
Die Bestie, die – sobald erwacht
Endgültig dir den Garaus macht
Das Untier, das ein Teil von mir
Seit jeher giert nach Blut von dir
Der Dämon, der mir Fluch und Bann
Den nur ich bezwingen kann
Den ich endlich muss erschlagen
Denn er lässt sich nicht verjagen
Darum gibt’s nur einen Weg
Denn er ist, solange ich leb
Links und rechts zwei tiefe Schnitte
In mir reift die dunkle Bitte
Ein Strom, der alles beenden soll
Ein Ende, so bitter und leidensvoll
Der Entschluss, er steht fest, ich hole tief Luft
Dann ramme ich in mich mit großer Wucht
Meine Krallen, die brachten so viel Schmerz
Hinein in den Brustkorb und mitten ins Herz
Tränen der Trauer, Tränen der Wut
Fressen sich in mich bis aufs Mark und aufs Blut
Qualen, die niemals zuvor ich gekannt
Blau rinnt in Strömen von meiner Hand
Jäh tritt aus dem Nichts ein Knabe heran
Schwarz wie die Nacht, auf den Lippen einen Bann
„Versager! Verräter! Wie tief bist du gesunken?“
Zarte Hände mich würgen, die Augen hasstrunken
Ein Mann kommt hinzu – von Feuer umgeben
Zieht von mir die Finger, die ersticken mein Leben
Der Junge, er wütet, er tobt und er schreit
Der Mann dahinter ringt mit sich die Zeit
Soll er den Knaben halten oder lassen?
Sein Blick bekommt den meinen zu fassen
Da trifft sein Schlag mich hart ins Gesicht
„Gibt’s keinen anderen Weg? Tu das nicht!“
Ein weiterer Mann tritt aus seinem Rücken
Alt und gezeichnet, läuft wie auf Krücken
Scheint silbern zu strahlen, von innen wie außen
Mein Anblick erfüllt auch ihn mit Grausen
„Überleg ihn dir gut, diesen endgültigen Schritt!“
In seiner Stimme schwingen Nachsicht und Wehmut mit
Seelenwund lächelnd sich seine Lippen verziehen
Während langsam die Lebensgeister aus mir fliehen
Ich sehe sie an, verstehe es nicht
Die nahende Ohnmacht vernebelt die Sicht
Der Ring an meinem Finger leuchtet und brennt
Als unser Band allmählich zertrennt
Mit letzter Kraft noch heb ich die Hand
Schreib flammende Buchstaben an die Wand
Wörter, die dich sollen verletzen
Dir einen Stich ins Herz versetzen
Warum und wieso wirst du nicht verstehen
Doch musst deinen eigenen Weg du nun gehen
Meinen letzten Wunsch – so grausam er ist
Erfülle ihn mir, auf dass du mich vergisst
Das Kreisen im Kopf wird dumpf und laut
Schwäche umfängt mich - so kalt und vertraut
Ein letzter Blick, dann schließ ich die Lider
Mein blauer Arm fällt aufs Laken hernieder
Der Knabe, der ich einst gewesen
Der Mann, der ich seit Langem bin
Der Alte, der ich nie mehr werde
Starren trostlos vor sich hin
Ich hör euch hämmern, hör euch rufen
Die Tür, sie bricht entzwei
Doch vergebens, ihr kommt zu spät
Der Kampf
Er ist
Vorbei
© Noia, 30.10.2016
---------------------------------------------------------------------------------