Ich lenkte den Cayenne ins Carport, das zur Hinterseite mit Holz verkleidet war. Vom Tor aus, war der Wagen nicht auszumachen. Das hätte zwar kaum eine Rolle gespielt, suggerierte unseren verfolgten Seelen jedoch ein Quentchen an erhoffter Sicherheit.... Schweigend nahmen wir unsere Habseeligkeiten aus Fond und Kofferraum und gingen zur Eingangstür.
Ich legte den Daumen auf die kleine Scanfläche und die Tür gab den Weg frei ins Innere, Welches eher an eine Blockhütte mit gemauertem Kamin erinnerte, als an ein gemauertes Häuschen. Als nicht -Eingeweither wäre man nie auf die Idee gekommen, dass dieses gemütliche Wohnschlafzimmer edelste Technik höchster Entwicklungsstufe barg. Die Vorderseite mit der Schiebetür war zur Hälfte verglast. Statt Jalousien konnte man die Aussenseite elektrochemisch Blickdicht abdunkeln, während man selbst noch ganz gut raussehen konnte. Auf der Hinterseite war eine kleine Küchenzeile als Bar integriert und ein Durchgang gab einen kleinen Flur frei, der jedoch nur die beiden Türen für die Treppe zum Bootshaus und ein Badezimmer linker Hand und rechts eine Toilette mit angrenzendem kleinen Technikraum beherbergte. Dennoch war diese kleine Bleibe das Sicherste und Gemütlichste was uns passieren konnte.
"Willkommen in meinem Domizl!" Mit einer einladenden Handbewegung bedeutete ich meiner Begleiterin, sie möge sich setzen. Bevor sie sich auf der Couch niederließ deutete sie jedoch mit fragendem Blick nach hinten Richtung Toilette. "Die Idee hatte ich auch gerade!" sagte ich." Machen sie sich etwas frisch, ich schenk uns mal ein Gläschen ein. Wir haben uns, glaub ich, einiges zu erzählen."
Nachdem wir uns beide nacheinander frischgemacht hatten, setzten wir uns gegenüber an den Couchtisch. Für eine Sekunde musste ich an Branka denken, der Nichte meiner "Ersatzmutter", Mira. Sie war Selina sehr ähnlich, wenn auch um einiges jünger. Ich hatte einen Rioha dekantiert, den ich uns jetzt einschenkte, prostete Selina zu und forderte sie auf, nun endlich alles zu erzählen.
"Nochmal Herr Montar, es tut mir unsäglich leid, sie in die ganze Sache hineingezogen zu haben, aber ich bin auch unendlich froh jetzt bei ihnen zu sein. Mein Vater hat, wie ich schon sagte, eine Riesenentdeckung punkto Krebsforschung gemacht. Anfangs konnte er selbst nicht glauben, wie einfach man, natürlich immer eine rechtzeitige Diagnose vorausgesetzt, dem Wachstum von Tumoren Einhalt gebieten kann; der Ausbreitung von Metastasen entgegentreten kann. Seine schonenden Behandlungsmethoden lassen dem Patienten auch viel mehr Kraft für den Kampf, den man schließlich auch mental führen muss.
Also begann er mit einer Reihe von Studien um die Signifikanz seiner Methode nachzuweisen. Zur Unterstützung zog er mich hinzu, da meine Ausbildung - Ich habe Medizin studiert - für ihn die ideale Ergänzung war. Einer seiner persönlichen Freunde, den ich übrigens noch nie mochte, zeigte plötzlich extremes Interesse an unserer Arbeit. Anfangs hatte ich ja noch den Eindruck, er wolle meinen Vater unterstützen, denn er kam ja schließlich aus der Branche..."
"Moment mal," warf ich ein "wie, aus der Branche?"-
"Sie vermuten richtig: Er ist Pharmareferent." Mein Gott, dachte ich, wie konnten die einen Pharmareferenten so weit an sich ranlassen? Andrerseits, wäre er ein anständiger Freund gewesen, hätte genau dieser Mann tatsächlich sehr hilfreich sein können....
Trotzdem wusste ich immer noch nicht, wie sie auf mich gekommen war und nahm wieder die Rolle des Zuhöhrers ein.
"Wenn ich mir vorstelle, dass die beiden jetzt womöglich ihr Haus auf den Kopf stellen, nur weil ich so blauäugig war..."
"Machen sie sich keine Sorgen, Selina. Wenn die beiden in mein Haus eingedrungen sind - und davon geh ich aus - ist die Gefahr nur mehr halb so groß, denn dann hat einer von ihnen bereits das Zeitliche gesegnet..."