Alptraum:
Karo fühlte sich nach der Nacht wie gerädert. Zwar hatte Jason ihr versichert, dass sie in seinem Zimmer sicher wäre, aber trotzdem hatte das Knurren und die Schüsse sie die ganze Nacht wach gehalten.
Sogar Jason wirkte bedrückt, als sie die Tür endlich öffnen konnten. Sie hatten ihre Taschen bereits gepackt und trugen sie nach unten, wo der Wagen auf sie wartete.
Dann war es ihre Aufgabe, die Gäste der Show unter Kontrolle zu halten. Karo musterte die Jugendlichen, die nicht ahnten, was wirklich vor sich ging. Einer von ihnen saß im Rollstuhl und hatte eine weitere Mitarbeiterin zur Unterstützung bei sich. Sarah lächelte Karo kurz zu, bevor sie sich weiter um ihren Schützling kümmerte.
Karo war recht froh, dass sie neben Jason und Max arbeitete. Ihre Aufgabe bestand lediglich daraus, die Jugendlichen davon abzuhalten, den Vorplatz zu verlassen. Sie durften nicht mehr ins Hotel, auch nicht auf Toilette. Schließlich fuhren dreizehn schwarze Wagen mit abgedunkelten Scheiben auf den Platz. Jedes der Kinder wurde in einen Wagen verladen, selbst der Rollstuhlfahrer. Im Viertelstundentakt fuhren die Wagen los.
Karo sah hinterher und passte genau wie alle anderen Mitarbeiter auf, dass niemand den Wagen verließ. Dann, als der letzte Wagen abgefahren war, erschien Samira.
Die blonde Frau würdigte niemanden eines Blickes und las die Liste mit den Namen derer vor, die weiter kamen. Karo, Max und Jason waren alle darunter. Nur ein Mann blieb zurück. Er wirkte niedergeschlagen.
„Euer Wagen steht da hinten“, sagte Samira knapp. „Am Hotel wird Herr Bates euch alles weitere erklären.“
Sie trotteten zu dem Bus wie Schafe zur Schlachtbank. Karo grübelte darüber nach, was sie tun sollte.
„Jason?“
„Hm“, machte er und sah sich automatisch nach Lauschern um, doch sie gingen ein Stück von allen anderen entfernt. Nur Max war noch bei ihnen.
„Ist es eigentlich klüger, weiter zu kommen, oder im Hotel zu bleiben?“
„Weiter kommen“, meinte Jason knapp. „Ich glaube, wenn wir versagen, gibt es eine Strafe.“
Karo schluckte entsetzt.
„Andererseits, wenn wir weiter kommen, sind wir irgendwann beim letzten Hotel“, fuhr Jason fort. „Wer weiß, ob das besser ist.“
„Wir müssen mehr wissen“, überlegte Karo. „Ich will nicht sterben.“
Jason legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter. „Dir wird nichts passieren, Karo. Wir entkommen aus dieser Hölle, okay? Wir finden einen Ausweg, nur noch nicht jetzt.“
Karo nickte müde.
Sie waren die letzten, die in den Kleinbus kletterten. Karo blieb noch einen Moment draußen stehen und sah zu dem Hotel zurück. Wie war sie nur hier gelandet? Manchmal glaubte sie, dass alles nur ein furchtbarer Alptraum war, dem sie irgendwie entkommen könnte.
Sie hörte ein Geräusch hinter sich und fuhr herum.
Die seitliche Klappe des Busses stand offen. Karo sah einen Fuß in einem Turnschuh, der soeben in dem Gepäckraum verschwand. Vor der Klappe stand ein bekanntes Mädchen mit roten Haaren. Sie erwiderte Karos Blick wie eine ertappte Katze und verharrte an Ort und Stelle.
Amy. Karo starrte die andere an und realisierte, dass sich Amy und Luca immer noch von Hotel zu Hotel schlichen.
Sie deutete mit dem Kopf leicht zur Seite, um Amy zu sagen, dass sie in den Gepäckraum klettern sollte. Schweigend und – wie sie hoffte – ohne einen Muskel zu verziehen, kletterte sie in den Bus. Sie hörte ganz leise über dem Lärm des Motors, wie die Gepäckklappe geschlossen wurde.
Sie hoffte, dass Amy einen Weg hier heraus finden würde.