Was wäre das Leben ohne ein Quäntchen Spannung?
Oh ja, das unterschreibe ich. Spannung ist wie die Kirsche auf der Torte, wie die Olive im Martini, sie ist das Salz in der faden Suppe des Alltags. Wie die Zusatzzahl im Lotto macht sie das Leben doch erst aufregend, erregend, sie macht es geil!
Mich übrigens auch!
Ich brauche sie, damit Martin nicht auffällt, dass seine Hände, seine Zunge oder sein durchschnittlicher Schwanz es nicht tun. Er tut wirklich sein Bestes, er strengt sich wirklich an und gibt sich Mühe, aber ohne dieses Quäntchen Spannung in den Tagen vor dem Kuschelsex mit meinem sogenannten festen Freund, würde ich unter ihm einschlafen. Nichts an ihm bringt meinen Puls zum Klopfen, mein Herz zum Rasen und die berühmten Schmetterlinge im Bauch kenne ich nur vom Hörensagen.
Ich mag Martin gern, im Ernst, aber da knistert nichts in dieser Beziehung. Sie ist praktisch, weil es in seiner Wohnung viel gemütlicher ist, als in meiner billigen Behausung. Martin ist die ganze Woche auf irgendwelchen Baustellen unterwegs, im Prinzip lebe ich allein in der geräumigen 4-Zimmerwohnung. Wenn er am Wochenende nach Hause kommt, erwarte ich ihn auch immer pflichtschuldigst mit einem schönen Essen, im knappen Negligé und er bringt mir genauso pflichtbewusst Blumen oder sonst eine Aufmerksamkeit mit. Seine Augen glänzen jedes Mal mit diesem Dackelblick. Eigentlich hat er sehr schöne dunkelbraune Augen, aber sie haben keinen Ausdruck, der mich anspricht oder mir Herzklopfen beschert. Sie schauen mich stets so dankbar, treu und ergeben an, dass ich manchmal der Versuchung kaum widerstehen kann, sie ihm mit einem Messer auszustechen. Dann hole ich tief Luft, erwidere seine feuchten Küsse und denke an die Momente in der vergangenen Woche, die wirklich aufregend waren.
Martin sagt, er könne ohne mich nicht leben. Er sagt es meistens, kurz bevor er zuckend in mir kommt, aber ich brauche dazu die Erinnerung an stetig steigende Spannung der Woche. Vom Montag, an dem ich meine Spielzahl festlege, über die Woche, in der ich meinem Spielpartner finde, bis zum Freitag, an dem ich ihm die Kehle durchschneide. Ich gewinne dieses Spiel immer, weil es meins ist. Es sind meine Regeln, mein Leben ist der Einsatz und die Bilder meines Sieges mischen sich mit der Vorfreude auf das nächste Spiel.
Wenn Martin dann am Sonntag seine Tasche für die kommende Woche packt, ist meine Erinnerung schon am Erblassen. Der letzte Sex vor seiner Abreise wird immer fader und es kam schon vor, dass seine verliebte Art mich direkt angeekelt hat. Die Langeweile greift mich zügiger an, als noch vor einem halben Jahr. Ob das an Martin liegt, kann ich nicht sagen, aber damals habe ich nur einmal im Monat gespielt. Inzwischen brauche ich den Nervenkitzel fast jede Woche. Ich kann nicht ohne ihn leben und schon gar nicht mit Martin. Wenn mir jemand die Spannung meines Spiels nimmt, dann sterbe ich. Dann stirbt auch Martin.