Thorstein hatte Rúna zuerst nur ungläubig zugesehen, als diese sich bedächtig vor seinen Augen auszog. Nur wenige Tage waren seit ihrer Schändung vergangen und der Steuermann war sich in diesem Moment überhaupt nicht sicher, ob sie wusste, was sie da gerade tat und ob sie, wenn er ihrer Verführung später nachgab, das empfinden konnte, was er sich für sie wünschte. Doch er konnte sie auch nicht zurückweisen, um sie zu schützen. Es war ihre Entscheidung und er konnte nur hoffen, dass sie nicht vollkommen zusammenbrach, wenn das hier doch zu viel für sie wurde.
Der Krieger nahm sich vor, Rúna so viel Zärtlichkeit zu schenken wie er konnte und ihr alle Zeit der Welt zu geben, um sich auf die Vereinigung mit ihm vorzubereiten. Innerlich nahm er sich vor, ihr mit keinem Wort und keiner Geste wehzutun, wenn sie sich doch noch zurückzog. Das würde eine schwere Nacht für sie beide werden! Erneut verfluchte Thorstein in Gedanken den Mann, der seine schöne Gefährtin so gezeichnet hatte.
Als sie begann, ihn durch den Stoff seiner Skjorta hindurch zu streicheln, zog er Rúna näher zu sich und brachte sie schließlich mit sanftem Druck auf ihre Hüften dazu, sich auf seinen Schoß zu setzen. Das weite, helle Leinenunterkleid verbarg ihren Oberkörper mit Ausnahme der Schultern und obwohl es durch ihre sitzende Haltung hochgerutscht war, bedeckte es fast ihre gesamten Oberschenkel. Noch würde sie sich sicher nicht unwohl fühlen.
Thorstein atmete tief durch. Ungewollt erinnerte er sich daran, wie er Snót geliebt hatte, als diese sich trotz hochschwangerem Bauch nach seinen Zärtlichkeiten gesehnt hatte. Vorsichtig und sanft - so wollte er heute auch mit Rúna zusammen sein.
Er begann damit, dass er ihre Rechte ergriff, die immer noch auf seiner Schulter lag. Die kleinen Finger bedeckten nicht einmal seine ganze Handfläche, als er sie aufmerksam betrachtete und dann ihre Hand streichelte. So zart war diese Hand und doch auch so stark! Bedächtig zog er ihren Handrücken an seinen Mund, drückte ihr einen Kuss darauf und verwöhnte auf diese Weise nach und nach jeden ihrer Finger. Dabei raunte er ihr zu, wie sehr ihm gefiel, sie so nah bei sich zu spüren.
Dasselbe Spiel ließ er wenig später ihrer Linken angedeihen und wandte sich dann ihrer Handfläche zu.
Rúna sollte fühlen, dass sie ihm mehr bedeutete als ein nächtliches Liebesspiel. Als er aufsah, fand er ihren Blick konzentriert auf sich liegen. Sie erschien ihm entspannt und ganz mit ihren Gedanken bei ihm. Also ging er einen Schritt nach vorn, legte ihre beiden Hände auf seinem Brustkorb ab, sodass sie durch den dünnen Stoff sein Herz fühlen konnte und näherte sich mit seinen Lippen dann ihrem Gesicht. Doch es war nicht sofort ihr Mund, dem er seine Zärtlichkeiten zukommen ließ. Ein Kuss auf die Stirn seiner Gefährtin war der Beginn einer langen Liebkosung ihres ganzen Gesichts und Thorstein war glücklich, als Rúnas Hände begannen, schüchtern über seine Brust zu streichen, während sie sich an seine Lippen schmiegte und schließlich ihre Stirn an seine presste.
Der Krieger fuhr nun mit beiden Händen in das offene lange Haar seiner Gefährtin und genoss, wie es weich und seidig durch seine Finger glitt. Wieder flüsterte er ihr seine Empfindungen zu und Rúna nahm das leise, liebevolle Gespräch auf. Sie könne fühlen, wie sein Herz schlage, ließ sie ihn wissen. Dann ließ sie ihren Kopf ein wenig tiefer sinken, um diesem stetigen Rhythmus auch zu lauschen. Stark sei dieser Klang, verriet sie Thorstein, und für sie unheimlich beruhigend und wohltuend, wenn sie nachts erwachte und er neben ihr schlief. Dann würde sie seinem Atem lauschen und sich an seine Brust schmiegen und mit eben jenem Klang zurück in den Schlaf finden.
Still lächelte der Steuermann bei diesem schüchternen Geständnis. Sie sollte sich in jeder Nacht, die er bei ihr sein konnte, bei ihm wohlfühlen. Doch nun hatte auch er den Wunsch zu hören, wie Rúnas Herz für ihn schlug. Geduldig begann er, von ihrem Nacken ausgehend, ihre Schultern zu streicheln, Oberarme, Ellenbogen …
Als sie aufsah, verwickelte er sie in einen neuerlichen Kuss. Und irgendwann hatten sie die Positionen getauscht und nun war es Thorstein, der Runas Herzschlag lauschte. Das stetige Auf-und-Ab ihres Brustkorbs kündete ebenso wie der leise, schnelle Rhythmus an seinem Ohr davon, dass seine Geliebte lebendig und warm in seinen Armen lag.
