Von dort, wo die drei Ritter mit ihren Pferden hielten, hatten sie einen freien Blick auf die Burg. Die Sonne stand schräg über dem Bergfried und ließ die Steine des Turmes graugelb aufleuchten. Kernburg und Mauern dagegen waren in tiefe Schatten gehüllt, als gelte es, die Burg vor allzu neugierigen Augen zu verbergen.
Gandar von Rodéna ließ seinen Blick rundum wandern, während er versuchte, so viele Einzelheiten wie möglich in sich aufzunehmen.
»Das ist sie also«, sagte er nüchtern. »Die Burg des Verräters.«
»Ich hoffe, du hast recht und wir finden endlich die Beweise, die wir suchen.« Gareth von Cashel hob sein rotes Haar an und tupfte sich umständlich den Schweiß von Gesicht und Hals. »Ich möchte Konrad von Staufen ungern mit leeren Händen gegenübertreten.«
Gandar hob eine Braue. »Du, Gareth? Und dabei dachte ich, ich sei derjenige, der im Falle eines Misserfolgs die Schelte kassiert.« Er hätte es gern mit einem unbekümmerten Grinsen gesagt, aber er brachte keines zustande. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken.
»Tja, besser du als ich«, gab Gareth zurück. »Du bist kein Kronvasall. Dir kann es gleichgültig sein, ob du Konrads Missfallen erregst oder nicht. Du hast nichts zu befürchten.«
»Das mag sein«, warf der dritte Reiter, der Sarazene Ahmad ibn Asher Halewi ein. »Aber du kennst den König. An Misserfolgen sind immer die Fremden schuld. Ohnehin glaubt er, wir seien von seinem Vater gesandt, um ihn zu beaufsichtigen.«
»Er kann uns nichts anhaben«, sagte Gareth. »Wir stehen unter dem Schutz Kaiser Federicos.«
»Das ist wahr«, erwiderte Ahmad. »Aber er kann uns mehr Steine in den Weg legen, als gut für uns wäre. Hast du daran gedacht?«
Gareth setzte zu einer Antwort an, aber Gandar schüttelte in wortloser Ablehnung den Kopf und wandte seinen Blick erneut der Burg zu, die wie verlassen in der Mittagshitze lag. Über den Weinbergen flimmerte die Luft. Das an- und abschwellende Summen der Fliegen und das Zischen der Luft, wenn der Schlag eines Pferdeschweifes sie teilte, waren die einzigen Laute im Schweigen dieser Mittagsstunde. Unterhalb der Burg schnitt der Rhein wie ein glitzerndes in willkürlichen Schleifen und Kehren hingeworfenes Band durch die smaragdgrünen Weinberge.
»Reiten wir zum Fluss hinunter«, sagte Gandar. »Den Pferden wird ein Schluck Wasser guttun.« Er griff nach den Zügeln, wendete seinen Hengst und lenkte ihn auf den staubigen Pfad zurück. Gareth und Ahmad folgten.
Der Graf von Rodéna war ein großer Mann von schlanker, geschmeidiger Gestalt mit festen Muskeln. Er saß ganz entspannt auf dem Pferd, doch hinter der lässigen Haltung lag gespannte Wachsamkeit. Die Haube seines Panzerhemdes war zurückgeschlagen; zerzaustes, graues Haar fiel auf seine breiten Schultern und bildete einen auffälligen Kontrast zu dem dunklen Bart, der sein Kinn bedeckte.
Stunden in der Sonne hatten Falten in seine bronzefarbene Haut gegraben, die von den Augen ausstrahlten. Staub überzog als braunrote Schicht seine Sporen und die sorgfältig verarbeiteten Stiefel. Das Metall der Schienen, die seine muskulösen Beine schützten, war im Laufe der Zeit stumpf geworden. Schmutz und Staub langer Tage im Sattel bedeckte auch die Beinlinge und den verblichenen Wappenrock mit dem Hengstkopf von Rodéna. Das bis zu seinen Knien reichende Kettenhemd dagegen glänzte und zeigte nicht den geringsten Anflug von Rost, ein Umstand, der die Schäbigkeit seiner Bewaffnung umso deutlicher hervorhob. Die Schwertscheide an seiner Seite wirkte abgenutzt und brüchig, als sei sie zu lange im Gebrauch. Parierstange und Griff seiner Waffe waren mit schweißfleckigem Band umwickelt. Nur wenige Menschen wussten, was sich unter der unansehnlichen Hülle verbarg: Eine Damaszener Klinge der kostbaren Art, wie sie nur als Geschenk oder Erbstück den Besitzer wechselt.
