Dichte, schwarze Tränen kullerten seine Wangen hinunter.
Nein, das durfte nicht sein.
Energisch wischte Damian sie mit dem Handrücken fort. Er durfte nicht weinen.
Überhaupt war er ein absoluter Versager.
Als...
als...
nun ja, als Vampir.
Seit einem halben Jahr schon quälte er sich damit. Dieses „Ding“ geworden zu sein, welches Blut benötigte, um existieren zu können.
Sechs lange Monate. So lange war es nun her, dass er gewandelt worden war.
Was hieß gewandelt! Dieser Idiot hatte ihn brutal in den Hals gebissen.
Er wusste weder warum noch wem er dieses Vampirsein zu verdanken hatte. Es war mitten in der Nacht gewesen, und er hatte tief und fest geschlafen.
Keiner hatte mitbekommen, wie dieser Fremde in sein Zelt geschlichen war, ihn irgendwie betäubt und dann im Schutz des Waldes ausgesaugt hatte.
Alle hatten nach ihm gesucht – die Polizei, die Feuerwehr, seine Eltern und Freunde. Da war er sich ganz sicher. Aber dieser Unbekannte hatte ihn gut versteckt und alle Spuren verwischt, bevor er verschwunden war.
Damian verstand das alles bis heute nicht. E war mit seiner untoten Existenz und der daraus resultierenden Gier nach Blut völlig überfordert
Wieder rannen die Tränen der Verzweiflung über sein Gesicht. Und abermals wischte er sie entschlossen weg.
Er durfte nicht weinen. Er musste stark sein. Und es half ihn auch nicht weiter, wenn er herumheulte wie ein kleines Kind.
Ja, er kam damit einfach nicht zurecht. Diese furchtbare „Vampir“- Existenz.
Ob es wohl geheime Blutbanken speziell für Vampire gab? Leider kannte er keine anderen von seinesgleichen. Denn dies wäre ihm annehmbar erschienen – sich einfach Blutkonserven abholen, diese zu sich zu nehmen und somit das zu bekommen, was er so dringend brauchte.
Aber so.
Nein, es war nicht schwer, sich nachts unbemerkt an einen Menschen anzuschleichen. Auch nicht, ihn niederzureißen, seinen Kopf zu fixieren und von seinem Lebenssaft zu trinken. Danach mit seinem Speichel die zwei kleinen Einstichlöcher zu verschließen, sodass keine Spuren zurück blieben. Zuletzt noch die Erinnerungen des Opfers löschen, und alles war gut. Denn er selbst benötigte täglich nicht mehr als eine kleine Kaffeetasse – also keine Menge, die den Menschen wirklich schadete.
So weit, so gut.
Leider hieß es in seinem Falle eher: so weit, so schlecht.
Es fiel Damian einfach so unsagbar schwer. Andere anzufallen und von ihnen zu trinken, empfand er barbarisch. Ohne, dass diese überhaupt gefragt wurde.
Vermutlich war es gar nicht so schlimm, was er tat, aber sollte er etwa erst zu seinen Spendern hingehen und fragen: „Entschuldigen Sie, aber würden Sie mich bitte ein wenig an Ihrem Hals saugen lassen? Es tut auch gar nicht sehr weh und ich brauche nur ein klein wenig.“
Die Leute hätten ihn sicher gleich in die nächste Irrenanstalt verfrachten wollen.
Und so verschob er immer wieder, sich von den Menschen zu ernähren. Stattdessen ging er abermals hungrig in den alten unterirdischen Bunker, der verlassen im Wald stand und wohl irgendwie vergessen worden war. Sobald es hell wurde, eilte er dort hin und verschanzte sich in dem Gebäude, geschützt vom hellen Tageslicht, machte er es sich es auf dem alten Betonboden gemütlich und schlief bis zur nächsten Nacht.
Natürlich konnte von Komfort und Behaglichkeit keine Rede sein. Das waren eher Wunschgedanken von Damian, um die Kälte zu verdrängen, die nicht nur vom kalten Stein, sondern auch von der Einsamkeit in seinem Herzen kam.
Tagsüber also eine unbehagliche Lagerstätte und nachts der ewige innere Kampf, ob er nun heute jemandem Blut abnehmen sollte oder nicht. Der junge Vampir schob es immer wieder einige Nächte vor sich her, bis er schließlich keine Wahl mehr hatte und sich einen Spender suchen musste.
Und dies machte die ganze Sache natürlich auch nicht besser, denn nun war er gezwungen, mehr als nur eine kleine Menge abzunehmen. So gestalteten sich seine Beutezüge für ihn zunehmend als der reinste Horror.
Was er tun musste, war schon schlimm genug, aber nun dauerte die ganze Aktion auch noch länger und vergrößerte die Abscheu vor sich selbst nur noch mehr.
Kein Wunder also, dass er hier versteckt im Gebüsch kauerte und seinen Tränen freien Lauf ließ. Keine durchsichtigen, wie zu Lebzeiten, sondern sie ähnelten in der Konsistenz und Farbe schwarzem Teer, und genauso zäh flossen sie aus seinen Augen.