Das Verbindungshaus war eher eine Verbindungsvilla. Verwundert war ich nicht, denn keiner der Studenten hier kam aus schlechtem Hause, aber das war wirklich der Hammer. Von außen sah man nur das dreistöckige Haus aus roten Ziegelsteinen, ein weitläufiger Rasen auf dem schon der ein oder andere Betrunkene ein Nickerchen hielt und eine riesen Garage, welche eigentlich als Bier-Pong-Arena diente.
Obwohl wir gerade noch bei Cam’s Wagen standen hörten wir die Musik wummern. Ich begann zu grinsen, denn mir würde es hier bestimmt gefallen, anders als Cora, welche verunsichert zwischen dem Haus und den Alkohol-Leichen im Vorgarten hin und her blickte. Da ich Angst hatte, sie würde es sich wieder anders überlegen legte ich ihr einen Arm um die Schultern und schob sie Richtung Eingangstüre. Diese stand natürlich weit offen und wir wurden sofort mit Willkommens-Shots begrüßt. Cora schob mir ihren auch zu und so zwang ich mir das süße Zeug den Rachen hinab.
Cam wich uns nicht von der Seite und genoss meine begeisterten Blicke. Hauptsächlich waren nur Jungs hier und die paar Mädchen waren, wie vermutet, die Campus-Flittchen. Eine kam uns gleich zu Beginn entgegen, mit ihrem Kaugummi schnalzte sie die ganze Zeit vor uns, was Cora heftig zum Blinzeln brachte.
„Und ihr seid?“
„Cam’s Begleitung“, antwortete ich ihr zwinkernd und dieser nickte nur lächelnd.
Das Püppchen hob die Augenbrauchen und schnalzte wieder mit ihrem Kaugummi, was mich diesmal dazu brachte mein Gesicht zu verziehen. Es war auch echt widerlich, denn auf Lippen befand sich so viel Lipgloss, dass ich Angst hatte er wäre verklebt und sie würde ihn gar nicht erst aufbekommen. Sie trug, ebenfalls wie erwartete, eine Hose oder besser gesagt einen Hauch von Nichts und ein bauchfreies T-Shirt, natürlich mit weitem Ausschnitt.
„Name?“
Sie verdrehte die Augen während sie auf meine Antwort wartete. Ich war so geschockt, dass ich die Augen aufriss aber sofort zu lächeln begann.
„Hat sie das wirklich gefragt?“, wandte ich mich an Cam.
Dieser lachte ebenfalls und zog Cora und mich weiter ins Haus hinein und weg von Barbie.
„Wir verschwinden hier lieber, bevor du ihr die Augen auskratzt...“, erklärte er mir seine Flucht.
Wo er Recht hat, hat er Recht.
Im Wohnzimmer, naja ich nenne es mal so, denn eigentlich war es undefinierbar, ging die Party dann richtig ab. Es war eher eine Art Halle, denn von allen Stöcken konnte man hier hinab sehen. Von oben hatte man die perfekte Sicht auf die „Tanzfläche“ also dem Wohnzimmer. Am Endes dieses Zimmers befand sich eine riesen Glastüre, welche hinaus in den Garten führte. Wir schlenderten hinaus und ich traute meinen Augen nicht. Es gab hier einen riesen Pool in dem unzählige Plastiktiere mit heißen Typen darauf schwammen. Zum Beispiel ein Krokodil auf dem ein süßer Rotschopf saß, nicht mein Typ aber wirklich niedlich.
Die meisten besaßen hier sehr gut gebaute Körper, daher war es ihr gutes Recht ohne Shirt rumzulaufen. Bei denen mit T-Shirt vermutete ich keinen Sixpack darunter, aber ich wollte auch nicht gemein sein. Ein paar Tussen ließen sich von heißen Jungs in das Pool stoßen, oh da wäre ich auch dabei, die anderen blieben eher schüchtern und angezogen im Hintergrund.
Die Party war richtig toll und da Cam uns sowieso nie alleine lassen würde, beschloss ich unter einem Vorwand noch eine kleine Runde zu drehen um mich weiter umzusehen. Zurück im Wohnzimmer wurde mir ein roter Becher in die Hand gedrückt, welchen ich dankend annahm. Whisky-Cola, tippte ich.
Und ich hatte Recht.
Ich nahm den ersten Treppenaufgang neben der Eingangstüre und lief in den ersten Stock. Hier war es wesentlich ruhiger, doch als ich von oben Gelächter hörte wurde ich neugierig und verschwand schon in den zweiten Stock. Fehlalarm, es waren nur ein paar Jungs die über ihren Freund lachten, welcher sich selbst ankotzte. Angeekelt entschied ich mich den letzten Stock zu durchforsten. Dort angekommen gab es nur noch 3 Türen und oh Mist zwei davon waren abgesperrt. Die letzte ließ sich aber öffnen und so war ich verwundert, dass dort eine Art Sprossenleiter auf den Dachboden führte. Natürlich wollte ich mir nichts entgehen lassen, also stampfte ich hinauf.
Damit rechnete ich wirklich nicht. Vor Begeisterung hielt ich die Luft an und drehte mich zweimal im Kreis um alles zu betrachten. Es war ein süßer kleiner Raum mit einer kuscheligen Couch und vielen kleinen Lichterketten, eigentlich viel zu romantisch für ein Verbindungshaus. In der Mitte stand ein großes Teleskop, fragt mich nicht welches, das aus dem Fenster der Dachschräge in den Himmel zeigte.
