Dorian kniff die Augen zu, Schweiß lief ich über den Nacken und den Rücken hinunter. Sein Atem ging stoßweise und das Herz schlug ihm bis zum Hals. Ihm wurde schlecht als er die Lider wieder aufschlug und auf den schwarzen Lauf der Pistole starrte. Die Zeit schien für den Bruchteil einer Sekunde stillzustehen, um gleich einen Satz nach vorne zu machen. Gerade noch schaute Dorian auf die Waffe und in das feixende Gesicht seines Gegenübers, als seine Umgebung in Chaos stürzte. Instinktiv wanderte sein Blick zu der Treppe, wo die Kellerluke mit einem lauten Knall gegen die Wand schlug und alle zusammenzucken ließ. Seine Augen weiteten sich, so wie die aller anderen, und sein Mund blieb offenstehen. Er wollte schreien, dass Josh verschwinden solle, aber da war es bereits zu spät.
Den Schrei der kaum zwei Sekunden später erklang würde er nie vergessen.
Joshs Körper reagierte vor seinem Verstand. Als er sah wie sein Cousin die Waffe gegen die Stirn gedrückt bekam und ergeben die Augen schloss, bereit zu sterben, verabschiedete sich sein Gehirn, und mit ihm seine Angst. Er schlug die Tür laut auf und sprang todesmutig die Stufen der Gittertreppe hinab. Alle Gesichter wandten sich ihm augenblicklich zu, einige verwirrt und zornig, Dorian hingegen mit offener Bestürzung. Sie alle waren von seinem plötzlichen Auftauchen derart überrascht, dass sie nur langsam in Bewegung kamen und reagierten. Die Stirn des bewaffneten Mannes zog tiefe Falten und seine Lippen kräuselten sich verärgert. Cedrik trat noch enger an die Wand, seine Augen weiteten sich und er verbarg sich hinter seinem hünenhaften Freund, der als erster auf Josh zukam. Ein mörderisches Funkel erklomm in seinen Augen, doch seine Aura blieb unverändert starr.
Josh wusste nicht was er tun sollte, er war in der Unterzahl und als er der Hüne nach seinem Kragen griff klammerte er sich mit aller Kraft an dessen Aura fest, wenn er sie trüben könnte oder zumindest den Zorn in Angst verwandeln, hätte er eine Chance. Eine verschwindend geringe Chance, aber immerhin.
Der Riese zog ihn an seine Brust und noch ehe sich Josh wehren konnte legte er den stämmigen Arm um seinen Hals. Die Luft wurde ihm aus der Lunge getrieben und abgeschnürt, sein Sichtfeld verschwamm und er biss sich zornig auf die Lippen. Er konnte die Aura seines Angreifers so deutlich wie seine Arme an der Kehle spüren, sie war starr, kalt und unnachgiebig. Entschlossen griff er nach den Handgelenken, ein Funken sprang auf die verhärmte Haut über und zuckte durch die grünen Nebelschleier. Siegessicher erhöhte Josh seine Anstrengungen, um sich aus dem Griff zu winden, aber mit Schrecken stellte er fest, dass sich die Schwaden ohne die Farbe zu wechseln schlossen. Der Funke blitze kurz auf, bevor er wie eine Flamme erlosch, der man den Sauerstoff nahm.
Krampfhaft versuchte er zu atmen und bekam nur am Rande den irritierten Gesichtsausdruck des Anführers und den Schock in Dorians Augen mit. Der Bewaffnete hob die Hand und augenblicklich ließ der Hüne ihn auf den Boden fallen, wo er keuchend zusammensackte. Er verfluchte sich selbst für seine tollkühne Rettungsaktion, die wie alles anders, schiefgegangen war. Ein Lachen ließ ihn auf und in das verwunderte Gesicht des Anführers blicken, der schmunzelnd über ihm aufragte. Die Waffe trug er locker an seiner Seite und bedeutete ihm zu sprechen, ein fragender Ausdruck lag in seinen kleinen, bösartigen Augen.
„Wen haben wir denn hier?“, säuselte er mit kratziger Stimme und grinste breit. Josh erwiderte den Blick finster und kniff entschlossen die Lippen zusammen. Seine Augen huschten zu Dorian, der ihn mit Schrecken ansah und fassungslos den Kopf schüttelte. Cedrik trat zögernd vor und zuckte unsicher mit den Schultern, während er auf ihn zeigte.
„Das ist der Feigling, von dem ich Ihnen erzählt habe.“
„Seine Ohren müssen geklingelt haben“, grinste der Bewaffnete ohne Cedrik anzusehen, stattdessen starrte er mit freudigem Grinsen auf Josh hinab. Wie eine Katze, die über einer Maus aufragte und sich fragte, was sie zuerst abbeißen sollte. „Womöglich ist er kooperativer als sein Freund.“ Er ließ sich in die Hocke vor Josh nieder der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Brustkorb rieb. „Hast du auch einen Namen?“
Josh sah ihn noch immer finster an, während er überlegte, wie er sich aus dieser Sache herausreden könnte, aber wenn dies nicht einmal Dorian gelungen war, wie sollte er es schaffen? In den Filmen, die er sich wieder und wieder ansah, wurde der Held zwangsläufig irgendwann gefangengenommen und behielt in jeder Gefahr sein unerschütterliches Selbstvertrauen.
Er atmete tief durch, hoffte, dass das Zittern seiner Stimme nicht allzu sehr zu hören war und antwortete tunlichst unbekümmert: „Keine Ahnung, hast du einen?“ Als schlagfertig hätte ihn niemand bezeichnet, aber er war bereits stolz, dass er trotz der Umstände einen klaren Satz zu Stande brachte.
„Du willst den Mutigen spielen?“, entgegnete sein Gegenüber und schüttelte verwundert den Kopf, „Nenn mich Gromow, du bist an der Reihe.“
„Josh. Was willst du von uns?“, murmelte Josh zaghaft und runzelte die Stirn. Er musste nur genug Zeit schinden, bis die Polizei erschein.
„Josh … Lass uns nach meinen Regeln spielen. Ich will wissen wie das Echo hergestellt wird, gib mir die Antwort, oder dein Freund stirbt. Was sagst du dazu?“
„Ich … ähm.“
„Antworte lieber, und sag nicht es wäre eine Zufallsmischung aus dem Medizinschrank.“
Josh öffnete den Mund und wechselte mit Dorian einen hilflosen Blick. Sein Cousin zuckte ratlos mit den Schultern und schüttelte den Kopf.
„Wir haben dieses Zeug genommen“, versuchte Josh zu erklären und sich eine glaubhafte Lüge auszudenken, „Sie wissen schon. Das weiße Zeug, wir haben es erhitzt und …“
Gromow stand seufzend auf und auch Josh erhob sich langsam, während er irgendetwas von Kondensieren und Erhitzen erfand. Er zuckte ratlos mit den Schultern, auch auf seine Stirn traten Schweißtropfen.
Gromow wandte sich kopfschüttelnd und mit gerunzelter Stirn von ihm ab und wechselte einen Blick mit dem Hünen. Er wandte sich an Dorian und bevor dieser ausweichen konnte hob er die Waffe.