Nadeschda IV – Phönix
Als Sue nach Hause kam, schwirrte ihr immer noch der Kopf. Aber dafür hatte sich etwas anderes beruhigt: Ihr Herz. Sie fühlte sich besser, ohne sagen zu können, dass sie sich gut fühlte.
Sie war Sue. Das war ein Anfang.
Nadjas Verschwinden war ebenso plötzlich gewesen wie das Auftauchen der Frau. Ein letzter Satz, und als Sue aufsah, saß sie allein an dem Tisch, nur der Kakao und das Brötchen vor sich.
Von dem Tee keine Spur.
Sie hatte aufgegessen und war gegangen.
Der nächste Tag in der Schule begann anders. Wie immer rief man ihr hinterher. Doch Sue hörte fröhliche Musik über ihre Kopfhörer.
Außerdem trug sie farbenfrohe Kleidung und ein Lächeln auf den Lippen. Nach einer Woche verstummte der Spott und sie fand Freundinnen.
Zuhause war es immer noch furchtbar. Sie schloss sich in ihrem Zimmer ein und drehte die Musik laut. Dann beschäftigte sie sich damit, gut in Deutsch zu werden und dafür in ihrem Lieblingsfach, in Mathe, immer häufiger Fehler einzubauen. Sie zog mit ihren Freundinnen durch die Straßen, feierte, besuchte den Weihnachtsmarkt, ging Eislaufen.
Und spielte ihre Rolle.
Immerhin hatte sie eine Aufgabe zu erfüllen, für Cataleya, ihre Zwillingsschwester.
Die hatten immer davon geträumt, die Welt zu bereisen. Und Sue hatte beschlossen, dass sie das tun würde.
Und wenn sie in der Zeit, in der sie die Reise plante, einen Freund finden würde, dann würde sie ihn mitnehmen.
Sie wusste jetzt, wer sie war. Ein großes Geschenk, dass ihr Nadja gemacht hatte. Wenn man sich selbst fand, wurde die Welt unwichtig.
Sue war stark, mutig, unabhängig. Sie war eine Kämpferin, und sie würde eines Tages losziehen und die Welt bereisen, im Andenken an ihre Schwester.
Sie war Phoebe.