Die Schülerin Douphne Parker aus Spellington wird nun seit drei Wochen vermisst. Obwohl es am Tag ihrer Entführung viele Augenzeugen gab, konnten bisher nur wenige Spuren zum Entführer aufgenommen werden. Noch heute geht die Polizei einem neuen Hinweis nach und ist sich fast sicher, dass sie das Mädchen bald finden wird. Ein neuer Lichtblick für Douphnes Mutter und für Douphnes Freunde, die jeden Tag hoffen und bangen und den Täter bitten, sie gehen zu lassen.
Wir haben mit einigen von Douphnes Freunden gesprochen.
„Wir können nur noch hoffen, dass sie am Leben ist und dass es ihr gut geht. Wir wünschen uns, dass wir sie bald wiederhaben“, so Ray Klevens.
„Sie fehlt uns“, so Lukasz Evan-Jones.
Inzwischen ist bekannt, dass das Auto, mit dem Douphne vor einem Freizeitpark entführt wurde, einem Mann namens Rupert Every gehört. Von ihm fehlt seither jede Spur. Nachbarn des entschwundenen Mannes nannten nun Orte, an denen er sich möglicherweise aufhalten könnte.
Unsere Redaktion hofft mit allen Angehörigen, dass Douphne wohlauf ist und bald gefunden wird, damit ihre Mutter und ihre Freunde sie wieder in die Arme schließen können.
Reportage: L.Monia
„Die haben schon so oft gedacht, dass sie mich finden würden, doch noch nie sind sie hier aufgetaucht.“ Rupert lachte.
„Mr. Every, bitte lassen Sie mich doch gehen“, bat ich ihn. „Wenn sie uns finden werden, dann kann Ihnen das viele Jahre im Gefängnis einbringen.“
Er sah mich an. Es lag wieder diese Verrücktheit in seinen Augen, mit der er mich so oft ansah.
„Nein!“ Er brüllte es, packte meine Haare im Nacken, zog mich an ihnen hoch und starrte mir direkt in die Augen. „Eher bringe ich dich um, als dass ich dich gehen lasse!“
Rupert riss mich zur Seite und ich landete unsanft auf dem Boden. Ich konnte den Schmerzensschrei nicht unterdrücken, doch schließlich endete der Schrei in einem Wimmern.
Was wollte er nur von mir? Er hatte mich nicht angefasst, mich nicht umgebracht. Er hatte mich entführt, geschlagen und eingesperrt.
Doch zu welchem Zweck? Ich fragte mich das so oft, doch immer kam ich zu dem Entschluss, dass er einfach nur wahnsinnig war.
Wann würde man mich endlich finden? Ich versuchte, so stark zu bleiben, wie ich nur konnte. Ich wusste, dass niemand da war, um mir zu helfen. Kai hatte mir so oft geholfen, doch dieses Mal war mir klar, dass er keine Möglichkeit hatte, wieder mein Retter in der Not zu sein.
Ich musste stark sein, weil mir keine Wahl blieb, doch ich fühlte mich entkräftet. Mein Blick fiel auf die Türe. Ein Lichtstrahl schien hindurch. Ich konnte meinen Augen kaum glauben, doch sie war einen Spalt breit geöffnet.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Rupert hatte mich nicht an der Wand angebunden. Mühsam hob ich mich auf meine Beine. Sie zitterten. Vielleicht aus Schwäche. Vielleicht aber auch aus Angst vor dem Bevorstehenden.
Die Polizei suchte nach mir, doch ich konnte nicht länger warten. Ich konnte einfach nicht mehr damit leben, nicht zu wissen, was mir bevorstand. So oder so würde Rupert irgendwann die Nerven verlieren. Ich wollte es nicht dazu kommenlassen, musste wenigstens versuchen, zu fliehen.
Leise schlich ich auf die Türe zu und drückte vorsichtig mein Ohr daran. Ich hörte einen Fernseher. Rupert hatte ihn wieder auf voller Lautstärke. Das hatte er unentwegt.