Der Weg führte jetzt steil bergab. Stampfende Pferdehufe ließen Wolken von Staub aufwirbeln. Vor den Sätteln wippten die Wasserschläuche, an den Gürteln der Männer gluckerten verstöpselte Kürbisse. Immer weiter schlängelte sich die Straße ins Tal hinab, vorbei an Wiesen und Hecken, über eine Brücke und unter einer römischen Wasserleitung hindurch.
Nach einer Wegbiegung glitzerte ihnen die breite Wasserfläche des Rheins entgegen und Gandar lenkte sein Pferd auf das Ufer zu. Bedächtig stieg er aus dem Sattel, warf seinem Rappen die Zügel über den Kopf hinweg zu Boden, was das Tier als Zeichen kannte, am Ort zu bleiben, nahm den Schild von der Schulter und lehnte ihn an den Stamm eines Baumes. Während Gareth ihre Kürbisflaschen ausspülte, führte Ahmad die Pferde nacheinander in den Fluss, um sie vor dem Aufstieg zur Burg trinken zu lassen.
Gareth warf einen abschätzenden Seitenblick in Gandars Richtung. »Wieso habe ich das Gefühl, dass du uns seit Längerem etwas verschweigst, Gandar?«, fragte er plötzlich.
Gandar drehte sich mit einer abrupten Bewegung herum und schaute Gareth an, der ihn mit jenem nachdenklichen, halb besorgten Ausdruck musterte, den er in den letzten Tagen oft an ihm beobachtet hatte.
»Du bist so verdammt schweigsam, dass es schon an Unhöflichkeit grenzt. Warum erzählst du uns nicht, was dir Sorgen macht? Es hilft.«
Gandar erwiderte nichts. Er wusste nicht, worauf Gareth hinaus wollte, aber er hatte das Gefühl, dass es mehr war als ein belangloses Gespräch, das nur geführt wurde, um die Eintönigkeit zu vertreiben.
»Ich wollte dich schon lange fragen«, fuhr Gareth fort. »Aber ich habe noch keine Gelegenheit gefunden.«
»Wir haben nicht die Zeit für lange Gespräche.«
»Ich weiß, dass es der schlechteste Moment ist, um darüber zu reden, aber ...«
»Warum tust du es dann?«
»Weil es vielleicht der letzte mögliche Moment ist, Gandar. Ich fürchte, wir reiten hier geradewegs in eine Falle. Du weißt, dass ich dir folge, wohin auch immer du uns führst. Aber ich wüsste schon gerne, warum man gerade uns ausgewählt hat, um ... nach dem Verräter zu suchen.«
Gandar warf seinem Freund einen schnellen Blick zu. »Das wolltest du zuerst nicht sagen.«
»Ich… ach, nichts.«
»Was für eine erbärmliche Antwort.«
Gareth stieß hörbar die Luft aus und wandte den Kopf ab.
»Sei so gut und beantworte meine Frage, Gareth.«
»Na schön, meinetwegen«, willigte Gareth ein. »Weißt du, ich habe mich gefragt, was dich bewogen hat, dieses undankbare Kommando anzunehmen. Der König braucht dich. Wenn Vertrauen heißt, dass man dem anderen glaubt, was er sagt, dann traut er dir sogar. Du hättest ablehnen können. Ich bin sicher, Konrad hätte deinem Wunsch entsprochen.«
»Mein Verhältnis zum König ist kompliziert, Gareth. In erster Linie bin ich ihm unbequem.«
Gareth ballte die Faust, wie um sich damit auf den Schenkel zu schlagen, und ließ die Hand dann mit einem Kopfschütteln wieder sinken. »Himmel Gandar, wir ziehen seit Wochen durch dieses barbarische Land, auf der Suche nach einem Verräter, von dem wir nicht einmal wissen, ob er tatsächlich existiert.«
»Er existiert, glaub mir.«
»Mag sein. Doch was nützt es uns, ihn zu finden? Wir haben in diesem Land keinerlei Befugnisse und der König hat es versäumt, uns damit auszustatten. Warum hast du nicht auf Geleitbriefen bestanden?« Sein Blick haftete bei diesen Worten unverwandt auf Gandars Gesicht.
