~ Du betrittst eine neue Welt. ~
"Wanderland"
Du läufst für eine Zeit, die dir ewig erscheint. Um dich erstrecken sich, so weit du sehen kannst, nur grüne Hügel, deren langes Gras sich in einem schwachen Windzug bewegt. Ein rätselhafter Duft liegt in der Luft, verheißungsvoll, eine Mischung aus Rauch, frischem Regen und Holunderbeeren.
Der Duft des Abenteuers.
Du folgst immer deiner Nase und saugst die Gerüche tief ein. Bläuliche Blumen bedecken die Hügel in kleinen Gruppen. Als es Abend wird, beginnen sie, sanft zu schimmern.
Du läufst von einer solchen Insel zur nächsten. Die zarten Birken, die vereinzelt auf den Hügeln wachsen, werden mit der aufziehenden Nacht zu bedrohlichen Ungetümen. Dir ist nicht ganz wohl dabei, diese Welt schutzlos zu durchstreifen. Aber Zurückgehen kommt nicht in Frage.
Als es schließlich wirklich finster wird, suchst du dir einen Platz, um dich auszuruhen. Unter einer Birke, die von den leuchtenden Blumen umstanden ist, lässt du dich ins Gras sinken. Du lehnt den Rücken an den Stamm und blickst in den Sternenhimmel, der so klar ist, wie du es daheim nie erlebt hast. Immer waren die Lichter der Stadt da, haben den Himmel erhellt und die Sterne unkenntlich gemacht. Jetzt suchst du nach vertrauten Sternbildern, doch du kannst keines entdecken.
An diesem Ort hältst du inne. Du erinnerst dich noch gut, wie du durch das blaue Tor gegangen bist. Jetzt bist du froh, dich nicht anders entschieden zu haben: Deine Abenteuer waren zwar nicht ungefährlich, aber du hast fantastische Ort entdeckt, und wirst vielleicht noch Vieles mehr entdecken.
Die Nacht ist nicht besonders kalt. Du schließt die Augen und willst einschlafen, als dich ein Geräusch weckt – eine Art Heulen.
Als du die Augen öffnest, ist der Himmel voller Kreaturen. Für einen Moment erschrickst du, doch die Meisten sind weit entfernt. Da sind hellblaue Wesen, wie chinesische Drachen, jedoch kleiner, als du sie dir vorgestellt hättest. Diese Wesen leuchten, genau wie die Blumen, und tanzen federleicht auf dem Wind, ohne Flügel oder etwas ähnliches zu benutzen. Dann gibt es Motten, jeder Flügel so groß wie deine Hand, die über dem Gras flattern. Manche leuchten in blutendem Rot, andere in phosphoreszierendem Blaugrün, einige in einem schmucken Goldbraun. Schlanke Glühwürmchen, ebenfalls groß wie deine Hand, schweben über den Wiesen. Ihr Licht ist sanfter und taucht die Umgebung in kühles Glühen.
Du hältst den Atem an, um nicht aus Versehen diese Wesen zu verscheuchen – oder auf dich aufmerksam zu machen. Noch weißt du nicht, wie du deine Umgebung einschätzen sollst. Die leuchtenden Nachtbewohner jedenfalls bevölkern weiterhin die Nacht, schweben und flattern über den dunklen Wiesen dahin, die nicht mehr halb so dunkel sind. Statt zu schlafen sitzt du stundenlang wach und bestaunst diese faszinierenden Geschöpfe, bis deren Zahl schließlich abnimmt und die Wiesen für eine Stunde in völlige Schwärze fallen, bis sich die ersten Sonnenstrahlen erheben. In dieser Stunde schläfst du ein, und du erwachst am Morgen trotz des kurzen Schlafes ausgeruht und bereit für weitere Abenteuer.
Du schulterst deinen Rucksack und wanderst drauflos, immer in die Richtung, in der sich die Sonne erhebt, bis auch der letzte Zauber der Nacht geschwunden ist.
Gegen Mittag erreichst du …
Kapitel 269: [https://belletristica.com/de/chapters/32678/edit]