Liam betrachtete die Hafenstadt beeindruckt, die Sonne war nun völlig in dem großen Fluss Etan unter gegangen. Er fragte sich wie lange die überfahrt dauern würde, er konnte das andere Ufer nicht sehen. Die Reise von Gideon nach Docur Arel hatte länger als die von Finn veranschlagte Stunde gedauert, Eva war einfach nicht fit genug gewesen. Finn trug sie mittlerweile und sie schlief dabei.
Docur Arel war nicht groß, aber schien gut besucht zu sein, einige Läden und Gaststätten erstreckten sich an der gepflasterten Promenade am Hafen. Viele Stege gingen Meterweit auf den Fluss hinaus, unzählige Schiffe warteten dort darauf wieder abzulegen. Fischkutter, Handelsschiffe und Schiffe mit schwarzen Segeln, Liam schätzte das es sich um Freibeuter handelte. Finn setzte Eva unsanft am Boden ab: "Wach auf, wenn ich dich so in ein Gasthaus trage erregen wir zu viel Aufmerksamkeit!" Eva versuchte sich tapfer auf den Beinen zu halten.
Das Gasthaus, welches Finn ausgesucht hatte, wirkte genau so schlecht wie Liam sich fühlte. Er hatte den ganzen Marsch, welcher still und in angespannter Atmosphäre statt gefunden hatte, an seinen Streit mit Vernon gedacht.
"Mach dir keine Sorgen", Finn der einstweilen mit dem Wirten gesprochen hatte drückte ihm einen Schlüssel in die Hand "er kommt bestimmt zurück!" Liam lächelte dankbar, auch wenn Finn der schlimmste Zeitgenosse den er je kennen gelernt hatte war, so munterte er ihn in der Situation ein wenig auf. "Es tut mir übrigens Leid!", rief Finn ihm noch nach, als er die Holzstiegen nach oben in sein Zimmer ging. Liam war überrascht, eine Entschuldigung hatte er von dieser aufbrausenden und impulsiven Person nicht erwartet. Das Zimmer war wie der Rest des Gasthauses, dunkel und moderig, aber Liam hätte auch draußen am Boden schlafen können. Er lies sich in das knarrende kleine Holzbett fallen und fiel sofort in einen dämmrigen Schlaf.
Finn verweilte mit Eva noch unten im Gastraum, er hatte sie an einen Tisch gesetzt und den Wirten überredet trotz der späten Stunde noch ein paar Brote und getrocknetes Fleisch aufzutischen. "Iss", wies er sie an und lies sich auf einen Stuhl ihr gegenüber fallen. Evas Magen tat vor Hunger schon weh, gierig verschlang sie die ersten zwei Brote, als sie nach dem dritten greifen wollte nahm Finn den Korb vom Tisch. Erbost und beschämt zog sie ihre Hand wieder zurück und musterte ihn kritisch. "Langsam", er lehnte sich zurück "dein Magen muss sich erst wieder an das Essen allgemein gewöhnen! Wie lange hast du nicht gegessen, einen oder zwei Tage?"
"Vier", erwiderte sie ungehalten und fragte sich ob er ihr jemals in die Augen schauen würde "aber da war ein alter Mann in unserem Lager, er konnte nicht arbeiten also hätte er nichts bekommen!" Finn lachte verächtlich: "Das ist dumm Eva!" Sie starrte auf den Tisch, dieser wohl aus gutem Hause stammende junge Mann hatte allem Anschein nach nicht viel für die Not anderer übrig. "Warum bist du eigentlich hier?", schoss sie bissig in seine Richtung "sicher nicht um uns zu helfen!" Finn beugte sich vor, diesmal starrte er ihr direkt in die Augen. Eva erschrak, sie hätte nicht erwartet so viel Schmerz darin zu finden. Um sie herum schien alles zu verschwinden, sie sah ein prächtiges Schloss, ein gewaltiges Schiff mit weißen Segeln. Ein kleiner blonder Junge trug stolz ein Baby in den Armen. Dann ein Sturm, das Schiff sank, der Junge drohte zu ertrinken aber der lies das Baby nicht los, statt sich selbst über Wasser zu halten hielt er das Baby hoch, er schaffte es ans rettende Ufer. Dort schien ein dunkler Schatten über ihm zu hängen, eine düstere Stimme flüsterte: "Deine Tat wird folgen haben, nie wird deine Schwester den weißen Thron besteigen, ich werde dir alles nehmen was du liebst kleiner Prinz" Eva schreckte hoch, als wäre das alles um sie herum nicht passiert hielt ihr Finn den Brotkorb vor die Nase. "Ihr seit der kleine Prinz!", stellte sie erschrocken fest "der Prinz von Elensar der seine Schwester aus dem Wasser gerettet hat!" Finn deutete ihr leiser zu sprechen: "Darum bin ich hier, die Stimme damals, sie gehörte dem Dunklen. Sein Artefakt verleiht dem irren Dämon Chrunch seine ungeheuerliche Kraft, ich muss es finden und zerstören! Und auch alle weiteren Überbleibsel dieses Scheusals in jeder erdenklichen Welt!"