Gandar zog die Brauen in die Höhe. »Warum sollte ich?«
Gareth lachte grimmig. »Wir sind die Fremden. Wir sind entbehrlich.«
»Stellst du meine Entscheidung infrage, Gareth?«, fragte Gandar. »Du kannst gehen, wenn du willst. Ich halte dich nicht zurück.«
»Nicht streiten, Brüder«, warf Ahmad auf Arabisch ein. »Das ist eurer nicht würdig.«
Gareth schaute erst zu Gandar, dann zu Ahmad. »Ich hasse es, wenn ihr das tut«, sagte er missfällig.
Ahmad runzelte in gespieltem Nichtverstehen die Stirn. »Wovon sprichst du?«
»Stell dich nicht absichtlich dumm, Ahmad. Diese stummen Blicke, die ihr hinter meinem Rücken tauscht. Wie zwei verschworene Brüder, die ihre Geheimnisse nicht mit mir teilen wollen.«
Ahmad wischte seine Beschwerde mit einer ungeduldigen Geste beiseite. »Ich weiß, was du jetzt denkst – aber du irrst dich.«
Er reichte Gandar die Zügel seines Pferdes und dieser schwang sich in den Sattel. Anstatt sich jedoch wieder an die Spitze der Gruppe zu setzen, lenkte er seinen Hengst an Gareths Seite. »Du fragst dich, warum ich uns diese scheinbar aussichtslose Suche aufgebürdet habe – gut, ich will es dir sagen. Unsere eigentliche Aufgabe ist es, nach dem geheimnisvollen Dokument zu forschen, das Kaiser Federico unbedingt in seinen Besitz bringen möchte.«
Gareth pfiff durch die Zähne. »So ist das also ...«
»Ja«, sagte Gandar. »Unser Auftrag erfordert strengste Geheimhaltung, wie du sehr wohl weißt. Folglich musste ich mir einen Plan einfallen lassen, der es uns ermöglicht umherzureisen, ohne dass es verdächtig wirkt. Aber da ist noch etwas.«
»Und das wäre?«
»Man hat Kardinal Valo zum päpstlichen Legaten berufen und ihn über die Alpen geschickt, obwohl es mit Philipp von Ferrara schon einen Legaten für das Deutsche Reich gibt«, erwiderte Gandar. »Ich fürchte, dass Valo ebenfalls auf der Suche nach dem Dokument ist. Dieses Schriftstück im Besitz des Kaisers könnte die Kirche in ihren Grundfesten erschüttern. Das kann der Papst nicht riskieren. Valo ist skrupellos und verschwiegen und damit genau der richtige Mann für heikle Angelegenheiten. Unter dem Deckmantel des Legaten reist er im Land umher und sammelt Informationen. Er darf uns auf keinen Fall zuvorkommen. Genauso wenig wie er erfahren darf, dass Richard von Glouburg mein Zwillingsbruder ist.«
Gareth riss die Augen auf. »Dein Zwillingsbruder? Grundgütiger! Inzwischen sollte ich wirklich wissen, dass bei dir nichts so einfach ist, wie es oberflächlich betrachtet scheint«, bemerkte er, während sie ihre Rösser auf den schmalen Weg lenkten, der den einzigen Zugang zur Burg gewährte. »Jetzt begreife ich, warum du darauf bestehst in Verkleidung zu reisen. Nicht auszudenken, welch abergläubischen Schrecken es unter der Landbevölkerung hervorrufen würde, käme dieses Geheimnis ans Licht.«
»So ist es«, bestätigte Gandar. »Obendrein ist mir Kardinal Valo nicht freundlich gesonnen. Er hätte keine Skrupel, Richard als Druckmittel zu benutzen, käme es zu einem Wettlauf um den Besitz des Dokumentes.«
»Weiß der König, dass der angebliche Verräter in seinen Reihen nur eine Erfindung von dir ist?«
»Oh, aber das ist er nicht. Der Verräter existiert. Leider.«
Gareth seufzte. »Nun, dann lasst uns zusehen, dass wir die Burg erreichen.«
Das Bild, das sich den Männern bot, hatte kaum mehr etwas mit dem verschlafenen Eindruck gemein, den die Burg aus der Ferne gemacht hatte. Das Fallgatter vor dem Eingang war heruntergelassen und teilte den Blick auf das Burgtor in Dutzende holz- und nietengesäumter Quadrate. Wachen gingen auf der Befestigungsmauer in Stellung. Helme glitzerten in der Sonne.
