Es klopfte leise an Oma Leonies Bürotür. Erstaunt sah sie hoch, als nach ihrem „Herein“, Nico eintrat.
„Ich muss mit dir reden“, fing er an.
Leonie wies auf die Sessel: „Setz dich doch erst mal.“ Als Nico sich gesetzt hatte, forderte Leonie ihn auf, zu erzählen, was ihn bedrückte.
Nico holte tief Luft und begann dann: „Ich bin hier wegen der Party für Sheona. Ich habe die Drogen ins Spiel gebracht.“ Er machte eine Pause, um zu erkennen was Leonie dachte. Doch es kam weder eine Reaktion, noch konnte man irgendetwas erkennen.
Also fuhr er fort: „Naja und ich war auch derjenige, der Schuld daran war, das es Sheona am nächsten Tag so schlecht ging.“
Immer noch keine Reaktion. Was wollte sie denn noch von ihm hören?! „Und es tut mir leid.“
Leonie schwieg immer noch. Und Nico fühlte sich immer unbehaglicher. Er begann sich die schlimmsten Strafen aus zu malen. Was wenn er am Ende, Leonie nicht wiedersehen durfte? Das würde er unter keinen Umständen aushalten!
Dass Leonie gar nicht böse zu sein schien, machte dem Nico ein noch schlechteres Gewissen.
„Ich denke ich muss dir nicht noch erklären, was Drogenkonsum im Körper anrichtet“, meinte Leonie. Nico schüttelte schnell den Kopf.
„Erst mal, finde ich es sehr gut, dass du doch noch zu mir gekommen bist und mir alles gesagt hast“, sagte Leonie freundlich. „Mir ist es sehr wichtig, dass jeder seine Fehler selbst sieht und auch eingesteht.“ Nico hätte ihr fast widersprochen. Er war ja nicht aus freien Stücken gekommen, sondern weil er es Leonie Sue versprochen hatte.
„Trotzdem kann ich von einer Strafe nicht absehen“, fuhr Leonie etwas strenger fort. „Ich werde mich darum kümmern, dass du ein Praktikum in einer Klinik für Drogenabhängige machen wirst.“
Nico sah sie entsetzt an. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein. Was sollte er da?! Er war nicht süchtig und hatte auch nicht vor es zu werden.
„Ich denke du wirst nächste Woche dort beginnen können“, meinte Leonie und schrieb sich etwas auf einen Notizzettel.
„Und wie lange?“, fragte Nico. Er hatte sowas von keine Lust darauf und länger als ein paar Tage würde er doch keine stinkenden Menschen pflegen, die keine Kontrolle über sich selbst hatten.
„Zwei Wochen wird es auf jeden Fall dauern, was danach kommen wird, sehen wir dann“, meinte Leonie.
Nico verdrehte die Augen. Zwei Wochen fremden Menschen helfen. Das war dann doch ein bisschen zu viel verlangt, für einen Kuss von Leonie Sue, der noch nicht mal freiwillig war.
Doch er wagte es nicht zu widersprechen. In diesem Moment klopfte es an der Tür.
„Komm rein“, rief Leonie. Die Tür öffnete sich und Leonie Sue trat ein. Ihr Blick fiel auf Nico. Warum war er hier? Das konnte einfach nicht gutes bedeuten. Sie setzte sich neben Nico auf den leeren Sessel.
„Das trifft sich gut, dass ihr jetzt beide hier seid“, meinte Leonie.
„Warum?“, fragten beide gleichzeitig. Als Nico Leonie Sue grinsend ansah, senkte sie den Blick. Wie sollte sie bitte normal mit ihm umgehen? Und was hieß normal?
„Daniela und ich haben über eine neue Aufgabe für Nico nachgedacht“, erzählte Leonie.
Nico schüttelte den Kopf. Wenn Daniela daran beteiligt gewesen war, konnte es nur schrecklich werden.
Leonie Sue sah verwirrt von einem zum anderen. „Und was habe ich damit zu tun?“
„Nachdem du mit Anna Lena darüber gesprochen hattest eine Ausbildung bei uns zu beginnen, haben Laura, Anna und ich uns zusammen gesetzt und über einen gerechten Einstellungstest für dich entschieden.“ Oma Leonie setzte eine Pause ein.
„Ich verstehe aber trotzdem nicht was das mit uns beiden zu tun hat“, meinte Leonie Sue. Aber wenn Nico ein Bestandteil des Tests werden würde, würde diese Aufgabe recht schwer werden, da er absolut keine Ahnung von Pferden hatte.
„Daniela und ich sind zum Entschluss gekommen, dass Nico reiten lernen müsste…“
„Scheiße! Wozu soll ich das denn lernen?“, unterbrach Nico aufgebracht.
„Im Umgang mit Pferden, lernt man Vertrauen und Verantwortungsbewusstsein. Auf jeden Fall wirst du, ihm das Reiten beibringen. Wann und wie ihr die Reitstunden gestaltet ist egal, wichtig ist nur das Nico am Ende reiten kann und das Laura sehen kann wie weit du schon bist“, erklärte Oma Leonie den beiden.
