Rudi Weninger war nach Keuschen gefahren, um sich von der Hotelchefin Petras Laptoptasche und Handy aushändigen zu lassen. Auch das Handyfoto, welches von der Empfangsdame gemacht worden war, ließ er sich auf sein eigenes Handy schicken. Vielleicht würde Petra bei der weiteren Befragung jemanden darauf erkennen.
Helmut studierte ein weiters Mal den Laborbericht. Der Elektrolythaushalt in diesem Blut war praktisch zusammengebrochen gewesen. Der Blutaustausch hatte Petra zwar das Leben gerettet, doch war nun auch der Nachschub an Mineralstoffen und ein Elektrolytausgleich angesagt und zwar dringend. Mit Spenderblut alleine war das nicht zu machen. Helmut kam ein Gedanke, der den Zerfall ihres Blutes auch ohne die Aufnahme eines Giftes in ihren Organismus erklären würde!
Schnell ging er zum Computer und gab die URL für die krankenhauseigene medizinische Enzyklopädie ein. Nach ein paar Versuchen der Eingabe: "Blut, Elektrolyse..." kamen folgende Beiträge...
"Bereits sehr kleine Gleichströme, welche während sehr langer Einwirkdauer fliessen, können zu einer elektrolytischen Zersetzung im Blut führen, was aber weitgehend unerforscht ist"
(Elektrische Energieversorgung 1. Netze von Valentin Crastan)
Und weiter:
"Durch die chemische Wirkung des Stromes kann, vor allem bei längerer Einwirkdauer, das Blut elektrolytisch zersetzt werden. Dadurch kommt es zu schweren Vergiftungen! Diese Folgeerkrankungen können auch erst nach einigen Tagen auftreten und sind daher besonders tückisch."
Er musste sofort eine weitere Blutabnahme und Analyse vornehmen lassen und nach Ermitteln der Elektrolytwerte gezielt Petras Blutbild neutralisieren...
Schwester Monika stand an Petras Bett und bürstete deren Haar, als Burger erneut eintrat.
"Schwester, holen sie bitte sofort neue Phiolen für eine Blutabnahme! Jetzt gleich! Und eine davon dann sofort rüber in die Nuklearmedizin schicken!"
Monika war ein Wenig erschrocken und legte wortlos die Bürste weg. Sie stand auf und eilte hinaus.
"Petra, warst du irgendwann in den letzten 72 Stunden oder unmittelbar davor, radioaktiver Strahlung oder einem starken Stromschlag ausgesetzt?"
Petra war durch das überraschende Erscheinen und die forsche Anrede total erschrocken und zitterte. Sie war im Moment total überfordert und begann zu weinen.
"Ich weiß es nicht!" schluchzte sie, "Ich weiß nicht was du meinst ich... ich..."
Helmut hatte in der Aufregung nicht daran gedacht, dass sie noch nicht soweit war. Er stand ganz knapp vor der Lösung für die Auswahl der richtigen Therapie für sie.
"Helmut, du bemühst dich so... und ich bin so... so hässlich und... und kann dir nicht einmal vernünftig antworten! Was soll ich denn nur tun?"
"Oh, oh... Petra! Meine Schuld! Beruhige dich bitte, Kleines! Entschuldige! Ich bin nur so aufgeregt, weil ich glaube, dich effizienter behandeln zu können. Du musst dich wirklich nicht aufregen im Gegenteil! Außerdem bist du das attraktivste Mädel, das mir je begegnet ist. Du brauchst keine Angst zu haben, du bist nur im Moment ein Wenig derangiert, aber in zehn zwölf Tagen bist du wieder diese wunderschöne Frau, die du immer schon warst, Petra."
Er hatte sich wieder zu ihr gesetzt und wusste nicht recht, wie er sie beruhigen sollte. Er strich sanft mit den Fingerrücken über ihre Wange und wischte dann mit dem Daumen eine Träne weg. Ich würde dich ja gern in den Arm nehmen, aber solange du liegst, geht das nicht so gut."
"Aber... aber wie ich aussehe... und meine Augen... Und die Haare fallen mir auch aus..."
Helmut sah sich um. Schwester Monika war noch unterwegs...
"Schließ die Augen!" sagte er. Dann beugte er sich zu ihr und küsste zärtlich ihre geschlossenen Augen."
"Besser?" fragte er.
"Viel besser!" schluchzte sie.
"Du bist weder hässlich noch abstoßend! Du bist verletzt und daher vorübergehend... Na, jedenfalls empfinde ich viel mehr für dich als ein Arzt normal für seine Patientin zu empfinden hat! Viel mehr! Jetzt ist es raus und jetzt beruhige dich bitte und hör mir zu, ja?
Ich bin nochmal den Laborbericht durchgegangen und habe dabei festgestellt, warum vermutlich kein verabreichtes Gift an deinem Zustand schuld ist. Deshalb musst du versuchen, dich zu erinnern! Kann es sein, dass du einer radioaktiven Substanz ausgesetzt warst, oder einem starken Stromschlag?"
"Ich kann mich nicht an einen Stromschlag erinnern. Ich war auch nie direkt in einer Halle dieser Firma, jedenfalls nicht in der Nähe dieser BIO-HAZARD-Hallen. Nur in einem Büro der Betriebsleitung... und in einer Abstellkammer... festgenommen... Ich war dort eingesperrt!
Eine international agierende medical-waste-services-Firma, die chemische Problemstoffe entsorgen und abgelaufene Medikamente vernichten soll. Ich weiß wirklich nichts von einem Stromschlag oder Strahlung, Helmut. Tut mir leid, dass ich nichts dazu sagen kann.
Aber... Ich muss dir noch was anderes sagen. Ich hab dich auch lieb... Sowas ist mir noch nie passiert, aber es ist einfach so... Ich weiß nicht... Ich hab mich einfach in dich verliebt..."