Eva aß noch ein Brot und dachte über das nach was sie gesehen hatte. Nun empfand sie große Bewunderung für den jungen Finn, er hatte nicht nur seine Schwester aus dem Wasser gerettet sondern schien nun dieses Übel vernichten zu wollten. Sie konnte nun auch verstehen warum er so ein grober Klotz geworden war. Ihr Vater hatte ihr Geschichten über Elensar erzählt, mächtige Magier lebten dort, aber einer hatte sie alle in den Schatten gestellt. Man nannte ihn den Dunklen, angeblich sollte er der Teufel selbst sein, er hatte für unzähliges Leid gesorgt. Nur wenige hatten es gewagt gegen ihn zu kämpfen und auch nach seiner Vernichtung vor 11 Jahren verbreiteten die Artefakte die er hinterlassen hatte noch Angst und Schrecken. "Wie du nun wahrscheinlich begreift muss ich all diese Artefakte finden", Finn riss sie aus ihren Gedanken "nur so kann meine Schwester Königin werden und Elensar wird Frieden finden! Das ist mein Sinn, meine Bestimmung!"
Die Nachtruhe währte nicht lange, bereits vor Sonnenaufgang riss Finn Liam aus dem wohl verdienten Schlaf. "Wie ist der Plan?", fragte dieser und rieb sich verschlafen die Augen. "Im Hafen liegt ein schwarzes Schiff, dort wartet ein Freund von mir auf uns, wir können mit ihnen über den Etan fahren. Sie werden uns an der Küste absetzen, von da schlagen wir uns zu Fuß nach Katzus durch!", antwortete Finn und stopfte noch alles nützliche was er unten in der Gaststätte fand in seinen Rucksack. "Willst du Eva nicht langsam wecken?", fragte Liam als er bemerkte das sie nicht hier zu sein schien. Finn winkte ab: "Ich habe sie auf das Schiff getragen bevor ich dich geweckt habe, sie braucht noch Ruhe sonst schafft sie die überfahrt nicht lebend!" Liam wahr aufs neue erstaunt wie Verantwortungsbewusst Finn zu sein schien. "Das alte Sprichwort stimmt also doch, harte Schale, weicher Kern!", sofort nachdem Liam das ausgesprochen hatte verdrehte Finn die Augen und tat als müsste er sich auf der Stelle übergeben, dann deutete er ihm das es Zeit war aufzubrechen. Außer ihnen waren bloß schon ein paar Fischer auf dem Weg zu ihrem täglichen Werk. Finn huschte rasch zwischen ihnen hindurch und Liam hatte mühe mit ihm Schritt zu halten. Schnell erreichten sie das von Finn beschriebene Schiff. Die schwarzen Segel waren schon gespannt und der Anker wurde eingeholt. An Deck erwartete man sie bereits: "Ich dachte schon du kommst nicht mehr!", ein grinsen mit spitzen Zähnen lies Liams Atem stocken. Der junge Mann vor ihnen verbeugte sich spöttisch vor Liam: "Ich bin Church, der nicht ganz so gestörte Dämon! Also habt keine Angst, ich gehörte zu Finns Verbündeten!" Liam atmete auf, die beinah schwarzen Augen seines Gegenübers strahlten bei weitem nicht den Hass auf die Welt aus, den er beim irren Diktator gespürt hatte. "Wo ist das Mädchen?", fragte Finn ihn, und blickte sich hektisch um. Church zuckte mit den Schultern: "Punky, bescheuerter Name wenn du mich fragst, ist aufgewacht und hat panisch geschrien als sie mich sah, hat sich einfach nicht beruhigen lassen, ich habe sie in die Vorratskammer gesperrt!"
