Liam erwachte aus einem scheinbar Traumlosen Schlaf, die Sonne blendete ihn, er blinzelte vorsichtig. Hatte er nur davon geträumt sich umzubringen oder hatte er überlebt? Er hob seinen Arm, er es ihm mit stechenden Schmerzen dankte. Er hatte nicht geträumt, seine beiden Arme lagen in dicken Verbänden vom Handgelenk bis zu den Ellbogen. Sie hatten ihn geschnappt, Liam war sich sicher in einer Psychiatrie zu sein. Er blinzelte noch einmal, endlich schienen seine Augen sich an das helle Licht zu gewöhnen. Er versuchte sich aufzusetzen um den Raum besser erkennen zu können, er schien aus Holz zu sein, aber jemand drückte ihn sofort wieder zurück auf das Bett. Liam erkannte den Obdachlosen, seine grauen Augen funkelten wütend: "Du bleibst schön liegen!" Liam gab dem Druck nach und leistete keinen Widerstand mehr, der Obdachlose lies damit von ihm ab und lehnte sich auf dem ebenfalls hölzernen Sessel, der neben dem Bett stand zurück. "Bist du der Idiot der mich dann wohl aus dem Fluss gezogen hat?", fauchte Liam ihn an. "Vernon!", der Obdachlose hörte auf ihn anzustarren und lies seinen Blick über seine Arme schweifen. "Was?", Liam starrte ihn verwirrt an. "Mein Name ist Vernon!", die grauen Augen fixierten ihn wieder "und da wo ich her komme bedankt man sich bei seinem Retter! Aber du, Liam, bist mir auch sonst ein Rätsel!" Liams blaue Augen funkelten voller Neugierde: "Ich bin dir ein Rätsel? Woher kennst du überhaupt meinen Namen?" Vernon lächelte verächtlich: "Ich weiß so einiges über dich! Du hattest einen guten Freund, Robert, einen Sozialarbeiter Matthew Less und ein Zimmer zum wohnen, und trotzdem hast du dein Leben als so schrecklich erachtet das du dich umbringen wolltest, nur weil du dich nicht verstanden gefühlt hast! Weil du ein impulsiver dummer Junge bist!" Liam drehte seinen Kopf zur Wand um dem Blick des Obdachlosen zu entrinnen. Er würde ihn sowieso nicht verstehen, er war immerhin Obdachlos und vielleicht sogar ein Junkie. Liam starrte die Holzwand an, es passte nicht zusammen. Er setzte sich blitzschnell auf ehe Vernon es verhindern konnte und blickte sich um. Der Raum erinnerte an eine alte Jagdhütte oder ähnliches, es gab allem Anschein nach keinen Strom und außer einer großen Türe deutete auch nichts auf eine Küche oder ein Bad hin, Liam vermutete allerdings das die schwere Holztür nach draußen führte. "Weißt du Liam, ich habe dich immer für einen dieser Menschen gehalten, dumm und wie Ameisen, sie arbeiten dahin und verstehen nichts. Aber du hast mir essen gegeben, während andere mir nur angewiderte Blicke zu warfen. Du hast dein Geld mit mir geteilt, immer wenn wir uns gesehen haben, da dachte ich mir, dass du etwas besonderes bist. Dann konntest du die Schlange auf meiner Brust sehen, und ich habe deine Augen aus der Nähe betrachtet. Blaue Augen, schwarze Haare, eigensinniger Charakter, ich hätte früher darauf kommen können, aber der Stoff hat wohl meine Sinne benebelt!" Liam verdrehte die Augen, ein verrückter Junkie hatte ihm das Leben gerettet. Immer wenn er dachte es gebe keine weitere Treppe mehr die sein Leben herab setzen konnte erschien die nächste. Er fühlte sich schwach und müde, bemerkte das sein Hals brannte. "Du brauchst Wasser Liam, ich hole dir welches, und wage ja keinen Versuch aufzustehen, ich will dich nicht noch einmal in mein Bett heben müssen!", Vernon stand auf und ging zur Tür, Liam konnte einen Blick nach draußen erhaschen, sie schienen wirklich im Wald zu sein. Einen kurzen Moment später kehrte Vernon mit einer Holzschale voll Wasser zurück und setzte sich neben Liam aufs Bett. "Ich kann sie selbst halten!", fauchte Liam, wurde aber beim Versuch mit einem stechenden Schmerz am heben seiner Arme gehindert. Vernon drückte ihm die Schüssel an die Lippen: "Dummer Junge, trink einfach!" Liam tat was der Obdachlose ihm befahl und trank. Vernon wartete geduldig und drückte ihn dann zurück auf das Bett: "Du musst dich schonen, ich dachte die ersten Tage du würdest mir hier weg sterben, also versau es nicht zum Ende!" Liam lies sich nach hinten fallen, er fragte sich warum ihn dieser Junkie in kein Krankenhaus gebracht hatte. Nicht das er viel Wert darauf legen würde einem Arzt seine Verletzungen zu erklären, aber es wäre einfacher gewesen. Er dachte darüber nach wie lange er bereits hier war, ob Robert nach ihm suchte, oder Mag. Less. Oder ob er ihnen bereits egal war, eine Sorge weniger. Der Schlaf übermannte ihn, er träumte von blauen Gestalten, sie erinnerten an Menschen, hatten aber Flügel wie Adler. Sie trugen ein Baby in den Armen, ein normales Kind.
