(Béilo)
Die Elben und Chase brachten die Schlafenden in die kleine Wohnung und legten sie auf die Sessel, die im Wohnzimmer standen. Es hatte sich kaum etwas verändert in dem kleinen Gebäude. Die Küche grenzte noch immer ans Wohnzimmer mit den alten Ebenholzmöbeln und dem seltsamen runden Tischchen in der Mitte, dass von einigen Sitzgelegenheiten umgeben war. Im Kamin war ein wärmendes Feuer entzündet. Daniel kam mit einigen Teetassen und Tee zu uns. Usongu und seine Leute machten es sich um den Mitteltisch auf dem Boden gemütlich, während ich es vorzog bei Káilanba stehen zu bleiben. Chase und Funny saßen neben den Couches bei ihren Freunden.
"Oje, was ist denn mit denen passiert?" erkundigte sich der Dok besorgt, als er nachdem der Tee unter die Leute gebracht war, die Schlafenden untersucht hatte. "Oh... ist sie das? Cenishenta?" Chase nickte. "Sie ist wirklich so schön, wie Flash sie beschrieben hat." Er hielt inne. Sein Blick war auf Usongus Verbände fixiert. "Um Himmels Willen, welche Verletzungen haben sie erlitten, dass man sie so einwickeln musste?"
"Dämonenflüche." antwortete dieser amüsiert. "Aber keine Sorge, die Wunden wurden von unserem Catalanen Pedro bereits gut behandelt."
"Catalane? Er spricht Spanisch? Vielleicht kann ich auf meine alten Tage doch noch etwas lernen..." Einen Moment wirkte Daniel abwesend, tauchte aber eben so schnell aus seiner Trance wieder auf, wie er in sie versunken war. "Nun ja, aber zuerst erzählt mir doch bitte mal jemand ausführlichst wie es zu diesem Schlafdilemma gekommen ist." forderte er. Man erwählte mich, diese Aufgabe zu übernehmen, da meine Augen am besten gesehen haben sollen, was vorgefallen war. Also berichtete ich von dem roten Licht, dem Angriff der Monster und Flashs Rettungsaktion, bei der ihm der Hals verletzt worden war.
"Soso, der Dämon hat ihnen also sein Gift injiziert..." stellte er fest.
"Heißt das, sie verwandeln sich in Monster?" Ängstlich griff sich Funny unbewusst an den Arm.
"Nun, nein. Da der Dämon tot ist, ist es lediglich möglich, dass sie sterben." Erschrocken starrten wir ihn an. "Natürlich nur, wenn man nichts unternimmt!" winkte er ab.
"Aber das Monster, dass mich damals verletzt hat, war doch auch tot. Und trotzdem..." begann Funny.
"Du musst den Unterschied zwischen einem Dämon und einem Monster begreifen, um das zu verstehen. Ein Steinklotz ist nur ein Medium. Ein durch einen bösen Willen zum Leben erweckter Fels. Demnach kann er nicht sterben, nur wieder zu leblosen Fels werden. Das was dich vergiftet hat, war nicht der Klotz, sondern der böse Wille. Ein Dämon dagegen kann sterben und wird nicht gelenkt. Sein Gift wirkt durch seinen Geist und wenn dieser tot ist, ist auch das Gift wirkungslos." erklärte der Dok geduldig.
"Aber warum sind sie dann noch nicht wach, wenn der Dämon doch tot ist und das Gift keinerlei Wirkung mehr hat?" wollte Elias wissen.
"Das ist eine Frage der Geistesstärke. Das sie noch nicht wach sind liegt daran, dass sie noch nicht stark genug sind, mit der Situation, in der sie sich befinden, klar zu kommen. Erst wenn sie akzeptiert haben, dass es ist wie es ist, werden sie einen Weg durch das Labyrinth des toten Geistes nach draußen finden und aufwachen."
"Sie sagten, wenn man nichts tut, sterben sie. Also was müssen wir für sie tun, um dieses Übel von ihnen fernzuhalten?" meldete sich Simon zu Wort.
"Sie ernähren, sie pflegen und darauf hoffen, dass sie den Weg schnell finden. Versteht ihr? Die Todesgefahr besteht allein darin, dass sie Verhungern oder Verdursten werden, wenn man sich nicht um sie kümmert." belehrte uns der Dok.
