Die Schlacht
Hatora hob ihre Hände in die Höhe. Kraft ihrer Macht und der Kristalle legte sie einen energetischen Schutz über die Kristallstadt. Alturin und Bengolf machten sich auf. Sie wollten unten am Tor mithelfen und taktische Anweisungen geben. Mikkel wollte ihnen folgen, der scharfe Blick Hatoras jedoch hielt ihn zurück. Er blieb neben ihr auf dem Balkon stehen und es war ihm in diesem Moment unangenehm, mit ihr ganz allein zu sein. Ihr Unmut gegen ihn war noch deutlich zu spüren. Das Kriegsgeschrei der Askaden wurde immer lauter. Das Dröhnen der Trommeln drang ohrenbetäubend zu ihnen herauf. Stück für Stück näherten sich die feindlichen Truppen dem Tor. Als die Bogenschützen ihre Bögen hoben und die Pfeile einlegten, gingen sämtliche Schilde der Askaden im Gleichklang nach oben und bildeten eine schier undurchdringliche Schutzwand.
Alturin war mit Bengolf oben auf dem Schutzwall angekommen und hatte den Befehl über die Bogenschützen übernommen. "Pfeile los, schrie er aus Leibeskräften, lasst Welle auf Welle folgen, sie sollen nicht zur Ruhe kommen. Deckt sie ein mit Pfeilen und durchbrecht ihre Deckung!" Sirrend verliess Welle um Welle den Schutzwall und ging auf die Angreifer nieder. Doch ihre Schilde waren stark und hielten dem Hagel stand. Nur vereinzelt wurden Angreifer getroffen, die Lücken die sich dann auftaten, waren zu gering, um ihre Formationen aufzulösen. Unaufhaltsam näherten sie sich weiter dem Haupttor.
Hatora sah Artron, den Anführer der Askaden, wie er sich in vorderster Front weiter in Richtung Tor bewegte. Er hielt etwas in der Hand. Ein Kristall! Ein ungutes Gefühl beschlich Hatora. Sie wandte sich an Mikkel. "Laufe so schnell Dich Deine Füsse tragen zu Alturin und berichte ihm, dass Artron einen Kristall hat. Es wäre möglich, dass er meinen Schutz durchbricht. Eile Dich! Und Mikkel! Danach kommst Du sofort hierher zurück!
Mikkel nickte kurz und spurtete los. Pfeilschnell eilte er durch die Gänge, erreichte die ersten Gassen und spurtete weiter hinunter zum Tor. Er raste die Stufen des steinernen Wehrturmes hinauf und hielt sofort nach Alturin Ausschau. Dann sah er ihn und rannte zu ihm. Alturin hatte selbst zum Bogen gegriffen und jagte einen Pfeil nach dem anderen auf die Angreifer hinab.
"Alturin! Alturin!, rief Mikkel. Hatora schickt mich. Artron führt einen Kristall mit sich und sie befürchtet, dass er ihren Schutzwall durchdringt!"
Bestürzt hielt Alturin inne. "Ein Kristall sagst Du?", fragte Alturin ungläubig.
"Ja ein Kristall!", bestätigte Mikkel.
Alturin beugte sich vorsichtig über die Brüstung der Wehrmauer, um Artron sehen zu können. Dann sah er ihn. Siegessicher ging er auf das Tor zu. Sein übergrosser, gebogener Schild sollte ihn vor den heranschiessenden Pfeilen schützen und war bereits gespickt von unzähligen Pfeilen der Lichtkrieger. Noch etwa zwei Schritte trennten ihn von der leicht schimmernden Schutzhülle. Prasselnd schlugen immer wieder neue Pfeile in den Schild ein, doch sein starker Arm hielt den Einschlägen stand. Er hob den Kristall in seiner Hand hoch und richtete ihn gegen die Schutzhülle. Alturin wartete gespannt ab. Beschwörende Formeln sprechend ging Artron langsam weiter. Dann hatte er die Schutzhülle erreicht und blieb stehen. Das Kriegsgeschrei verstummte plötzlich. Gespannte Ruhe stellte sich ein. Dann ging Artron einen Schritt vor.
"Nein!, dass kann nicht sein," rief Alturin. Die Hülle hatte ein Loch, dass sich immer mehr ausweitete. Alturin drehte sich zu Mikkel um und wollte ihn gerade zu Hatora zurückschicken mit der schlimmen Nachricht, als er ihn bewaffnet mit einem Bogen und zwei eingelegten Pfeilen neben sich auf der Wehrmauer stehen sah. Wie eine Statue stand er da. Hoch konzentriert und völlig ruhig wartete er auf seine Chance. Alturin hielt inne.
Das sichtbare Zurückweichen der Schutzhülle löste einen Sturm an Kriegsgeschrei bei den Angreifern aus und als Artron seinen rechten Arm hob und seine Truppen nach vorne beorderte, sah Mikkel seine Chance gekommen. Artron hatte sich etwas zur Seite gedreht und der Schild gab etwas von seinem Körper frei. Die beiden Pfeile verliessen sirrend die Sehne des Bogens. Dann folgte ein lauter Aufschrei Artron's. Einer der Pfeile durchschlug die Hand, die seine Truppen nach vorne bewegt hatte. Der andere nagelte seinen rechten Fuss am Boden fest. Wütend und mit schmerzverzehrtem Gesicht brach Artron die Pfeile durch und zog sie mit einem Schmerzensschrei aus Hand und Fuss heraus. Er blickte nach oben, um den Schützen erkennen zu können. Sein hasserfüllter Blick traf Mikkel und Alturin.
Mikkel wollte sich nicht ein zweites Mal den Unmut von Hatora zuziehen und machte sich geschwind auf den Rückweg zu ihr.