Gandar hob die Hand. Ahmad und Gareth zügelten ihre Pferde. Von oben herab ertönte die knappe Frage nach ihrem Begehr. Gandar nickte unmerklich und Gareth trieb sein Pferd an und ritt vor das Tor.
»Bote der kaiserlichen Majestät Fridericus, an den Herrn von Brenneberg!«
Der Wachtmeister verbeugte sich und verschwand.
Die Männer warteten. Gareth sah immer wieder ungeduldig zum Wehrturm hinauf, und gestikulierte auffordernd mit der Hand, doch die Wachen mit ihren Helmen starrten lediglich auf sie herunter, unbeweglich wie Statuen.
Gandar wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Sein Pferd, das seine Ungeduld spürte, scharrte mit den Hufen. Hinter sich konnte er Ahmad im Sattel herumrutschen hören.
Endlich begann über ihren Köpfen ein Rumpeln und Quietschen; das Fallgatter erbebte und ruckelte nach oben. Von einem der mächtigen Torflügel wurde die untere Hälfte geöffnet und gab den Blick in ein düsteres, nur von einer rußenden Fackel erhelltes Torhaus frei.
Gandar wartete, bis das Fallgatter knapp die Oberkante des offenen Torflügels erreicht hatte, dann beugte er sich tief über den Hals seines Pferdes und ritt unter den Eisendornen hindurch, ohne die verdutzen Gesichter der Torwachen zu beachten.
Er kam jedoch nicht sehr weit, denn die versperrten Torflügel des Eingangsportals wurden von zwei weiteren Wachposten flankiert, die drohend ihre Spieße kreuzten.
Gandars Herz schien einen schmerzhaften Sprung zu machen. Für den Bruchteil eines Augenblicks stieg Panik in ihm auf, eine unbezwingbare Furcht, die jeden Ansatz klaren Denkens hinwegspülte. Seine Hände schlossen sich um die Zügel, ballten sich zu harten Fäusten. Er hatte geglaubt, endlich über seine Schwierigkeiten mit engen Räumen hinweg zu sein. Aber hier war er nun, und die bloße Nähe von Mauern reichte aus, die gefürchteten Erinnerungen heraufzubeschwören.
Das alles verdanke ich Valo, dachte er bitter. Diesem Ungeheuer an Grausamkeit – diesem wahren Sohn des Übels, an dem Satan, sein Vater, nichts als Wohlgefallen hat. Eines nicht zu fernen Tages werde ich…
Eine Bewegung am Ende des Tunnels ließ ihn aufblicken. Der Wachtmeister war in Begleitung des Burgkaplans zurückgekehrt.
»Herr Gunther bittet darum, Euer Beglaubigungsschreiben sehen zu dürfen«, sagte der Geistliche.
Gandar bewahrte bei aller Anspannung die Ruhe und zog ein gefaltetes Pergament aus seinem Wappenrock. Laut las er das kaiserliche Beglaubigungsschreiben vor und ließ den Kaplan einen Blick auf das anhängende Siegel werfen.
Der Kaplan neigte den Kopf. »Wenn die Herren mir folgen wollen.«
Der Wachtmeister gab den Befehl, das Tor zu öffnen und der Kaplan führte sie in den inneren Burghof, wo Gunther von Brenneberg sie inmitten seiner Männer erwartete.