"Durch einen toten Geist zu wandern muss schwer sein, können wir ihnen nicht einen Anhaltspunkt geben. Bestimmte Umweltbedienungen zum Beispiel, die ihnen bekannt sind?" erkundigte sich Elias.
"Ein guter Vorschlag." stimmte Dan zu. "Das Beste scheint zu sein, wenn ihr so schnell wie möglich ins Schloss zurückkehrt. Wie gesagt, scheint... eigentlich würde es vermutlich mehr nützen, ihren Seelen eine kleine Erholungspause zu gönnen. Zumal wir nicht wissen, ob sie überhaupt schon Kenntnis über ihre Lage haben. Bis zu diesem Zeitpunkt können, Tage oder gar Wochen vergehen."
Nachdenklich kratzte er sich am Kinn.
"Und wie erkennt man es, wenn sie diesen Punkt erreichen?" wollte Chase wissen.
"Ganz einfach, sie werden beginnen sich im Schlaf zu bewegen. Haben sie sich schon gerührt?"
"Nein, keine Zuckung..." trist beobachtete er seinen besten Freund.
*Klopf, Klopf*
"Ach, sind sie schon zurück?" murmelte Daniel, erhob sich schwerfällig aus dem Sessel und stapfte zur Tür.*
(Chase)
Die Wiedersehensfreude schien noch größer geworden zu sein, als Kevin den beiden Snift um die Hälse fiel.
"Der Junge gefällt mir, Boss. Er kann gut mit Waffen umgehen." ließ Marselion eine unbedachte Bemerkung fallen, die uns alle sehr erstaunte.
Kevin wurde ein bisschen roter im Gesicht: "Ach was, wer so nah am Wald lebt, muss sich schließlich wehren können, nicht war, Funny?" Lachend zog er Eisenstäbe an Ketten aus seiner Kleidung, die sich übrigens mehr als verändert hatte:
Seine Schlabberhosen waren eng anliegenden, blauen Hosen gewichen und sein Hemd ähnelte dem des Doks, kariert und robust. Der Dok dagegen sah noch immer aus wie damals: sein grün braun kariertes Hemd und die blaue Hose saßen wie angegossen.
"Nachdem ihr weg wart, hat er fleissig trainiert und hilft Omagi jetzt immer beim Kräuter sammeln." sagte Daniel stolz. Es wurden noch viele solcher Nichtigkeiten besprochen, die hier nicht im Einzelnen erläutert werden müssen. Schließlich aber lenkte Mr. Burner das Gespräch wieder auf unser Problem:
"Kevin, du kannst doch ein bisschen Spanisch, nicht wahr?"
"Si, Senor." nickte der junge Mann. Pedro horchte auf, als er seine Muttersprache aus einem anderem Mund als dem seinen vernahm.
"Puedes comprarme?" Aufgeregt sprang er auf und sprudelte wie ein Wasserfall auf den armen Ikura ein. Wir verstanden nur Bahnhof, bis uns Kevin erklärte, er wolle mit Pedro ein bisschen reden und würde uns später die Übersetzung liefern. Ich musste gähnen.
"Ich bin müde, gehen wir schlafen, Schatz?" fragte ich Funny und stand auf. "Dok, wo können wir uns hinlegen?"
"Oh. Wir haben noch einige Matratzen auf dem Dachboden, wenn ihr schon schlafen wollt." Er führte uns die Treppe hinauf. Funny war still geblieben, offenbar ebenfalls zu müde um noch etwas von sich zu geben. Wir legten uns in den gemütlichen Haufen aus Federbetten und Decken und schliefen selig ein.*
(Káilanba)
"Er meint, es sei gefährlich sie wecken zu wollen, man solle sie unbedingt ausschlafen lassen und auf keinen Fall zum Erwachen zwingen." übersetzte Kevin. "Ach ja, ich soll Usongu ausrichten, dass er sich nicht mehr so oft unüberlegt in Gefahr begeben soll." fügte er hinzu und lachte angesichts des verdutzten Ausdrucks auf dem Gesicht des Bosses.
"Als ob ich da was dafür könnte..." brummelte er. "Ähm... Mr. Burner, haben sie Hochprozentiges?
Sie wissen schon, Alkohol."
