Allein
Mikkel war schon früh wach geworden. Er hatte wüst geträumt. Dass er geträumt hatte verwunderte ihn nicht, weil er hier immer und besonders intensiv träumte, aber diesmal war er sogar mehrfach in der Nacht wach geworden. Traumfetzen gingen ihm noch immer im Kopf herum. Er hatte eine riesige Festung gesehen, vor dem ein erbitterter Kampft tobte. Dann zerbarst die ganze Festung in einem riesigen Blitz zu Staub. Als seine Mutter wach war, erzählte Mikkel ihr den Traum. "Ich denke ich werde mir in Zukunft besser überlegen müssen, was ich Dir vor dem Schlafengehen erzähle, mein Lieber. Du hast von dem Endkampf der Usher geträumt, der hier stattgefunden hat. Nicht gerade die beste Gutenachtgeschichte." Mikkel war immer noch ein wenig verstört durch den Traum. Er ging zur alten Eiche und hielt seinen Handrücken an das Siegel. Dann stzte er sich wieder auf sein Bett.
Sein Vater war aufgestanden und ging zuerst zur Eiche, um ebenfalls seinen Handrücken anzuhalten. "Eira, rief er, hast Du es gesehen?" Seine Mutter ging sofort zu ihm hinüber. "Oh Joohn, dass es schon so schlimm ist, hätte ich nicht gedacht," sagte sie leise, damit Mikkel es nicht hörte. Auch sie hielt nun ihren Handrücken gegen die Eiche. "Wir müssen sofort beginnen," sagte sein Vater laut und Mikkel wurde aus seinen Gedanken gerissen. Das Siegel hatte deutlich an Leuchtkraft abgenommen und zwei der Sternenlichter waren erheblich schwächer geworden. Die alte Eiche gab plötzlich einen Brummton ab. Alle Drei schauten nach oben in die mächtige Krone. Zwei Blätter schwebten herab. Braun und angewelkt. Das war recht ungewöhnlich für Mittsommer. "Schnell, sagte sein Vater, beeilen wir uns." Der alte Baumstumpf in der Mitte der Lichtung wurde zum Altar.
Joohn holte einige magische Steine aus dem Rucksack und legte sie dort aus. Eira legte behutsam spezielles Kräuterwerk am Rand aus. Dann begann sie damit, magische Formeln zu rezitieren und hob dabei abwechselnd ihre Arme in den Himmel und wieder zurück auf den Altar. Mikkels Vater nahm einen brennenden Ast aus der Feuerstelle und entzündete die Kräuter. Mit einem frisch abgeschnittenen Zweig verwedelte Eira den Rauch. Wieder sprach sie einige Formeln. Nun nahm sein Vater einen speziellen Kristall aus seiner Hosentasche, um ihn zum Abschluss des ersten Rituals in die Mitte zu legen. Mikkel hatte sich inzwischen zu einem Erdloch begeben, um dort gelagertes Holz für das Feuer zu holen. Er war gerade im Begriff dort hinabzusteigen, als ein greller Blitz und ein ohrenbetäubender Knall die Lichtung erfüllten. Eine Druckwelle schleuderte Mikkel in das Erdloch hinein. Er fiel auf einen Stein und war sofort bewusstlos. Bäume, Äste und Erde flogen durch die Luft und verdunkelten die Lichtung. Viele Bäume der Lichtung wurden entwurzelt. Der Altar war ausgerissen und lag mit den Wurzeln zuoberst meterweit entfernt. Die Steine und der Kristall waren über die gesamte Lichtung verstreut.
Die alte Eiche war erschüttert, aber sie stand immer noch. Doch der Ton den sie nun abgab, erinnerte eher an ein klägliches Wimmern, als an ein Brummen. Etwas an ihr hatte sich dennoch verändert..... die Sonne im Siegel leuchtete nun schwächer und zwei der Sterne waren erloschen. Joohn und Eira waren verschwunden. Sie waren paralysiert worden! Irgendetwas hatte den kleinen Mikkel im Handumdrehen zum Waisenkind gemacht. Es vergingen die Minuten und langsam legte sich der Staub, der die Lichtung erfüllt hatte. Mikkel war immer noch bewusslos und lag mit einer Platzwunde am Kopf in dem Erdloch. Er bekam nicht mit, dass sich auf der Lichtung etwas rührte. Ein alter Mann mit einem Bart und einem sonderbaren Hut hatte die Lichtung betreten. Er ging als erstes auf die Knorreiche zu und legte seinen Handrücken an die Borke. Danach ging er zu dem Erdloch und sah nach Mikkel. Er suchte die ganze Lichtung ab, bis er alle Steine und den Kristall eingesammelt und in seine Tasche gepackt hatte. Dann hob er Mikkel behutsam auf und trug ihn fort. Er legte seinen Handrücken an die alte Eiche und sagte: " Wir werden eine Weile fort sein, mein alter Freund" und verliess mit Mikkel die Lichtung.
Einige hundert Meter weiter hatte der Alte sein Pferd angebunden. Hinter Sträuchern war es völlig versteckt und fast unsichtbar. Als er sich den Sträuchern näherte, hob er nur seine Hand und die Pflanzen machten ihm den Durchgang frei und neigten sich zur Seite. Er legte Mikkel auf dem Rücken des Pferdes ab und band es los. Dann stieg er auf und ritt davon. Die Lichtung lag still. Die alte Eiche war erschöpft. Es war ein schlimmer Tag für die Welt. Doch es gab noch Hoffnung. Aber es würde Zeit brauchen......