Und dann, mitten in die stille, warme Idylle drängte sich ein für Thorstein unerwartetes, überraschendes Bild. Bei dem Gedanken, dass seine Frau heute weitestgehend unversehrt und lebendig in seinen Armen lag, erschien ihm ein Bild von Rúna, in dem sie bläulich verfärbt, aufgedunsen und leblos kopfunter von den Wellen auf den Strand gespült wurde. Ihr nackter Körper war, wie auch in der Wirklichkeit, von blauen Flecken verunstaltet und die aufkommende Flut stieß ihr schönes Gesicht immer und immer wieder in den Sand, von dem ihre leeren Augen bereits gefüllt waren.
Entsetzt öffnete Thorstein seine Augen. Nur ganz wenig hatte gefehlt, dass diese Vision Wirklichkeit geworden wäre. Wenn Rollo ihr nicht nachgeschwommen wäre, würde Rúna längst vom Meer verschluckt worden sein oder als Stäubchen Asche auf den Wellen schwimmen. Eine Gänsehaut lief dem Steuermann über den Rücken. Nur ganz knapp waren sie diesem Schicksal entkommen!
Erschüttert zog er seine Rúna enger an sich. Auch sie spürte, dass sich etwas bei ihrem Gefährten verändert hatte. Auf ihre leise Frage, woran er denn gedacht habe, antwortete er ebenso leise aber ehrlich. "Ich brauche dich, Rúna", schloss er mit einem Seufzen. "Schon der Gedanke, dass ich dich an das Meer verloren haben könnte, versetzt mich in Angst und Schrecken!"
Und vielleicht war es gerade Thorsteins Ehrlichkeit in diesem Moment, die Rúna noch für den letzten Schirtt gefehlt hatte. Entschlossen zog sie ihren Steuermann enger an ihren Körper. Als er dem wohlig nachkam, war sie es, die ihm nun ihrerseits Zärtlichkeiten schenkte. Ihre Hände krochen unter seine Skjorta und nachdem sie Brust und Rücken ihres Steuermannes ausgiebig verwöhnt hatte, zog sie ihm das Kleidungsstück über den Kopf. Dann stand sie von seinem Schoß auf und trat einen kleinen Schritt zurück.
Mit einem leichten Drücken an seinen Schultern ließ sie ihn wissen, dass er es sich nun auf dem Lager bequem machen sollte. Und als Thorstein dem nachkam und sich hinlegte, zog sie eine dicke Schafpelzdecke über ihn. Dann, als der Krieger schon mit einem Ende ihres Liebesspiels rechnete und sich damit auch abfand, ging Rúna auch noch den letzten Schritt. Es lag nichts Herausforderndes oder Neckendes in ihrem Blick, als sie Thorstein in die Augen sah. Nur Ernst und eine feste Entschlossenheit sahen ihm entgegen, als Rúna den Saum ihres Unterkleides ergriff und es sich über den Kopf zog. Dann löschte sie die beiden Tranlampen und im tiefen Dunkel der Nacht kroch sie zu ihrem Gefährten unter die Felle. Mit einem ergebenen Seufzen schmiegte sie sich an ihn und nahm das Spiel ihrer Hände dort wieder auf, wo sie es unterbrochen hatte.
Und Thorstein blieb in dieser Nacht weiter geduldig. Nichts ließ Rúna darauf schließen, dass er sie auch nur im Geringsten bedrängte. Er überließ ihr weitestgehend die Führung bei ihrem Liebesspiel und als sie schließlich bereit war für ihre erste Vereinigung nach jener unsäglichen Nacht, blieb er auch hierin der gebende Teil. Hatte sie die Ekstase am Abend nach Hörmeiteidr wie eine reißende Welle inmitten eines Sturms überrollt, so war dieses Gefühl nun eher mit einem Bad in warmem Wasser an einem Sonnentag zu vergleichen. Es war anders als alles, was Thorstein jemals bei einer Vereinigung gefühlt hatte und wurde noch gesteigert, als er spürte, dass auch Rúna von diesem unglaublichen Wohlgefühl davongetragen wurde.
Danach ruhte sie vollkommen erschöpft auf seiner Brust, das lange Haar auf seinen Schultern ausgebreitet und nichts in der Welt hätte Thorstein dazu gebracht, seine Gefährtin in dieser Nacht noch einmal loszulassen. Diese letzte Grenze, die sie gemeinsam überwunden hatten, machte sie nun zu wirklichen, von Herzen verbundenen Gefährten.