Alturin beorderte mehr Schützen auf die Wehrmauer und liess das Tor verstärken. Hier würde die erste Angriffswelle sie treffen.
Unter ihren hochgehaltenen Schilden näherten sich die Askaden mit ihren Rammböcken dem Tor. Weitere Körbe mit Pfeilen wurden auf die Wehrmauer gebracht und prasselten nun in noch grösserer Zahl auf die Angreifer nieder. Artron hatte sich mit seinem Schild geschützt und als seine Krieger ihn erreicht hatten, wurde er unter ihren schützenden Schilden nach hinten in Sicherheit gebracht, um seine Wunden zu versorgen. Einer seiner wild aussehenden Hauptleute hatte das Kommando übernommen und trieb die Truppen zur Eile an. Dann war er zu hören, der erste Schlag des Rammbockes....
Das schwere Tor erzitterte bedrohlich unter dem Schlag. Mit einem vorsichtigen Blick konnte Alturin den Kopf des Rammbockes sehen. Er war aus dem härtesten Holz gemacht, das man hier kannte. Sternenbaumholz! Diese Frevler!, dachte Alturin. Sie machen gemeinsame Sache mit diesem verblendeten Rincobal. Er musste sie aufhalten! Pech wurde von der Mauer heruntergegossen und mit Brandpfeilen beschossen. Ein Flammenmeer erhellte den Raum vor dem Tor. Schreiend brachen einige der brennenden Angreifer zusammen und versuchten verzweifelt, die Flammen zu löschen. Sofort rückten neue Männer nach, um den Rammbock erneut gegen das Tor zu schleudern. Der nächste Schlag traf das Tor!
Alturin beugte sich von der Wehrmauer zur Innenseite herunter und rief: "Schafft Holz heran und sichert das Tor! Rasch, eilt Euch!"
Kurz darauf kamen Männer mit bereit gestellten Baumstämmen zurück und verkeilten das Tor. Wieder und wieder schlug der Rammbock gegen das Tor. Unten sah er Bengolf an einem der Verteidigungsschlitze stehen. Pfeil um Pfeil schoss er auf die Angreifer ab. Viele von ihnen hatte er niedergestreckt, um das Tor zu schützen, aber es waren so viele. Doch das starke Tor hielt ihnen stand. Verzweifelt rannten die Angreifer dagegen an, doch sie konnten es nicht durchbrechen.
Mikkel war wieder in den Gemächern von Hatora angekommen und als er auf den Balkon zu rannte, blieb er abrupt stehen. Hatora hatte eine Rüstung angelegt. Sie leuchtete wie ein Stern und schien aus Kristall zu sein. Staunend und etwas geblendet berichtete Mikkel ihr was geschehen war.
"Es ist gut, dass Du nach Deinem Kunstschuss sofort zurück gekommen bist. Eine weitere Missachtung meiner Anweisungen hätte ich Dir wirklich übel genommen." Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und Mikkel wusste in diesem Moment, dass aller Unmut gegen ihn verflogen war.
Bei den Angreifern unten am Tor machte sich langsam Resignation breit. Das Tor gab nicht nach. Jedenfalls nicht mit diesen Mitteln! Der Hauptmann beorderte einen der Männer nach hinten. Kurz darauf kam dieser mit drei kleinen Säckchen zurück und reichte sie dem Hauptmann. Sie sahen ganz lieblich und unscheinbar aus, wie sie so in Blattwerk eingewickelt waren.....
Der Hauptmann schritt unter dem Schutz der Schilde vor, bis an das Tor, vor dem das brennende Pech hoch aufloderte. Er nahm die Säckchen und warf sie ins Feuer. Danach zogen sich die Männer zurück, bis sie etwa zehn Pferdelängen vom Tor entfernt stehen blieben.
Alturin hatte die Szene beobachtet. Er hatte gesehen, wie der Hauptmann die Säckchen ins Feuer geworfen hatte und die Truppen sich zurückzogen. Das konnte nur Eines bedeuten!
Oarkraut!
"Zieht Euch zurück vom Tor und bildet eine Verteidigungsreihe, raaaasch," schrie Alturin nach unten zu den Soldaten. Sie setzen Oarkraut ein! Drei Reihen Bogenschützen nach vorn! Schnell weg vom Tor, eilt Euch!" Das Wort Oarkraut brachte die Männer sofort in Bewegung und alle rannten sofort los und taten, wie Alturin befohlen hatte. Kurz darauf standen vier Reihen Bogenschützen in sicherer Entfernung zum Tor, die Bogen gespannt. Über vierhundert Pfeile waren auf das Tor gerichtet. Alturin war von der Wehrmauer herunter gekommen und wollte den Männern unten im Kampf beistehen. Gerade als er sich zu der hinteren Reihe der Schützen stellte geschah es.
Boummm! Mit irrsinnig lautem Knall explodierte das Oarkraut und riss das schwere Tor in viele Stücke. Die Druckwelle riss die ersten beiden Reihen der Bogenschützen um. Manche wurden von den umherfliegenden Teile des Tores getroffen. Alturin duckte sich schützend zu Boden.
"Schnell, auf mit Euch, nehmt euere Stellung wieder ein , rasch!", rief er den Männer zu. Schnell richteten sie sich wieder auf. Lautes Gebrüll brandete auf. Durch den aufgewirbelten Staub und den Qualm der Expolsion brandete die erste Welle der Angreifer durch das offene Tor herein. "Pfeile los!", schrie Alturin. Sirrend verliess Hagel um Hagel die Bögen und streckte viele der Angreifer nieder. Doch es waren zu viele. Immer näher und näher kamen sie den Reihen der Bogenschützen.
Sein alter Gefährte Bengolf kam an seine Seite und sah ihn besorgt an. Alturin packte den Griff seines Schwertes.....