Natürlich hielt das Schicksal weitere Überraschungen bereit. Phoebe stapfte voraus, Nadja mit der Tasche hinterher, durch eine Gasse hinter dem Bahnhof, den sie als nächstes anstrebten.
Als sie den Lärm hörten.
Pfeifen und Brüllen, vielstimmig wurden Parolen gebrüllt, die man kaum verstand. Phoebe blieb wie angewurzelt stehen, Nadja schloss alarmiert zu ihr auf.
Als sie um die Ecke spähten, erstreckte sich vor ihnen ein Meer von Menschen. Sie schwenkten Plakate, brüllten, einer gab den Sprechchören über ein Megafon Anweisungen. Polizisten in schwerer Rüstung, hinter Schilden verborgen, hielten die Demonstranten scheinbar im Zaum.
„Müssen wir da durch?“, fragte Phoebe entgeistert.
„Wir können schlecht hier bleiben“, sagte Nadja und spielte damit darauf hin, dass ihre letzten Verstecke jedes Mal gefunden worden waren. Über den Polizeifunk hatten sie mitbekommen, dass man schon begann, Verbindungen zu den beiden flüchtigen Frauen zu ziehen.
„Wir sollten eigentlich den 17:45 Uhr Zug erreichen.“
Phoebe verzog ganz leicht das Gesicht. Sie wollte sich ungern durch die Menschenmenge wühlen, aber je schneller sie hier fort waren, desto schneller würde sie sich von Nadja trennen.
Und alles vergessen.
„Auf geht’s!“, murmelte sie und ging los. Sie fanden eine Stelle, wo keine Polizisten standen, und tauchten schweigend in die Menge ein.
Es war warm. Überall schrien Leute, der Lärm dröhnte in Phoebes Ohren. Ellbogen trafen sie in die Seite. Die Menge bewegte sich, wie ein riesiges Meer, rauschte von einer Seite zur anderen, und die Rufe verklangen nicht: „Ausländer raus!“
„Mehr Sicherheit!“
„Wir wollen echte Politiker!“
Für einen Moment hätte sie beinahe nach Nadjas Hand gegriffen, damit sie nicht getrennt wurden, doch die Geste war ihr schon zu intim. Sie hielt die Arme vor der Brust und wühlte sich weiter.
Wenig später drehte sie sich um und die Frau war verschwunden.