Gandar sah den Mann, aber es war die Frau an seiner Seite, die seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie wirkte groß und langbeinig, obwohl sie ein paar Zentimeter kleiner war als der Mann, neben dem sie stand. Sie trug ein mit Ornamenten verziertes Schappel als Kopfputz. Ihr offenes Haar hatte die Farbe von poliertem Kupfer, vermischt mit den dunkleren Tönen von Kastanien und Erde. Sie war ein faszinierendes Geschöpf - jung, und doch mit einem Ausdruck von Reife. Sein Blut pulsierte plötzlich schneller durch seine Adern. Hastig wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Burgherrn zu und glitt aus dem Sattel.
»Willkommen, Herr. Womit kann das Haus Brenneberg einem Abgesandten der kaiserlichen Majestät zu Diensten sein?«
»Wie Ihr unschwer erkennen könnt, sind wir weit gereist«, erwiderte Gandar. »Eine Mahlzeit und eine Schlafstatt kämen uns sehr gelegen.«
»Mein Haus steht zur Verfügung«, antwortete Brenneberg.
Seine Männer jedoch benahmen sich, als hätten sie den Teufel persönlich unter ihrem Dach. Vermutlich hatten sie zu viele Schauergeschichten über die Sarazenen gehört und erwarteten nun, dass Ahmad sie sofort abschlachten würde. Gandar warf ihnen einen grimmigen Blick zu.
»Bezähme dein Herz, mein Bruder«, murmelte Ahmad auf Arabisch. »Mein aufbrausendes Blut duldet nicht, dass du meinetwegen beleidigt wirst. Ich werde im Stall übernachten.«
Pferdeknechte kamen gelaufen, um die Tiere wegzubringen. Ahmad ergriff die Zügel und bedeutete den Knechten mit einer stummen Geste, ihm den Weg zu den Stallungen zu zeigen.
Gunther von Brenneberg lächelte. »Es wäre mir ein Vergnügen, wenn Ihr mir die Ehre geben würdet, mit mir die Abendmahlzeit einzunehmen«, sagte er. Gandar nahm dankend an.
Sie folgten dem Burgherrn durch ein Stiegenhaus in den ersten Stock. Im Saal war es dämmrig und kühl. Diener waren damit beschäftigt, neue Fackeln in die Halterungen an der Wand zu stecken. Als die Männer hereinkamen, verschwanden sie durch eine unauffällige Tür an der Rückseite des Saales.
Der Burgherr führte seine Gäste zu einer Gruppe von Stühlen vor dem Kamin und lud sie ein, sich zu setzen. Gandar sah sich verstohlen um. Sein Blick fiel auf ein Schachspiel und er trat an den Tisch, um es sich anzusehen. Aufmerksam betrachtete er die Stellung der Figuren auf dem Brett und erwog in Gedanken die Möglichkeiten der Spieler für den nächsten Zug.
»Spielt Ihr ebenfalls, Herr ...?«, fragte Brenneberg, während er Gandars Schild mit dem Hengstkopf zu den anderen an einen Steinpfeiler des Saales hängte.
»So oft es meine Zeit erlaubt«, erwiderte Gandar und überging dabei die unausgesprochene Frage nach seinem Namen. »Wie ich sehe, verfolgt Ihr eine gewagte Strategie, Herr Gunther. Eurem Gegner dürfte es schwerfallen, seinen König zu retten.«
Brenneberg lachte gutmütig. »Ich muss gestehen, dass ich es bin, der in der Falle sitzt«, erklärte er. »Meine Tochter Gwenfrewi führt die roten Figuren.«
Gandar sah überrascht auf. Brennebergs Tochter, dachte er. Eine schöne Frau, die das Denken in komplizierten Windungen beherrscht. Konnte die Lösung so naheliegend sein? Waren sie zu verblendet gewesen, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass eine Frau die Verräterin war?
In seinem Kopf begann sich das Bild zu einem Ganzen zu formen, aber das Muster war noch zu unvollständig, um es zu erkennen. Noch.