In den nächsten Tagen veränderte sich etwas. Seine Mutter. Diesmal wusste Billy es ganz sicher. Billy's Mutter wurde still. Und sie umarmte Billy oft. Sehr oft. Eigentlich jedes Mal, wenn sie Billy sah. Und sie nannte ihn 'Schätzchen'. Mit einer neuen Stimme. Einer, die richtig hoch und säuselnd war. Das wurde ihm unangenehm. Zu essen gab es jeden Tag das Gleiche. Billy fühlte sich unwohl. Sehr sogar. Er wusste nicht, was auf einmal los war. Er glaubte es zu wissen. Aber sicher war er sich nicht. Nicht mal das Geschirr klapperte mehr. Billy wünschte sich, er würde es klappern hören. Aber er hörte es nicht mehr. Recht bald fragte er sich, ob es mit dem Ring zu tun hatte. Den seine Mutter verloren hatte. Aber Billy war sich nicht sicher. "Billy-Schätzchen, möchtest du auf den Spielplatz spielen gehen?" Billy nickte. Natürlich wollte er. Auch wenn neuerdings alleine gehen musste.
"Kleiner?" Billy hob den Kopf. Jemand hatte ihn angesprochen. Ein Mann. Billy ging zu ihm. Der Mann saß. An eine Hauswand gelehnt. Auf einer Decke. "Deine Mutter, ihr gehts wohl nicht so gut? Hat sie sich verändert?" woher wusste der Mann das? Billy nickte. Es gab ihm Rätsel auf, woher der Mann das wusste. Was dann folgte, war eine lange Geschichte. Die der Mann erzählte. Eine Geschichte darüber, dass seine Mutter eine Fee war, dass sie den Ring, den sie verloren hatte, brauchte. Sie brauchte ihn, um normal zu sein. Aber jetzt hatte sie ihn nicht mehr. Deswegen war sie jetzt so wie sie war. Billy erfuhr, dass es viele andere Feen gab. Sie hätten Billy helfen können. Aber sie lebten schon zu lange unter den Menschen. Sie hatten sich menschliche Eigenschaften angeeignet. Deshalb halfen sie nicht. "Aber warum helfen sie nicht?" fragte Billy. "Weil sie blind sind Junge, sie sind blind" antwortete der Mann.
"Blind? Aber sie sehen doch?"
"Nur das wesentliche sehen sie nicht, kleiner. Sie sind teilweise wie die Menschen geworden. Sie verschließen ihre Augen vor unangenehmen Dingen. Es scheint nur so als hätten sie offene Augen. In Wahrheit sind sie geschlossen." Billy sah den Mann an. Ob er recht hatte? Billy war sich nicht sicher. Woher sollte er sich auch sicher sein?
"Weißt du Junge, es gibt vieles, wovor die Menschen ihre Augen verschließen. Vor allem vor allem schlechten, dem sie nicht her werden." Der Mann schaute nun ruhig in die Ferne. Die nicht sehr fern war. Sie reichte nur bis zur anderen Straßenseite. Aber wäre da nicht die andere Straßenseite sondern eine Steppe, (so eine in der die Jaguare auf die Jagd gingen wenn sie Hunger hatten) wäre da nun eine Steppe, wäre die Ferne wirklich fern. Aber so nicht. Billy beschloss aber, es dem Mann nach zutun. Er tat es ihm lange nach. Sehr lange. Aber bald wurde es Billy zu langweilig. Er wollte nicht mehr in die Ferne gucken.
Billy wusste nicht, was er jetzt sagen sollte. Oder konnte. Vielleicht sollte er einfach gehen. Ja, wollte er machen. Er wollte bis Fünf zählen und dann gehen.
Eins. Billy schielte mit einem Auge auf den Mann. Immer noch tat er nichts anderes.
Zwei. Billy drehte nun den Kopf um den Mann besser ansehen zu können.
Drei. Billy drehte sich nun vollständig zu dem Mann um. Der Mann tat nichts anderes als die andere Straßenseite zu betrachten.
Vier. Billy bereitete sich innerlich darauf vor, sich umzudrehen und zu gehen.
Fünf. Bis jetzt hatte sich der Mann noch nicht gerührt. Sollte Billy wirklich gehen? Er war sich nicht sicher. Vielleicht wollte der Mann ihm noch was wichtiges sagen? Aber hätte er es dann nicht schon getan? Billy wusste es nicht. Wenn er jetzt ginge würde er wohl etwas wichtiges verpassen. Oder? Wenn er es nur wüsste. "Junge, ich muss dir was geben. Gib diesen Ring hier deiner Mutter. Es ist zwar nicht derselbe aber er hat die gleiche Wirkung. Ich schenke ihn dir."
"Danke"
"Jetzt liegt es an dir, dass du wieder alles in Ordnung bringst, Junge" meinte der Mann. Billy nickte steckte den Ring ein und hielt ihn fest umklammert. Auf einmal rannte Billy. Er rannte wie ein Jaguar durch die Steppe. Er rannte so schnell wie noch nie. Zuhause wartete seine Mutter schon in der Türe. Sie schien ganz aufgelöst. Und traurig glaubte Billy. Sicher war er sich aber nicht. Auf jedenfall hatte sie geweint. Wenn auch nicht viel. "Billy Schätzchen, wo warst du denn so lange? Ich dachte nicht, dass du so lange fortbleiben würdest." tadelte sie mit dieser neuen, verhassten Stimme. Billy sagte nichts. Er holte nur seine Hand aus der Tasche und hielt ihr den Ring hoch. Seine Mutter betrachtete ihn. Sie lächelte leicht. Das glaubte Billy jedenfalls. Sich war er sich aber nicht.
Am nächsten Morgen hatte sich noch nichts geändert. Billy war traurig. Jetzt würde alles so bleiben. Er wollte das nicht. So war es blöd. Und ungewohnt. Ob er den Mann besuchen sollte? Um ihn zu fragen? Billy war sich nicht sicher. Trotzdem ging er. Aber der Mann war nicht mehr da. Billy ging wieder. Besser gesagt er schlich. Nach Hause. Er war traurig. Jetzt würde es wohl für immer so bleiben. Mit seiner neuen Mutter.
Als er heimkam und die Türe öffnete, hörte er im Flur schon das Klappern und Klirren des Geschirres. Endlich.