"Achana, denkst du wir tun das richtige, denkst du wir handeln im Sinne der Königin?", das kühle blaue Gesicht des geflügelten Mannes verzog sich vor Sorge. Die Frau hatte das Baby umklammert und starrte auf das Waisenhaus: "Ich weiß es nicht, Kian, aber bei uns ist er nicht sicher!"
Liam starrte auf das eigenartige Paar, wären sie von normaler Hautfarbe und ohne Flügel würde er sie für einfache Menschen halten. Eine kalte Präsenz schien von ihnen aus zu gehen. "Wer, oder besser was, seid ihr?", rief Liam ihnen zu, aber sie schienen ihn nicht zu bemerken. Der Mann nahm ihr das Baby aus der Hand und legte es vor das Waisenhaus: "Ich hoffe es ist was Liana von uns gewollt hätte!" Die Frau nahm seine Hand: "Mehr können wir nicht tun, wir müssen gehen ehe die Menschen uns entdecken!" Liam starrte weiter auf die seltsame Szenerie die sich ihm bot, er versuchte es erneut: "Hallo, bitte was macht ihr hier, das ist das Waisenhaus in dem ich aufgewachsen bin, ihr könnt das Kind nicht hier lassen, es ist schrecklich hier!" Die beiden blauen Wesen breiteten ihre Flügel aus und stießen sich vom Boden ab. Der Mann verschwand sofort, die Frau blickte noch einmal zurück: "Viel Glück Liam!"
Liam erwachte, Regen prasselte gegen das Fenster und er konnte beim besten Willen nicht sagen wie lange er geschlafen hatte. Die Holztür schwang auf und Vernon betrat völlig durchnässt die Hütte. Er zog sein Hemd über den Kopf und warf es achtlos in eine Ecke. Zum ersten Mal konnte Liam einen Blick auf das gesamte Tattoo auf der Brust seines Retters erhaschen. Eine Schlange die sich selbst verschlang, sie war mit vielen ihm nicht bekannten Runen verziert. Vernon lies sich auf den Stuhl neben seinem Bett fallen und verzog das Gesicht: "Was starrst du so? Fühlst du dich besser?" Liam setzte sich auf, er fühlte sich kräftiger, aber von gut konnte man nicht sprechen. "Mir geht es besser, kann ich etwas zu essen haben?" Vernon lachte verächtlich: "Bitte und danke haben sie dir im Waisenhaus wohl nicht bei gebracht!" Liam verdrehte die Augen, die Art des seltsamen jungen Mannes brachte ihn zur Weißglut. "Bitte Vernon, ich habe Hunger!", er versuchte dabei nicht genervt zu klingen. Vernon zog ein Stück Brot aus seiner Tasche und hielt es ihm hin: "Mehr habe ich nicht, das muss reichen bis du wieder fit bist und wir uns mehr beschaffen können!" Liam starrte ihn verwirrt an und biss in das trockene Brot: "Wir sind in Kenses City, selbst in den Mülltonnen sollte etwas besseres als altes Brot zu finden sein!" Vernons Augen blitzten, sein Blick erhärtete sich: "Wir müssen reden! Wir sind weit weg von Kenses, weiter als du denkst! Aber ich denke, dass du dich noch ein paar Tage schonen solltest!" Liam hatte Bäume gesehen vor dem Fenster, sie mussten also ein gutes Stück von der Stadt entfernt sein. "Wo bin ich hier, und warum hast du mich her gebracht?", fragte er. Vernon lächelte arrogant: "Wir sind in Amergyn kleiner Prinz, willkommen zuhause!" Liam verdrehte die Augen: "Ich weiß ja nicht was für Zeug du dir so in die Venen pumpst aber davon hab ich noch nie gehört!" Vernon strich sich verärgert über seine zerstochenen Armbeugen und funkelte ihn finster an: "Du verstehst das hier nicht Liam, du solltest dich hinlegen!" Liam dachte nicht daran, er würde sich nicht von einem Junkie in einer Waldhütte einsperren lassen. Er stand langsam auf, ihm wurde schwindlig aber es war erträglich. "Setz dich wieder!", Vernon erhob sich "oder muss ich dich ans Bett ketten?" Liam wurde nun richtig wütend. Wie konnte dieser Irre es wagen ihm zu drohen und ihn hier gegen seinen Willen fest zu halten. Er war immer ein guter Sprinter gewesen, aber in seinem Zustand war er sich nicht einmal sicher ob er es bis zur Tür schaffen würde. Aber er musste es versuchen um sich einen Überblick über seine Umgebung zu verschaffen.