"Ich verstehe." Gutmütig lächelnd holte der Dok ein gutes halbes Dutzend Flaschen aus seinem Keller.
"Lasst uns feiern! Auf die Wiederkehr alter Freunde und auf die neuen Bekanntschaften!" Während die anderen anstießen, stahl ich mich zusammen mit Béilo und Kevin vor die Tür. Es war eine klare, kalte Nacht und die Sterne leuchteten vom Firmament. Zum Glück hatte ich mir eine Decke mit genommen.
*Groar!*
"Uahhh!!!" Ich musste lachen. Als der kleine Silbergrünling hinter dem Haus hervor flog, erschrak Béilo fürchterlich.
"Hohoho! Ganz ruhig, Lofal, ruhig. Komm her, mein Junge." Kevin kam aus dem Haus und beschwichtigte den verschreckten Drachen. "Was ist denn los?"
"Ist das etwa der vom Monatsmarkt?" fragte mein Artgenosse entgeistert.
"Klar, du hast doch gesagt, ich soll ihn kaufen. Aber seit wann hast du Angst vor Drachen?" gluckste der Junge.
"Hab ich gar nicht! Ist Es eine Sie oder ein Er?" verteidigte sich der Snift beleidigt.
"Ein Er."
"Na Vahul sein Dank..."
"Was?" Verständnislos starrte Kevin seinen Freund an.
"Das ist ne lange Geschichte, erzähl ich dir später mal... Wuaah..." Mit Schwung stieß sich Lofal von der Erde ab und stieg wieder gen Himmel. Unsere Blicke folgten ihm...
"Sieh mal, Catpa. Der kleine Haufen da mit den zwei Großen und dem daneben." faselte Kevin.
"Was redest du nur für Zeug zusammen, Kev." erschöpft sah ich zum Nachthimmel empor.
"Nein, nein, er hat Recht. Schau mal da!" Béilo griff wieder nach meiner Hand, auch diesmal zitterte sie, als er mir durch meinen Arm die Richtung anzeigte. "Frierst du?" fragte er, wartete meine Antwort aber gar nicht erst ab, sondern umschlang mich mit seinem warmen Körper. Jetzt zitterte ich noch mehr, aber aus einem anderen Grund.
"Soll ich euch alleine lassen?" erkundigte sich Kevin frech.
"Nein." "Ja" sagten ich und Béilo gleichzeitig.
"Äh, ja alles klar." lachte der Junge nur und verschwand wieder im Haus, aus dem lauter, derber Zwergengesang drang.
"Béilo, ich..." "Káilanba." Flüsterte er mir ins Ohr. Eine Welle sanfter Schauer ergriff mich. Eine Weile standen wir einfach nur da und betrachteten die wandernden Sterne. Plötzlich lachte er.
"Weißt du, wer der Haufen mit den zwei Großen und dem daneben sind? Es ist eine Sniftfamilie mit einem Kind, dass eigentlich irgendwie nicht dazugehört und trotzdem ein Teil der Familie ist." Er holte tief Luft. "Káilanba, was ich jetzt sage, sage ich nicht, weil wir vielleicht die letzten unserer Art sind. Und glaube mir, ich habe überall gesucht, ich sage es auch nicht im Sinne unserer alten Sitten, sondern du hast deinen freien Willen und den werde ich dir nicht nehmen." Er legte eine Pause ein. In mir brodelte alles, weil ich wusste, dass er auf die alte Regel anspielte, bei der die Frau den Mann versprochen war, der ihr ES zuerst gestand, so fern der Vater den Freier akzeptierte. Aber er hatte Recht, ich war frei von dieser Pflicht...
"Mao ti-lem." Er sah mir fest in die Augen, diese wunderschönen braunen Katzenaugen. Es fühlte sich an, als wolle sich jedes einzelne meiner Fellhaare aufstellen. Endlich hatte er es gesagt. Wie lange hatte ich darauf gewartet, wie lange lag ich ihm Zweifel ob ihn mehr als unsere Art mit mir verband.
"Mao ti-lem ka." Ich spürte wie die Anspannung aus ihm wich und er mich in die Arme schloss. Diese wunderbaren, starken, warmen Arme, die mich in der Hölle der Finsternis so oft gerettet hatten. In diesem Moment war ich das erste mal in meinem neuen Leben wunschlos glücklich.