Liam warf Finn einen vielsagenden Blick zu, dieser schubste Church zur Seite und verschwand unter Deck.
Liam hatte so Zeit die ganze Crew in Augenschein zu nehmen. Am Steuer stand eine Frau, er schätzte sie auf Mitte 40, mit strähnigen schwarzen Haaren, neben ihr saß ein kleiner Junge der sich als ihr Sohn herausstellte. Ihr Name war Laudy und sie kam aus dem Lager in Symetra, Finn hatte sie und ihren Sohn befreit als das Lager geräumt werden sollte um Platz für mehr Ritter des Ordens zu schaffen. "Man kann über den seltsamen Jungen sagen was man will", erzählte sie "aber für uns ist er ein König, der König der Rebellen!" Liam war überrascht was man hier für eine Hohe Meinung über Finn hatte. Church winkte ihn zu sich, er ging mit ihm an Deck entlang: "Liam aus Amergyn, gut das wenigstens ein Land bereit ist seinen Beitrag zu leisten und diese Menschen nicht sterben lässt!" Liam war erstaunt, er verstand nicht welches Interesse der Dämon daran hatte Argenshire zu helfen. "Ihr seit ein Dämon, Church, und euer Zwillingsbruder hat die Macht gewaltsam an sich gerissen, warum helft ihr Finn?", fragte er gespannt auf die Antwort. Church grinste und strich sich sein schwarzes Haar aus dem Gesicht: "Ich hasse den Dunklen, und ich werde Finn helfen so gut ich kann! Außerdem ist mein Bruder erst durch das Artefakt verrückt geworden, ich wusste selbst nicht das er es hat!"
Liam begann zu verstehen welche Macht die Hinterlassenschaften des Dunklen haben mussten, sie konnten sogar Zwillinge entzweien und ganze Länder ins Chaos stürzen.
Finn hatte Eva einstweilen in der Vorratskammer entdeckt, sie saß apathisch hinter ein paar Fässern mit frischem Wasser und zitterte am ganzen Körper. Er näherte sich ihr vorsichtig und verpasste ihr dann eine Ohrfeige.
Verstört rieb sie sich die Wange und funkelte Finn wütend an: "Was ist passiert, wie komme ich hier her?" "Du solltest lernen den Feind nicht zu fürchten!", erwiderte er kühl und half ihr auf. Plötzlich ging die Türe auf und Church lehnte im Türstock, Finn lies Evas Hände sofort los: "Ich hoffe ich störe nicht, ich wollte mich entschuldigen, das einsperren war keine adäquate Lösung!" Finn verließ ohne ein weiteres Wort zu sagen den Raum, Eva starrte Church lange an. "Warum hast du das damals getan?", fragte sie schließlich. Er grinste und entblößte seine spitzen Zähne: "Das wirst du nie erfahren!"
Liam fand Eva am selben Abend an der Reling sitzend. Ohne sich umzudrehen fragte sie: "Du magst Vernon, nicht wahr?" Liam lachte: "Er ist ein Idiot, und noch dazu einfach kein Mensch!" Eva legte den Kopf schief: "Ich bin mir nicht sicher ob das eine Rolle spielt, wer weiß ob wir wirklich Menschen sind, von Church habe ich das auch gedacht, und doch war er etwas völlig anderes!" Liam setzte sich nachdenklich zu ihr uns starrte auf die leichten Wellen die der riesige Fluss warf: "Darum geht es nicht eher um diese Geschichte mit Finns Ziehschwestern, ich weiß nicht wer sie sind!"