Leonie Sue sagte nichts dazu. Ihre Sorge war nur Sheona. Sie würde jetzt noch mehr Zeit mit Nico verbringen und das würde Sheona gar nicht gefallen.
„Dann ist jetzt alles geklärt, ihr könnt gehen“, meinte Oma Leonie.
Die beiden verließen so schnell wie möglich das Büro, sie hatten keine Lust auf weitere Aufgaben.
Leonie Sue suchte ihre Freundin auf und fand sie in ihrem Zimmer. Das Zimmer von Sheona war in Beige und Braun gehalten. Sie hatte ihr eigenes Badezimmer und einen Balkon. Leonie dachte an den täglichen morgendlichen Stress in ihrer Familie. Sie teilten sich zu acht, zwei Badezimmer. Das führte häufig zu Streitereien. Sie betrat den Balkon, wo Sheona vor einem Tisch über einige Zettel gebeugt saß.
„Was machst du da?“, fragte Leonie und setzte sich zu ihr.
Sheona sah hoch. „Ich muss noch einige Formulare für die Uni ausfüllen.“
„Bist du aufgeregt?“
Sheonas Augen blitzten. „Ich ziehe in eine Großstadt. Lerne viele neue Leute kennen.“
„Ich hoffe du vergisst dabei uns nicht“, warf Leonie lächelnd ein.
„Niemals. Ich weiß eigentlich gar nicht wie ohne euch drei überleben soll“, gab Sheona zu.
„Das wird echt richtig komisch werden. Ich bin die einzige die hier bleibt. Ich werde niemals erfahren, was es bedeutet nicht zu Hause zu wohnen“, sagte Leonie. Sheona zuckte mit den Schultern. Für immer in Pescara zu bleiben, war für sie ein Albtraum. Nichts gegen ihr liebevolles und schönes Städtchen, aber man musste doch auch andere Orte kennen lernen.
„Weißt du noch, wie wir immer davon geträumt haben gemeinsam studieren zu gehen und gemeinsam eine Wohngemeinschaft zu bilden“; erzählte Leonie.
Nachdenklich nickte Sheona. Sie fand diese Vorstellung immer noch schön. Was würde sie nur ohne die perfekte Leonie machen? Oft hatte Leonie sie von doofen Fehlern abgehalten. Vor allem, wer passte auf Leonie Sue auf? Wer hielt sie dann von Nico und anderen Idioten fern? Sie war immer so leicht gläubig und viel zu nett zu allen.
„Weißt du noch ich habe dir erzählt, dass ich auch einen Einstellungstest machen muss?“, fragte Leonie.
Sheona nickte nur.
„Naja, ich muss jetzt Nico Reitstunden geben“, sagte Leonie.
Sheonas Mund klappte auf. Das konnte doch nicht wahr sein! Was dachte sich Oma nur dabei? Sie kannte die Menschen doch immer so gut! Warum ließ das zu?!
„Oma Leonie meint, da kann Laura sehen, wie viel ich weiß und ob ich es auch anwenden kann“, erzählte Leonie.
„Wieso wehrst du dich nicht? Oma hätte das schon verstanden“, fragte Sheona entrüstet.
„Weil ich finde, dass ich beweisen muss, dass man selbst Nico, der sich nicht für Pferde interessiert, das Reiten richtig beibringen kann“, erklärte Leonie. „Außerdem finde mich, je komplizierter den Schüler, desto besser muss man selbst sein.“
Sheona schüttelte den Kopf. Das konnte doch einfach nicht wahr sein!
„Mach keinen Müll, Leonie. Pass auf dich auf. Ich werde nicht immer da sein, um dir solche vom Hals zu halten.“
„Ich denke ich bin erwachsen genug, um selbst zu wissen, was ich tue“ entgegnete Leonie.
Sheona zuckte mit den Schultern. Darauf musste und wollte sie nichts antworten. Leonie konnte keine Menschen einschätzen, ganz und gar nicht. Sie war schließlich auch kein Köstring. Sie war die Tochter von Samuel Marco, der schon immer nur Blödsinn im Kopf hatte und nicht eigenständig handeln konnte, ohne das Dan Köstring auf ihn aufgepasst hatte.
„Tut mir leid, Sheona. Ich kann mich gegen Oma Leonie nicht wehren, dass weißt du ganz genau. Dass du nicht mit der Entscheidung zufrieden sein wirst, wusste ich von Anfang an. Ich wollte es dir nur sagen, bevor du es auf eine andere Weise herausfinden würdest und dann noch böser sein würdest“, rechtfertigte Leonie sich. Sheona schwieg eisern.
„Na gut, wenn du nichts dazu sagen willst, dann gehe ich jetzt“, sagte Leonie leise.
Sheona widmete sich wieder den Formularen zu. Das war für Leonie ein ganz klares Zeichen. Niedergeschlagen verließ sie das Zimmer.