Winston hatte links und rechts jeweils eine Hand auf meine Schulter gelegt. Sein Blick war starr nach vorne gerichtet und ruhte wie der meine, auf dem wunderschönen Wandteppich, in dem man tausende von Farben ineinander verflochten hatte, um ein Muster zu erschaffen, welches jeden beeindruckte. Ich fühlte mich klein. Der riesige Teppich vor mir, der starke Mann hinter mir. Die hohen Säulen des Raumes, welcher sich schier ins unendliche zu erstrecken schien, hielten die wuchtige Decke. Alles war weiß und mit gold umrandet, nichts saß nicht an dem Platz, an welchen es gehörte. Solch eine Perfektion hatte ich selten in meinem Leben gesehen. Doch was hatte ich schon erwartet? Es war Winston, der diesen Raum so gestaltet hatte. Und er war es auch, der als einziger so erschien, als würde er all das überstrahlen. Sein Lächeln war einfangend und spielte einem nichts als schöne Lügen vor, die das Gehirn angesichts des Mannes, welcher vor einem stand, gerne glaubte. Aber all das war nur eine Fassade. Es war alles eine wunderschöne Illusion. Jeder, der diesem Mann zu nahe kam, würde von ihm verschlungen wie von einer hungrigen Schlange, mit einer Leichtigkeit, wie man sie selten gesehen hatte, wurde man um den Finger gewickelt und dann begriff man es. Wie der dunkle Schatten im Wasser, kurz bevor ein Hai daraus auftaucht. Man ist gefangen in der Illusion des ruhigen Wassers, doch in dem Moment, in welchem man die Gefahr bemerkt, ist es schon zu spät. Denn mit einem hastigen Bissen wird man verschlungen und dann wird der letzte Gedanke im Kopf dieses Menschen sein, warum er nur so dumm war, in diesem stillen Wasser zu schwimmen.
Als ich noch jünger war, wollte ich immer Vergeltung. Vergeltung für das, was man mir angetan hatte. Dafür, wie sie mich immer behandelt und herumgeschubst hatten. Ich wollte mich rächen, aber auf eine elegante Weise, ohne das jemals jemand mitbekommen würde, was mein Plan war. Doch was ich damals noch nicht wusste, ich würde mich niemals rächen müssen. Denn später bereute es jeder, nicht mein bester Freund gewesen zu sein.
Damals, als ich Winston vor einer halben Ewigkeit, in Wirklichkeit waren es nur ein paar Jahre, doch diese Jahre hatten es in sich und sie hatten sich teilweise gezogen wie Kaugummi, sodass ein einziger Moment plötzlich Stunden andauerte, kennengelernt hatte, war mir nicht klar, mit was ich es zu tun hatte. Nun, da ich eine lange Zeit an seiner Seite verbracht hatte, war mir nicht viel mehr klar als vorher. Man konnte nie wissen, wie dieser Mann wirklich war. Ich hatte noch nie eine echte Emotion in seinen Augen gesehen, welche nicht die bedingungslose Liebe zu mir war. Das war das einzige, was zählte. Er liebte mich. Und er würde alles dafür geben, mich zu beschützen.
„Gehen wir? Bist du bereit?” die Hände, welche eben noch auf meinen Schultern geruht hatten, zupfen mir jetzt vorsichtig meine Fliege zurecht. Nein, ich war ganz und gar nicht bereit. Viel mehr Bedenkzeit hätte es gebraucht, um sich sicher zu sein, dass das hier der richtige Weg war. „Ich denke.” langsam drehte ich mich zu ihm um und schlang meine Arme um seinen breiten Oberkörper. „Du wirst dir wohl nie einhundert Prozent sicher sein, was du willst, oder?” ein federleichter Kuss auf meiner Stirn gab mir all die Kraft, die ich in diesem Moment vergeblich in mir gesucht hatte. „Noch nie in meinem Leben war ich so bereit. Lass uns gehen.” kurz schloss ich die Augen, atmete tief ein und aus, dann nahm ich die Hand, welche mir entgegengekommen war und wir gingen gemeinsam auf die breiten Flügeltüren zu, welche sich gleich darauf wie von Zauberhand öffneten und den Blick auf ein strahlendes Paradies freigaben. „Nur um dich noch ein weiteres Mal daran zu erinnern, wir sind nicht hier, um Freunde zu finden. Ist das klar?” wurde ich ein letztes Mal zurechtgewiesen und als ich als Antwort nickte, trat er einen Schritt nach vorne und tauchte so in eine vollkommen andere Welt ein.