Vorsichtig schob ich die Türe auf. Ich gab mir die größte Mühe, keinen Ton von mir zu geben, obwohl ich am liebsten um mein Leben geschrien hätte.
Als ich den ersten Schritt aus dem Raum wagte, entdeckte ich neben mir ein Brecheisen. Was er wohl damit vorhatte? Leise hob ich es auf und schlich durch den schmalen Flur, bis hin zur Lärmquelle. Dort spähte ich vorsichtig durch die offene Türe. Einen Moment war ich etwas geblendet.
Tageslicht. Die Sonne stand tief, sie musste bald untergehen. Es tat gut, die Wärme auf der Haut zu spüren. Doch es zu genießen, dazu hatte ich keine Zeit. Ich war mir schon fast sicher, dass Rupert mich nicht bemerken würde, als das Bild des Fernsehers schwarz wurde und ich schlagartig feststellte, dass ich mich darin spiegelte.
Fast im selben Moment sprang er mit einem entsetzten Gesichtsausdruck auf und drehte sich zu mir.
„Willst abhauen, was?“ Er kam in großen Schritten auf mich zu, versuchte, nach mir zu greifen.
Ich holte mit dem Brecheisen aus, doch ich verfehlte ihn. Er stieß mich zu Boden und es fiel mir aus der Hand.
Ich robbte über den Boden und Rupert versetzte mir einen heftigen Schlag auf den Rücken. Der Schmerz schnellte durch meinen ganzen Körper und die Kraft in meinen Armen verließ mich beinahe augenblicklich. Ich streckte sie aus, als letzten Ausweg.
Rupert beugte sich über mich, griff mir in die Haare und zerrte an meinem Kopf. Ich berührte die Brechstange mit den Fingerspitzen.
Ruperts Hände legten sich um meinen Hals. Meine Hand zitterte. Ich umklammerte das Brecheisen, drehte mich auf den Rücken, holte aus und schlug es ihm mit allerletzter Kraft gegen den Kopf.
Er fiel neben mir zu Boden und blieb regungslos liegen. Blut lief über sein Gesicht. Für eine Sekunde starrte ich entsetzt zu ihm. Ich hatte noch nie jemanden verletzt.
Dann begann ich, mir einzureden, dass mir keine Wahl geblieben war. Man würde verstehen, wieso ich es tun musste.
Ich stolperte durch den Raum, stieß die Türe auf und rannte durch das dämmernde Tageslicht. Schlagartig wurde mir klar, wo ich war. In eben dem Wald, in dem ich mit Kai, Ray und den anderen Zelten gewesen war.
Rupert war anscheinend der Mann, den wir im Wald vermutet hatten. Caitlin und ich hatten uns also nicht geirrt. Unter mir knackten die Äste. Jeder Schritt tat mir an den nackten Füßen weh. Meine Knie schmerzten. Dann, endlich, kam die Lichtung in Sicht, an der wir gezeltet hatten.
Nicht mehr weit und ich würde an der Hauptstraße ankommen. Ich rannte immer weiter, mein Herz pochte wie wild.
Ein Motorengeräusch drang in meine Ohren.
Die Hauptstraße kam in mein Sichtfeld. Um Hilfe schreiend stürmte ich aus der Waldgrenze heraus und fuchtelte wild mit den Armen, um auf mich aufmerksam zu machen.
Zu meiner Erleichterung hielt das Auto an und jemand stieg aus.
„Helfen Sie mir!“ Ich schrie es, in meiner Stimme nichts weiter, als pure Angst.
Der Mann kam auf mich zu. Er hob die Arme an, als würde er mich umarmen wollen.
„Sie sind das Mädchen aus den Nachrichten.“ Er schien fassungslos zu sein.
„Bitte“, schrie ich und rannte auf ihn zu. „Sie müssen mir helfen!“
Dann passierte es.
Ich stolperte, verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Mit dem Kopf auf den Asphalt.