Catt war an den Höhlen die tief in den Nordberg reichten angekommen. Der Trampelpfad war für die geschickte Elfe kein Problem gewesen, allerdings bekam sie jetzt einige Schwierigkeiten. Sie hatte ein paar seltsame Wesen entdeckt, welche aufrecht gingen und an Affen erinnerten. Sie trugen offensichtlich gestohlene Waffen bei sich, man konnte noch einige Wappen verschiedener Häuser darauf erkennen. Die Wesen gaben eigenartige Laute von sich, Catt war sich sicher, dass diese durch die Höhlen hallten und die mystischen Geräusche erklärten. Sie versuchte die Bande von Affenwesen unauffällig zu verfolgen, um mehr heraus zu finden.
Liam hatte in der Zwischenzeit mit Belgur Zinar, dem obersten Klanführer der Werwölfe verhandelt. Das Gebiet hatte sich als schwierig herausgestellt, die Klans lebten verstreut in kleinen Gemeinschaften, sich zu erklären und durch zu Fragen hatte viel Zeit verschlungen. Die Ruine der Burg der Familie Nagris war der Sitz der Alphawölfe, alle Klanchefs trafen sich dort um Probleme oder eine kommende Jagd zu besprechen. Die Alphawölfe hatten sich nicht die Mühe gemacht die Ruine wieder in Stand zu setzen, es schien als hätten sie generell nicht viel für schönes Wohnen übrig. Liam war aufgefallen, dass beinah alle Wölfe braune, oder zumindest dunkle Augen hatten, im Gegensatz dazu waren die Reinblüter mit sehr hellen Augenfarben gesegnet. Er fragte sich ob man sie deshalb als Schwarzblüter bezeichnete. "Lianas Sohn also, auf der Suche nach einem Gefangenen!", Belgur lachte schallend "Wölfe fangen nicht, junger Prinz, sie töten!" Liam schauderte, er hoffte das sie keine Halbblüter töten würden. Er überlegte wie er Vernons Herkunft am besten erklären sollte: "Alpha Zianr, ich muss wissen ob ihr an euren Grenzen jemand ungewöhnlichen getroffen hat, einen Halbwolf vielleicht?" Der bis dahin kühne Blick des Alphas verwandelte sich in pure Besorgnis. Er schien sichtlich nervös zu werden und fixierte Liam eigenartig. "Ein Halbwolf sagst du? Wie ist sein Name? Wer sind seine Eltern?" Liam überlegte und begann das große Ganze zu sehen. Belgur Zinar hatte dunkelbraunes Haar, Larelinas graue Augen, die Körpergröße: "Ich denke ich bin auf der Suche nach eurem Sohn Belgur!" Die Augen des Werwolfs wurden von tiefer Traurigkeit durchzogen, er senkte seinen Kopf, hörte auf Liam anzustarren und wandte sich ab. "Es ist also wahr?", Liam wollte ihn nicht so einfach davon kommen lassen "er ist euer Sohn, und ihr wart all die Jahre hier und habt es gewusst?" Der Wolf fuhr herum, eine Träne war ihm über die Wange geronnen: "Du verstehst das nicht Bürschchen! Wäre ich dem Jungen einmal nahe gekommen hätte seine Mutter jeden hier ausrotten lassen! Sie ist mächtig und eine größere Bestie als jeder Wolf den ich kenne!" Liam dachte darüber nach was Belgur gesagt hatte, er konnte sich durchaus vorstellen das man die Tatsache das Larelina einen Bastard hatte geheim halten wollte, und im Wald konnte Vernon keinen Schaden anrichten. "Ihr solltet wissen das Larelina und Malwyn Raafe tot sind!", erzählte Liam kleinlaut. Belgur packte ihn an den Schultern und schrie: "Bist du dir sicher?" Liam nickte, schließlich war er es gewesen der beide auf dem Gewissen hatte. Schnell fokussierte er sich wieder auf die Situation: "Helft mir Belgur, helft mir euren Sohn zu finden!"
"Na wunderbar", flüsterte Liam Belgur zu, die beiden hatten sich in die Höhlen im Nordberg geschlichen und den lauten Schreien gefolgt. Sie entdeckten Catt die mit einer Meute eigenartiger Affenwesen stritt, aber das war auch von Vorteil, so konnten sie unbemerkt weiter in die Höhlen vordringen.