Beeindruckt klatschte ich mir in die Hände und ging darauf zu. Schade eigentlich, dass ich so etwas noch nie gemacht hatte, dachte ich mir. Ich schaute also durch das kleine Loch und sah...
NICHTS.
Es war einfach nur schwarz. Enttäuscht entfernte ich mich wieder von diesem Ding und versuchte die Ursache für das fehlende Bild zu finden, doch keine Chance. Ich drehte und schraubte an allen Knöpfen die ich fand, doch das Schwarz blieb. Genervt seufzte ich und gab dem Teleskop mit meinem Zeigefinger einen kleiner Schubser so, dass es leicht ins Schwanken geriet.
„Verdammt, was machst du hier?“ brüllte mich jemand von hinten an.
Doch auch als ich mich umdrehte sah ich niemanden, es war genau so dunkel wie durch das Fake-Teleskop. Ich hörte Schritte näherkommen und langsam konnte ich auch eine Silhouette dazu wahrnehmen. Ein großer Typ von mindestens 1,90 Meter stand da in der Dunkelheit des Zimmers und wollte sich nicht zeigen.
„Du kannst ruhig näher kommen. Ich beiße nicht, keine Angst“, lockte ich ihn näher.
Der Junge, ja es war ziemlich sicher einer, lachte nur verächtlich.
Ich legte den Kopf schief und sah ihn langsam auf mich zu kommen, es war als würde er immer größer.
Und dann nahm er die perfekte Position ein. Er sagte etwas, doch ich hörte ihn kaum so fasziniert war ich von ihm. Das sanfte Licht der Lichterketten schien ihm ins Gesicht und so erkannte ich seine markanten Wangenknochen, seine hellbraunen aufgestellten Haar und seine funkelnden bernsteinfarbenen Augen.
Oh was für ein schöner Mann!
Ich sah an ihm hinab und konnte seine Muskeln durch sein eng anliegendes T-Shirt erkennen, außerdem trug er eine Jeans die er unten aufgekrempelt hatte und war barfuß. Er wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht, während ich ihn grinsend anstarrte.
„Hast du mich gehört oder warst du zu beschäftigt mich anzustarren?“
„Ich war zu beschäftigt...“, antwortete ich ihm frech.
Er zog die Augenbrauen zusammen und sah mich skeptisch an. Seinem Gesichtsausdruck nach zum Urteil, war er nicht sonderlich erfreut mich hier zu sehen. Schade, eigentlich.
„Was machst du hier? Du solltest unten auf der Party sein und nicht in privaten Räumen!?“
Ich sah mich um und konnte nur das Teleskop, eine Couch und einen weichen Teppich am Boden erkennen. Das war definitiv kein Schlafzimmer.
„Ist das dein Zimmer? Hier steht nicht mal ein Bett, also ich denke nicht...“
Er öffnete den Mund, doch bevor er etwas erwidern konnte sprach ich einfach weiter.
„Du wohnst wahrscheinlich nicht mal hier, richtig?“
Verwirrt sah er mich an und schüttelte den Kopf.
Na wusste ich es doch! Erwischt junger Mann!
Er fing sich relativ schnell wieder und setzte ein teuflisches Grinsen auf. Definitiv kein schüchterner Junge, also ganz nach meinem Geschmack.
„Und mit wem habe ich es hier zu tun?“
„Sophia Masters“, antwortete ich höflich und streckte ihm die Hand hin.
„Du musst die Schutzkappe vom Objektiv abnehmen...“
Während er das sagte, zeigte er mit dem Finger auf das Teleskop. Noch bevor ich das tun konnte, ging er voraus und nahm es selbst ab. Er schob es ein Stück zu sich nach oben, musste sich aber trotzdem ziemlich bücken um durchzusehen.
„Hier sieh mal. Keine Wolken heute...“, damit machte er eine Kopfbewegung um mir zu signalisieren, dass ich jetzt an der Reihe war.
Gespannt wie ein kleines Kind sah ich durch. Es war wunderschön. Die Sterne funkelten so schön, ich hätte sie mehrere Stunden betrachten können. Ich war so abgelenkt von dem Sternenbild, dass ich ganz und gar den Typen vergaß. Ich sah mich im Raum um, doch er war nirgendwo zu sehen. Einfach abgehauen.
Enttäuscht zog ich einen Schmollmund und beschloss wieder nach Cora und Cam zu sehen. Ich schlenderte die Treppen jedes Stockes hinab und beobachtete die meist völlig betrunkenen Menschen. Im ersten Stock stand sogar Barbie mit einem Jungen wildknutschen in einem Badezimmer, jedoch mit offener Tür. Sehr intelligent.
Als ich mich endlich durch die Menschenmassen durchquetschte und bei meinen Freunden ankam, konnte ich auch die beiden Jungs vom Vortag erkennen. Blondie und Luke. Die beiden begrüßten mich herzlich und wandten sich dann wieder an Cam.
Obwohl es stockdunkel war sah ich, dass Cora rot anlief immer wenn sie ihn ansah. Das war echt zum Schreien.
„Wo warst du denn so lange?“, fragte sie mich neugierig.
„Ach ich hab auf dem Dachboden einen netten Kerl kennengelernt, aber als ich gerade durch das Teleskop sah verschwand er einfach...“
Cora runzelte die Stirn und sah mich skeptisch an.
„Besser ich frage nicht...“
Da hatte sie wohl Recht, deswegen lachte ich einfach nur. Unsere kurze Unterhaltung wurde aber bald unterbrochen als Cam von etwas weiter hinten nach uns rief.
„Kommt mal ihr beiden, ich will euch jemanden vorstellen!“