Selina sah sich Georgs Knie an. Es war geschwollen und spielte sämtliche Farben. "Sie haben trotz Allem nochmal Glück gehabt, Georg. Ich mach die Schiene nicht ganz so fest, falls sich ein Erguss einstellt, dann würde sie nämlich zu eng. Sie befestigte die Schiene wieder fachmännisch und legte ihm ein Blister mit zwei Tabletten auf den Couchtisch. Wenn die Schmerzen stärker werden, nehmen sie Eine davon, die Zweite vor dem Schlafengehen, dann sollten sie in der Nacht schmerzfrei sein." - "Danke, Selina! Bei ihnen beiden ist man gut aufgehoben. Wo gibts das sonst noch, dass der Chef einen persönlich aus dem Krankenhaus holt und uns dann auch noch zum Essen einlädt. Sie haben uns einen guten König gebracht, Selina. Er macht seinem verstorbenen Schwiegervater alle Ehre." - "Ich weiß, Georg aber ich habe ihn heute schwer beleidigt..." - "Das renkt sich schon wieder ein, Selina!" Immerhin waren sie es, die Max sofort auf die richtige Fährte setzte. Das ist ein starkes Argument, das für sie spricht! Setzen sie es ein! Das muss auch Michael einsehen, Selina!" - "Das stimmt schon, Georg, aber er war noch nie so enttäuscht von mir...
Ich saß noch immer im Ledersessel, als Selina wieder in den Salon kam. Melina brachte ihr erneut das Kuvert. "Das ist Deines Mami! Der Mann hat gesagt, ich darf es nur dir geben!" Selina zitterte. Ungeachtet der Tatsache, das wir kein Wort miteinander wechselten, setzte sie sich auf die Armlehne meines Sessels und öffnete den Umschlag. sie sah sich ein Foto an und schlug die Hand vor den Mund. "Michael, ich habe dich heute sehr enttäuscht, obwohl ich genau das Gegenteil erreichen wollte und das tut mir wahnsinnig leid. Aber ich habe dich nie und ich werde dich niemals betrügen, das musst du mir glauben, auch wenn es hier so aussieht! Sogar das Sommerkleid ist identisch! Aber ich schwöre dir, dass ich das nicht bin!" Wortlos nahm ich das Bild und betrachtete es. Ein Paar war darauf abgebildet, dass sich innig küsste und die Hände dabei nicht unbedingt jugendfrei platziert hatte. "Der Idiot hat Branka fotografiert." stellte ich fest. Selina hatte ihr das Kleid geschenkt, weil es ihr so gefallen hatte. Sie hatten ja die selbe Größe. Und sie waren sich offenbar ähnlich genug, Dass man glauben konnte, Selina knutsche auf dem Foto mit einem Liebhaber. "Es mag eingebildet klingen, aber dass du mich betrügst, hätte ich sowieso nicht geglaubt. Aber was du da heute Mittag abgezogen hast, das hätte ich dir auch nicht zugetraut! Du hast mich noch nie so enttäuscht, Sel! Das tut weh, weißt du?" Ich sah mir auch die anderen Bilder an. Alle waren qualitativ ziemlich gut. Auf einem war sie sogar mit mir abgelichtet, in dem selben Kleid, unten in Porec. Auf den anderen war Branka, wohl mit ihrem Freund. Für nicht Eingeweihte, die Selinas Doppelgängerin Branka nicht kannten, war hier eindeutig Selina zu sehn! "Ich weiß, dass das keine Entschuldigung ist, aber ich hätte Mel nicht alleine gelassen, wäre ich nicht aus Sorge um dich, mit Max mitgefahren. Ich hatte ihr gesagt, sie soll auf mich warten, weil ich davon ausging, das ich nur kurz zu euch auf den Parkplatz gehe. In dem Mercedes erkannte ich dann eine Bedrohung für dich und vergaß - Ich weiß, das ist unverzeihlich - dass Meli alleine auf mich wartete. Und die Art wie ich