"Folgt mir, ich kann euren Freund schon riechen!", Belgurs Sinne erwiesen sich als äußerst nützlich um durch das Labyrinth aus schwarzem Stein zu navigieren. An manchen Stellen waren kleine Einkerbungen in der Wand in welchen schlecht gefertigte Kerzen aus Bienenwachs ein wenig Licht spendeten, ansonsten musste man sich voran tasten. Sie erreichten eine Sackgasse und Liam wäre beinah in ein Loch gestürzt. "Früchte und Beeren, Fleisch und...", Belgur fasste in das Loch und zog einen großen geflochtenen Korb heraus "ein Wolf!"
Liam riss den Deckel des Korbes hinunter, sein Herz schlug ihm bis zum Halse. Er musste an Schrödingers Katze denken, solange man nicht in die Kiste sah war das Tier tot und lebendig zugleich. Ein leises Stöhnen lies ihn aufatmen, auch wenn er in der Dunkelheit nicht viel erkennen konnte wusste er das es sich um Vernon handelte. Liam steckte beide Arme in die Öffnung und war froh das Vernon sofort seinen Arm packte und sich daran hoch zog. Belgur riss den Korb in zwei Hälften, sodass sein Sohn nicht hinaus klettern musste. "Liam", Vernon tastete sich an seinem Arm hoch "es tut mir Leid!"
Noch bevor er zu einer Erklärung ansetzen konnte schloss Liam ihn in die Arme, er war einfach nur froh ihn wohl behalten gefunden zu haben. Plötzlich viel ihm wieder ein das er Vernon erklären musste warum er seine Familie ausgerottet hatte, aber das musste warten, er würde einen geeigneten Zeitpunkt suchen.
"Bring Vernon in Sicherheit, ich hole Catt!", befohl Liam Belgur, dieser wartete gar nicht auf eine Antwort oder Einladung von Vernon sondern packte diesen und warf ihn sich einfach über die Schulter.
Als Nica die Höhlen erkundete, entdeckte sie ebenfalls Catt, sie sah wie ein stattlicher Mann Vernon aus einem anderen Gang trug. Dann kam ihr Liam entgegen: "Gut das du da bist Nica! Vernon ist in Sicherheit, lass uns Catt holen!"
Die beiden gesellten sich zu Catt, die immer noch schreiend mit Händen und Füßen mit den Affenwesen diskutierte.
"Nicht Gefangener wegnehmen, essen für harten Winter seien!", brüllte eine der absonderlichen Gestalten. Catt rastete nun vollständig aus, sie trat dem Wesen ins Gesicht. Liam war wieder erstaunt wie viel Kraft die Elfe hatte. "Noch ein Wort und ich trete fester!", schrie sie, Nica und Liam packten sie und nahmen sie mit nach draußen, die Affenwesen kreischten und schrien, aber sie trauten sich nicht ihnen zu folgen. Vor der Höhle stellte Liam Catt und Nica seinen neuen Verbündeten vor: "Das ist Belgur Zinar, er ist..." "Ich bin der Alphawolf", unterbrach Belgur ihn. Liam war verwundert, aber beschloss seine Verbindung zu Vernon für sich zu behalten.
Ein lautes Brüllen erschütterte den sich bereits verdunkelnden Himmel, als die kleine Gruppe ihren Blick nach oben richtete stockte ihnen der Atem. "In Büchern und legenden habe ich über diese Wesen gelesen, aber ich dachte es gibt seit Jahrhunderten keine mehr!", entfuhr es Nica. Vor ihnen landete ein schwarzer Drache von dessen Rücken der oberste Hexer stieg.
Er verneigte sich vor Liam: "Ich bin Syvalios Nagris, der Hexenmeister! Um meine treue zur Krone auszudrücken biete ich euch meinen Drachen, Prinz Liam, um euren verletzten Freund so schnell wie möglich zurück nach Yoricksstadt zu bringen!" Liam betrachtete den Mann mit den roten Augen lang und eingehend: "Vielen Dank, ich weiß das sehr zu schätzen und werde euch diese selbstlose Tat nie vergessen!"
Vernon erwachte am nächsten Tag, er bemerkte sofort das er nicht mehr in dem Korb der eigenartigen Affenwesen steckte, die ihn von dem Baum, an den ihn seine Schwester gebunden hatte, befreit und mitgenommen hatten.
