Ricarda war so froh, dass Peter nicht lebensgefährlich verletzt worden war und sie noch heute zu ihm gedurft hatte. "Mir tut das voll leid!" Du bist jetzt wegen dem Golf um deinen geliebten Büffel gekommen. Der ist total kaputt!" - "So darfst du das nicht sehen, mein Hase. Sowas passiert wenns passiert. Es hätte genausogut passieren können, wenn ich eine Wurstsemmel kaufen hätte wollen. Dann könnte ich auch nicht die Semmel dafür verantwortlich machen. Eher noch die Batterie... Außerdem ist die Schuldfrage wohl klar, normalerweise sollte ich ihn ersetzt kriegen. Nur, ob ich wieder einen finde, der in einem solchen guten Pflegezustand ist? Die werden ja nicht mehr gebaut und eine neue GL- Klasse kann ich mir nicht leisten. Was solls? Ich könnte tot sein."
Ricarda merkte, dass Peter kaum atmen konnte. Er wollte es sich nicht anmerken lassen, aber der Besuch strengte ihn doch sehr an. Die ganze Zeit hatte sie ihn gestreichelt und jetzt, wo sie ihn losgelassen hatte, fehlte ihnen der Körperkontakt!" Ich werde heute nicht schlafen können Peter!" - "Versuche es, Ricarda! Freue dich darüber, dass wir uns gefunden haben und nun zusammen sind. Ein paar Tage Krankenhaus können uns auch nichts mehr anhaben." Ricarda fiel es sehr schwer, das Krankenzimmer zu verlassen, doch nach mehreren missglückten, verschmusten Versuchen fuhr sie dann doch nach Hause, wo sie Gottlob auch unbehelligt ankam.
Peter hatte von der Nachtschwester noch ein Schmerzmittel und etwas zum Einschlafen bekommen und dämmerte im Halbschlaf dahin. Der Fernsehmonitor, der direkt mit seinem Bett verbunden war hatte sein Teil beigetragen, dass er irgendwann eingenickt war, Stimmen aus dem Fernseher waren für ihn schon immer ein vorzügliches Schlafmittel gewesen. Als die Nachtschwester gegen halb zwei Uhr Nachts in sein Zimmer kam , schaltete sie ihn aus und schob ihn zurück ans Kopfende des Krankenbettes.
Irgendwann spürte Peter, das jemand seine Hand hielt. Er musste sich täuschen! Ricarda war nach Hause gefahren! "Bitte erschrick nicht!" Diesen Akzent kannte Peter nur zu gut! Sofort war er hellwach. Er versuchte den Lichtschalter zu greifen, doch er war nicht mehr da, wo ihn die Schwester hingehängt hatte. Er war samt der Klingel verschwunden. Irina machte Licht...
"Irina, was soll das?" - "Bitte Peter, Reg dich nicht auf! Ich tue dir nichts. Ich habe dir nie etwas getan. Ich habe dich immer nur geliebt..." Ihr Akzent war wie immer, ihre Stimmlage nicht! Sie sprach nicht verächtlich oder arrogant, wie sonst. Sie sprach ganz ruhig, ja traurig. Tränen liefen über ihr Gesicht. "Bitte verjag mich nicht! Ich kann nichts dafür, dass ich dich liebe. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals geweint zu haben. Ich kann mich erinnern, das mich mein Stiefvater an seine Freunde verkauft hat, dass er meiner Mutter davon Blumen gekauft hat, dass er mich nahm, wenn er Lust dazu hatte. Ich habe mit hundert Männern geschlafen, als ich es noch musste, aber geweint hab ich nie. Vielleicht als kleines Kind, aber nicht mehr, seit ich die Hure meines Stiefvaters war. Das ist lange her, Peter. Wirfst du mich jetzt hinaus?" Sie reichte ihm den Klingelschalter. "Was willst du von mir, Irina?" - "Ich möchte dir so vieles sagen. Ich werde dich nicht berühren, keine Angst! Auch wenn du der einzige Mann auf der ganzen beschissenen Welt bist, den ich begehre, mit dem ich jemals schlafen wollte. Ich sagte wollte, nicht musste! Ich schwöre dir, dass ich mich benehme. Ich habe begriffen, dass du die Kleine wirklich liebst. Darf ich weitersprechen, schöner Mann?"
Peter hatte nicht die Kraft zu schreien, deshalb war sie bis hierher gekommen. Nun hielt sie ihm die Klingel hin. Sollte er sie nehmen und läuten? Oder sollte er Irina ein einziges Mal zuhören. Seit Jahren war es ihr sehnlichster Wunsch gewesen nur einmal mit ihm allein zu sein... Ihm zu sagen... was sie nie jemals gesagt hatte...
