Ein Moment der Unachtsamkeit:
„Wo ist Luca?“, fragte Amy, kaum, dass sie dem zusammenbrechenden Tunnel und dem Feuer der Explosion entkommen waren. Mira stützte die Hände keuchend auf den Oberschenkeln ab. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie langsam zu alt für diesen Mist wurde. Allerdings standen die Chancen, dass sie mit ihren 23 Jahren in frühe Rente gehen könnte, denkbar schlecht.
Jetzt richtete sie sich auf und hielt genau wie ihre Schülerin Ausschau nach Luca. Sie bemerkte, dass Sam blass geworden war. Immerhin hatte Samstag Luca losgeschickt, um ihren Fluchtweg zu sichern. Der Schüler war ganz allein gewesen, wenn ihm etwas zugestoßen war, würde Sam sich ewig Vorwürfe machen.
„Ich bin hier“, ertönte Lucas gequälte Stimme hinter ihnen.
Sie drehten sich um, Sam, Mira und Amy genauso wie die noch völlig verstörten Gäste der Tour.
Luca war tatsächlich hinter ihnen. Neben ihm stand Samira. Sie hatte Lucas Haare gepackt und hielt ihm ein Messer an die Kehle.
„Samira!“, zischte Mira.
„Verdammt!“, sagte Samstag.
„Oh Gott!“, hauchte Amy hinter ihnen.
Samira hob eine Augenbraue. „Mir egal, wie ihr mich nennt. Ihr werdet jetzt brav alle Waffen und eure netten Uhren auf einen Haufen legen, dann stellt ihr euch da drüben zu den Schafen.“
Sie gestikulierte mit dem Messer in Richtung der kleinen Gruppe mit dem Rollstuhlfahrer in ihrer Mitte.
Mira hätte sich in den Hintern beißen können. Bei all den Wendigowak hatten sie ganz vergessen, wer ihre wahren Feinde waren – und die größere Bedrohung. Mit einer ruckartigen Bewegung zückte Sam sein Messer und warf es vor Samiras Füße.
Mira und Amy machten es ihm daraufhin gleich. Deutlich zögerlicher zog Samstag seinen Sender aus.
„Das war nicht fair, Sami“, sagte Miras ehemaliger Mentor traurig und gab auch die Uhr ab. Diesmal zögerte Mira länger, während Samstag und Amy bereits die Feueraxt aus den Minen der stolzen Sammlung hinzufügten. Dann kniete Mira sich hin, zog den Sender aus und legte die Uhr zu den anderen. Ihr Handgelenk fühlte sich plötzlich nackt und ungeschützt an. So, als könnte eine winzige Erschütterung den Knochen darunter zerbrechen. Mira rieb sich das Handgelenk, während sie folgsam zu den Tourgästen ging. Die Zivilisten starrten mit großen Augen zu ihnen auf. Luca und Amy legten auch den Rest ihres Besitzes ab.
„Die Rettungsaktion wurde ein wenig verschoben“, murmelte Sam gedämpft, bevor sie schließlich Samira ansahen.
„Lass Luca gehen“, verlangte Sam mit rauer Stimme.
Samira sah aus, als würde sie überlegen. Miras Magen krampfte sich zusammen. Sie machte sich bereit, nach vorne zu hechten, um Amy die Augen zu zu halten.
Sehr zu ihrem Erstaunten ließ Samira den Jungen allerdings los und stieß ihn zu den anderen. Sie kreiste mit dem Messer und steckte es weg.
„Da waren's wieder elf“, sie musterte Tourgäste und Wächter prüfend, dann grinste sie Sam an. „Ihr habt ja leider das Ende der letzten Show verpasst. Deswegen hat sich die Leitung“, hier deutete sie auf ihre Brust, „entschieden, euch eine zweite Chance zu geben. Welcome back, ihr vier.“
Mit einem lauten Fauchen sprang Feuer direkt dort aus dem Boden, wo ihre Waffen und Sender lagen. Mira stieß einen leisen Schrei aus und wollte nach vorne springen, um ihre Uhr vor den Flammen zu retten. Aber Samira war schneller neben ihr, als sie die Bewegung überhaupt wahrnehmen konnte. Die Tourleitung stieß Mira zurück. Der Schlag in die Magengrube raubte Mira den Atem und sie landete nach Luft schnappend zwischen Sam und Amy. Die halfen ihr auf, während die Uhren sich im Feuer mit hohem Pfeifen verformten.