Er stürmte los, erreichte die Tür und riss sie auf. Er trat hinaus in den Regen, Vernon holte ihn ein und versuchte ihn zurück in die Hütte zu ziehen. Liam stemmte sich dagegen und sah sich um. Vor ihm erstreckte sich ein dichter Wald, ein paar Kilometer weiter schienen die Bäume gefällt worden zu sein, er konnte eine Art Burg erkennen. Als er nach Links schaute entdeckte er einen Fluss, die den Wald von einer Grasbedeckten Hügellandschaft trennte. Zu seiner Rechten stand unter einem Holzverschlag ein weißes Pferd, er musste zwei mal hinsehen da ihn etwas an dem Tier störte.
"Du bist ja völlig krank!", Liam stieß Vernon zurück "klebst deinem Gaul eine Karotte auf den Kopf!" Plötzlich schien das Tier ihn anzufauchen: "Ich bin kein Gaul, ich bin eine Einhornstute!" Liam zuckte zusammen und betrachtete das Tier näher, es schien tatsächlich ein Horn zu sein, welches das Haupt des Pferdes zierte. Nun lies er sich von Vernon zurück in die Hütte ziehen, dieser wies ihn an auf dem Bett Platz zu nehmen. "Ich spinne!", hauchte Liam "ich drehe durch!"
"Diesen Schock wollte ich dir ersparen!", Vernon lies sich wieder auf dem Sessel nieder "aber der kleine Prinz ist ja wieder eigensinnig!" Liam versuchte seine Gedanken zu ordnen: "Hör auf mich Prinz zu nennen Drecksjunkie, was geht hier vor?" Vernon verdrehte die Augen: "Du hast kein Benehmen! Gibt es so etwas in deiner Welt nicht? Benehmen und Anstand? Nicht das ich viel davon besitze, aber ein wenig schadet nie!" Liam konnte nicht fassen wie gelassen sein Gegenüber die Situation sah, er war gerade von einem Einhorn zurecht gewiesen worden und sollte sich von einem Junkie eine Lehrstunde in Benehmen geben lassen. "Vernon wo bin ich und was ist da draußen gerade passiert?"
"Du bist in Amergyn!", begann Vernon zu erklären "ich habe dich durch ein Portal, also eine Tür zwischen meiner und deiner Welt, hier her gebracht weil du der Sohn von Königin Liana bist, der Erbe von Yoricks Thron!" Liam fragte sich ob Vernon selbst glaubte was er erzählte: "Ich bin Waise, und verstehe nicht was hier vor geht, also hör auf mir Schwachsinn zu erzählen!" Vernon wies ihn an ihn nicht weiter zu unterbrechen und fuhr fort: "Ich kann beweisen das du der Sohn der bereits verstorbenen Königin Liana bist, du hast die Burg gesehen, die Burg der Raafes, ein Adelsgeschlecht, das den Westen des Landes verwaltet. Dort gibt es eine Galerie, wenn du das Bild siehst wirst du die Ähnlichkeit erkennen!" Liam konnte seinen Worten weiterhin nicht viel abgewinnen, wollte aber auf das, was er sagte eingehen, immerhin hatte er zuvor ein Einhorn gesehen was jeglicher Vernunft widersprach. Seine Neugierde war einfach zu groß: "Okay, ich würde das besagte Bild nur zu gerne sehen Vernon, wenn es stimmt glaube ich dir!" Vernon lächelte triumphierend: "Ich hole dir das Bild deiner Mutter wenn du dann einfach einmal lachst Liam!" Liam starrte ihn verwirrt an, er hatte schon oft gesagt bekommen das er zu selten lächle, aber nie auf eine so nette Art und Weise. Er entschloss sich einen freundlicheren Ton anzuschlagen: "Okay Vernon, bring mir das Bild meiner Mutter und ich werde lachen!"
Liam hatte sich beruhigt und beobachtete Vernon dabei wie er einem zahmen Raben, der durch reines Rufen durchs Fenster geflogen kam, eine Nachricht für den König Alric von Zoi, seinen angeblichen Vater, mitgab. Ihm blieb nichts anderes übrig als Vernon vorerst zu vertrauen, glauben konnte er die ganze Geschichte nicht. "Gut!", Vernon sprang auf "jetzt gehe ich mal das Portrait deiner Mutter holen!" Liam hielt ihn zurück: "Geben sie es dir, oder klaust du es?" Vernon lächelte: "Ich werde ein Bild für dein Lachen klauen!"