dich heute behandelt habe, war auch nicht schön, das weiß ich! Ich hatte gehofft, ich könnte dir weismachen, dass ich selbst auf uns aufpassen kann!" - "Das, meine Liebe, ist dir gründlich misslungen! - Wenn ich das sagen darf..." fügte ich ätzend hinzu. "Ach, jetzt hör aber auf, Michael! Du darfst immer alles sagen! Ich hab dich heute immer abgewürgt, damit nicht rauskommt, dass ich auch bedroht werde! Das wollte ich natürlich vermeiden. Ich liebe dich sehr, aber du bist so eine furchtbare Glucke! Du würdest am Liebsten jeden niederschlagen, der Melina und mir in deinen Augen zu nahe kommt! Ich weiß, woher das kommt und ich kann es auch verstehen, aber das macht es nicht leichter für mich!" So hatte ich das noch nie gesehen. "Und es war dir nicht möglich mir das mitzuteilen?" - "Wie denn?" - "Ganz einfach, meine Teuerste! Wenn du es mir gesagt hättest!" - "Pff!" Ich stand auf. "Nein, Michael! Geh nicht... Bitte!" - "Ich gehe nicht, Sel! Ich mach mir nur was zu trinken." - "Wo ist Melina hingekommen?" - "Maria hat sie ganz heimlich abgeholt, damit wir reden können. Ihr ist sehr daran gelegen, dass ich dich verstehe!" - "Das stimmt nicht! Die beiden wünschen sich, das WIR UNS verstehen, Michael! Das ist nicht das Selbe!" - "Ja, da magst du recht haben!" Ich goß mir einen winzigen Bourbon übers Eis. "Magst du auch was?" - "Ja..." flüsterte sie knapp hinter mir. "Deine Liebe zurück!" Ich drehte mich zu ihr um. Sie sah mich an mit einem Blick... Selina kann das. Sie kann es heute noch. Sie könnte mit ihrem Blick einen Gletscher schmelzen lassen...
"Meine Liebe hat dich nie verlassen, Sel! Das weißt du!" - "Michael, ich bin nicht einfach Weibchen, das niederkniet und um Vergebung bittet!" - "Nein, das bist du Gott sei Dank nicht! Im Gegenteil! Du bist hochintelligent und dabei auch noch warmherzig und sexy! Und du bist nach wie vor die Frau meiner Träume und genau deshalb hat mich dein Verhalten heute so verletzt!" - "Ich weiß und es tut mir auch leid, Schatz! Aber deine Fürsorge aus Angst um uns, die engt mich total ein. Ich konnte das einfach nicht formulieren. Es tut mir leid, dass mein Ausbruchsversuch so ein Desaster war, aber ich bitte dich nicht um Vergebung, sondern um Verständnis!" - "Darf ich dich darum bitten, mir deinen Standpunkt in Zukunft einfach verbal mitzuteilen!" - "Gut! Dann hör mir mal zu: Ich liebe dich wirklich sehr Michael und möchte auch keinen anderen Mann als dich an meiner Seite wissen. Und du brauchst mit deiner Liebe zu mir und Mel nicht zu sparen, denn ich brauche sie, wie die Luft zum Atmen! Aber du musst lernen, die familiären Enttäuschungen deiner Vergangenheit nicht mehr an dich heran zu lassen, weil du uns sonst mit deiner Fürsorge erdrückst!!! Ich liebe dich über Alles Michael und ich weiß, dass wir beide füreinander gemacht sind, aber du musst endlich zur Kenntnis nehmen, dass du mich schon hast und nicht mehr um mich zu kämpfen brauchst! Und dass du nicht aufpassen musst, mich nicht zu verlieren, weil ich dir vor Jahren schon sagte, dass ich mir dich ausgesucht habe und dass ich dich nicht mehr hergebe! Hattest du jemals Grund zu der Annahme, dass sich daran was geändert hat?" Ich hatte keine Antwort. "Hattest du?" - "Nein, Sel... hatte ich nicht!" - "Dann küss mich doch endlich du Dickschädel...!"