"Du bist eben ein anständiger Mann. Du hättest mich jetzt rauswerfen lassen können..." - "Irina, warum ich? Ich habe dir von Anfang an nie getraut! Ich habe dir nie, wirklich NIE Hoffnungen gemacht. Wie konntest du dich in mich verlieben?" - "Du warst der einzige, der in mir nicht meine Brüste gesehen hat, meine schönen Beine, mein Haar! Du selbst hast mich oft als schön bezeichnet. Aber du hast sofort erkannt, dass ich eine Hure war!" - "Entschuldige! Das hab ich dich nie spüren lassen!" - "Siehst du! Alle wollten mich haben, manche glaubten ich MÜSSTE mit ihnen schlafen! Da war mal Einer, der nicht landen konnte, bei mir. Er hat mich gestoßen, so, dass ich stürzte. Es war im Felsenkeller! All die feigen Hunde haben getan, als hätten sie es nicht bemerkt! Männer, die mich jeden Tag umworben haben! Sie waren zu feige! Du hast mich nie gemocht. Aber du bist aufgestanden, hast mir aufgeholfen und hast dem Typen nur wortlos, böse in die Augen geschaut. Er hat sofort das Weite gesucht! Du hast mich zurück an meinen Tisch gebracht, und keiner hat sich so Etwas noch einmal erlaubt. Du wusstest dass ich eine Hure war, aber du hast nie zugelassen, dass man mich in deiner Gegenwart respektlos behandelt! Obwohl du mich nicht mochtest!" - "Als du zu uns kamst, kamst du nicht als Hure, und deine Vergangenheit kannte ich nicht! Das mit deinem Stiefvater ist arg! Aber ich hatte so etwas Ähnliches vermutet. Daran hattest du keine Schuld, und darüber stand keinem von uns ein Urteil zu. Dass du aber hier alle Männer verrückt machtest in der Absicht, sie auszunehmen, das hab ich dir am ersten Tag schon angesehen! Und das war ganz alleine DEINE kriminelle Energie, die dich für mich uninteressant machte. Das ist alles, was mich davon abhielt, verrückt nach dir zu sein. Du warst schön und du bist es heute noch. Aber ich werde dich nie lieben können! Auch wenn ich glaube, dass du, im Falle, dass du mich gekriegt hättest, dich vielleicht noch geändert hättest... Aber das ist Wunschdenken eines eitlen Mannes! Also vergiss es, Irina!" - "Ich habe geträumt davon, deine Frau zu werden, Mit dir Kinder zu haben... Ich hätte alles für dich getan. Ich habe lange geglaubt, wenn ich dich einmal ins Bett kriege, mache ich dich süchtig danach und du gehörst mir! Dann würde ich endlich eine anständige Frau sein, mit einem Mann, der in mir nicht die Hure sieht. Daran habe ich mich lange festgehalten! Solange du Single warst! Aber dann kam Ricarda! Mein Traum zerplatzte, wie eine Seifenblase! Und jetzt, nach so vielen Jahren, kann ich weinen! Um dich!" - "Irina, Leonhard liebt dich! Er hat dich nie als Hure gesehen! Er glaubte immer an die Frau in dir und respektierte dich! Er hat soviel schon toleriert, was du dir erlaubt hast und er behandelt dich immer anständig. Warum kannst du nicht einmal wirklich zärtlich zu ihm sein?" Wenn du mit ihm so vernünftig redest, wie jetzt gerade mit mir, dann verzeiht er dir alles. Du hast dich dein Leben lang selbst gefangen gehalten in einem Gehege, das dein Stiefvater gebaut hat. das Gatter steht schon lange offen, doch du rennst daran vorbei, wie ein Hund den Zaun entlangläuft. Du musst dein Herz für den Mann öffnen der dich liebt. Geh nach Hause und vernasch deinen Leonhard! Aber nicht als Hure, sondern als die Frau, die er liebt. Vielleicht, können wir dann doch nochmal sowas wie Freunde werden! Freunde, NICHT mehr! Benimm dich endlich so, dass alle dich als Frau respektieren und nicht als Hure! Sei Frau!" - "Glaubst du, Leonhard würde eine Entschuldigung annehmen?" - "Mach ihn süchtig! Nicht als Hure! Liebevoll und zärtlich, als seine Frau! Und vergiss mich! Ich gehöre Ricarda!" - "Ja, ich weiß, mein schöner Peter. Danke, das du mich hast weinen lassen..." - "Das, Irina, das macht dich zu der Frau, die ich respektiere. Gefühl, nicht Schauspiel! Wenn du diese Seite von dir zeigst, und nicht die Hure, kann dein Leben noch sehr schön werden!" - "Peter, darf ich dich zum Abschied küssen? Ich meine, nur auf die Wange?" - "Komm her, ich nehm dich in den Arm!" Irina beugte sich zu Peter und küsste ihn auf die Wange. Er hielt sie ein Wenig im Arm und küsste sie schließlich auf die Stirn! "Geh, und kämpf um deinen Leonhard! Vielleicht ist es noch nicht zu spät..."