"Wie geht es dir?", Liams Stimme zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er lag ihn einem der Zimmer des Schlosses, auf dem klassischen Himmelbett mit den verzierten Säulen. Liam sah mitgenommen, aber zufrieden aus. "Liam es tut mir so Leid", Vernon wich seinem Blick beschämt aus "ich bin auf meine Schwester rein gefallen und habe dich hintergangen!" Liam packte seine Hand bis er ihm wieder in die Augen schaute. Was er dann sagte betonte er mit jeder Silbe: "Nein Vernon, ich habe dich im Stich gelassen obwohl ich wusste wie es dir geht! Und ich habe mich wie immer egoistisch verhalten und nur an mich gedacht!" Vernon hob verwundert die Braue, seine grauen Augen musterten ihn eindringlich: "Was hast du getan Liam?" Liam lies seine Hand los und stand auf, er konnte Vernon nicht in die Augen sehen und ihm dabei aufzählen was er alles verbrochen hatte. Er suchte in seinem Kopf nach den richtigen Worten, aber er hatte Angst damit ihre Freundschaft zu zerstören. "Du hast sie umgebracht, habe ich recht?", fragte Vernon, er hatte sich aufgesetzt und starrte auf den Boden. Liam drehte sich wieder zu ihm um, Tränen standen in seinen Augen: "Es tut mir Leid Vernon, sie hatten dich mir weg genommen, ich bin durchgedreht!" Vernon erhob sich und raufte sich die Haare: "Wie kannst du nur andere töten für mich Liam? Wieso tust du so etwas? Und vor allem, wie geht es dir damit?"
Der letzte Satz traf Liam wie ein Pfeil, er hatte mit vielen Reaktionen gerechnet, aber mit Sorge um ihn bestimmt nicht. Vernon kam auf ihn zu, die beiden standen wie früher, als Liam noch ein normaler Schüler aus Kenses City gewesen war, vor einander und schauten sich tief in die Augen.
"Ich hatte Angst du hasst mich dafür", wisperte Liam ihm zu. Vernon trat noch näher an ihn heran und legte ihm eine Hand auf die Wange.
Liam spürte das ihm die Situation wieder Unbehagen bereitete, obwohl er das Gefühl eher als eine Art warmes kribbeln unter seiner Haut beschreiben würde. Unbehagen aufgrund eines Verbots, oder eines Tabus. Er war sich nicht sicher wie er empfand, ob es sich dabei um die vom weißen Tiger beschriebene Bindung handelte. "Ich könnte dich nie hassen Liam!"
"Wir werden fortgehen Vernon, nach Argenshire, sobald du dich dazu in der Lage fühlst!", Liam nahm Vernons andere Hand "wir werden dem kleinen Finn ein wenig unter die Arme greifen!"
Ein Klopfen an der Türe lies beide aus der seltsamen Situation aufschrecken, Belgur kam hinein und wirkte sichtlich nervös: "Ich wollte mich verabschieden!"
Liam fragte ob er die beiden alleine lassen sollte, aber Belgur winkte ab. "Danke das ihr mich gerettet habt Belgur Zinar!", Vernon lächelte den Werwolf freundlich an, dieser wich seinem Blick sofort aus. Kleinlaut, untypisch für einen Alphawolf sagte er: "Vernon, auch wenn du nur ein halber Wolf bist sollst du wissen das bei uns immer ein Platz für dich sein wird! Du bist mir jederzeit willkommen und ich werde dir immer zur Seite stehen wenn du mich brauchst!" Liam wartete, aber Belgur sagte nichts weiter, er verneigte sich vor den beiden und verließ den Raum.
Der Alphawolf hatte schon fast die Tore in Richtung Grauwald erreicht als Liam ihn einholte. "Belgur, wollt ihr jetzt einfach gehen ohne eurem Sohn zu berichten das er, naja, das er euer Sohn ist!?", fragte Liam entnervt "das könnt ihr nicht machen!"
Belgur drehte sich traurig zu ihm um: "Liam, ich kann verstehen das du meine Entscheidung nicht verstehen kannst, aber was soll ich dem Jungen sagen? Er hat das schlimmste hinter sich und ich war nicht da! Jetzt hat er dich und ihr wollt eine lange Reise wagen. Ihm jetzt zu sagen das er doch noch eine Familie hat würde ihn bloß innerlich zerreisen!" Liam konnte verstehen wie er das meinte. Er selbst spürte diese innere Zerrissenheit weil er seinen Vater so kurz nach ihrem ersten treffen wieder alleine in Yoricksstadt zurücklassen musste, wusste aber das er diese Reise antreten wollte. "Aber eines Tages wirst du es ihm sagen, oder?", fragte er den Wolf noch. Dieser lächelte und nickte, dann machte er sich auf den Weg in seine Heimat.