Die Tür wurde aufgestoßen und nacheinander traten zehn Männer in die Stube, drei davon sehr klein und rüstig, drei hochgewachsene, mit spitzen Ohren und drei starke, Muskel bepackte Männer. Als letzter stampfte Bruno herein. Er musste sich beim Eintreten ducken und war, trotz der drei anderen Großen, noch immer der Größte von allen. Stumm grüßten sie Tion und Relkúag bevor sie sich die Betten zu einem großen Kreis zurecht schoben, um dann – ohne ein Wort - darauf Platz zu nehmen. Auch der Gaukler bequemte sich zu ihnen. Wir blieben abseits stehen und warteten was passiert. Bizarrer hätte das Bild kaum noch werden können.
Auf zwölf Betten verteilt saßen die Zwerge, Elben, Menschen und der Riese. Und endlich klopfte es ein weiteres mal an der Tür: Usongu kam herein, wie schon am Nachmittag mit Mantel und tief eingezogenem Hut. Als er uns entdeckte, lächelte er und bat uns gestenreich zu ihm zu kommen. Außer Béilo, der mit Gothank Abstand hielt, setzten wir uns alle zu ihm auf die Matratze.
"Gut, da jetzt alle da sind..."
"Noch nicht." unterbrach der Blinde den Boss. "Arnuk schafft es wie immer, die letzte zu sein."
"Auch gut. Dann haben wir ja Zeit einander vorzustellen."
"Was wird das hier? Ne Selbsthilfegruppe?" raunzte einer der Zwerge, der gerade dabei war seine Axt zu schleifen. Er trug ein altes und zerschlissenes Kettenhemd, übersäht mit Blutflecken und Dreck. Sein Bart und sein Haupthaar waren rostbraun.
"Nein, Marselion. Es handelt sich hier um einen lukrativen und gefährlichen Auftrag, den uns Eros Sohn angeboten hat." Alle sahen auf.
"Du willst uns verscheißern, Boss." "Kann doch gar nicht…!" "Ach wer glaubt denn schon, dass ausgerechnet DER zu uns kommt?" murrte einer der Menschen. Er hatte dunkle Haare und ein kantiges Gesicht. Seine Augen stachen hervor, auch wenn man im Dunkel der Stube ihre Farbe nicht zuordnen konnte. Neben ihm saß ein weiterer Mensch, der ihm zum Verwechseln ähnlich sah.
"Ich glaube das!" warf Relkúag zwischen die vielen zweifelnden Rufe, was die anderen augenblicklich verstummen ließ. Offensichtlich genoss der blinde Gaukler hohes Ansehen unter seinen Kollegen, denn von nun an stellte keiner mehr in Frage, wer ich war.
Minutenlang blieb es still. Bis sich schließlich Bruno mir zuwandte:
"Also ich bin Bruno, aber das weißt du schon. Ich bin deshalb so groß, weil meine Großmama eine Riesin war." Seine Offenheit ehrte mich, doch bevor ich mich vorstellen konnte, kam schon der nächste vor und begann sich zu erklären.
"Riko ist mein Name. Ich bin ein Elb und mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Doch auch dem Schwert bin ich zugetan." Der dunkelhaarige Elb, mit den klaren, schwarzen Augen, trug braune Kleidung, die an manchen Stellen die Schneeweiße Haut preisgab. Seine Stiefel hatten einen dunklen Grünton, waren jedoch von Schlamm und Dreck verkrustet. Riko setzte sich wieder auf seinen Platz.
"Eray und Emre nennt man uns." Zwei Zwerge, die sich sehr ähnlich sahen, der eine mit grauem, der andere mit schwarzem Haar und Bart, standen auf und verbeugten sich. "Wir sind Brüder. Eray kämpft mit Hammer und Faust." "Und Emre setzt Axt und Kurzschwert ein." Stolz zeigten sie ihre Waffen, die - wie ihre sonstige Kleidung auch - mit zwergischen Mustern verziert waren, bevor sie sich zurückzogen und dem nächsten Platz machten.
"Ich bin Elias. Mein Schwert soll euch gegen Ork und Dämon nützlich sein." sprach ein weiterer blonder Elb im grünen Gewand und verbeugte sich. Um nicht unhöflich zu sein, erhob auch ich mich diesmal und verbeugte mich.
"Pah! Geh zur Seite, Spitzohr!" der dritte Zwerg drängte sich an Elias vorbei und sah mich genau an. "Wie heißt du überhaupt?" schnauzte er unfreundlich und missgelaunt. Es war jener Kleinwüchsige, der sich schon vorher bemerkbar gemacht hatte.
"Flash Raffael:" Grinsend, weil ich auf solche Weise meinen Namen endlich auch nennen durfte, reichte ich ihm die Hand zum Kriegergruß.
"Hehe, du gefällst mir!" grinste er. "Marselions Axt und Schwert sollen deine Begleiter sein!" Dabei schlug er so fest ein, dass mir noch Tage später der Arm weh tat. Nun kamen zwei Menschen auf mich zu. Es waren der Zweifler und sein Nebenmann.
"Karsten." sagte der eine. "Und Torsten." stellte sich der zweite vor und beide reichten mir die Hände. "Die Zwillinge von Vaukalm stehen dir zur Seite." Nun da sie so nahe bei mir standen, fand ich den wahrscheinlich einzigen Unterschied zwischen ihnen: Karsten hatte dunkelblaue Augen, während Torstens in die hellblau bis grüne Richtung neigten.
"Pedro." war alles, was der kleinste der Menschen von sich gab, bevor er sich verbeugte und zurück auf sein Bett schlurfte. Er war dunkelhäutiger als alle anderen hier.
"Du musst ihm verzeihen. Er versteht unsere Sprache nicht so gut, aber er kapiert schnell." erklärte der dritte Elb. "Mein Name ist Simon. Mögen meine Pfeile eine Hilfe gegen böse Geister sein." lächelte er. Sein Kostüm war, entsprechend seiner Haarfarbe, überwiegend von Rottönen aller Art bestimmt. Auch er verneigte sich vor mir.
"Sie alle kannten deinen Vater. Zusammen mit ihm waren sie Seite an Seite im letzten Krieg und sahen ihn kämpfen und fallen." begründete Usongu nun die überschwängliche Höflichkeit seiner Leute.
"Ja, das war mal ein Kämpfer ganz nach meinem Geschmack!" polterte Marselion.
"Und doch ein Freund der Natur, man erinnert sich gern an ihn." Elias Augen glänzten.
"Ja so war er. Und immer bis zum letzten! Bis ihn dieser verflixte Pfeil zu Boden riss!" schimpfte Bruno.
"Es war nicht der Pfeil, der ihn tötete, das wisst ihr genauso gut wie ich." Usongu ließ den Kopf hängen. "Aber vorbei ist vorbei." Plötzlich lächelte er und sah zu Chase auf. "Ihr habt euch noch gar nicht vorgestellt. Oder sollen wir euch 'der mit dem losen Mundwerk' nennen? Und wer ist die hübsche Dame an eurer Seite?" Diese Bemerkung führte zu allgemeiner Heiterkeit und Chases Kopf wurde hochrot, also übernahm ich die Präsentation.
"Das sind Chase und Funny, seine Verlobte. Chase ist mein bester Freund und war sogar so verrückt mit mir diese völlig aussichtlose Mission bis hierher zu bestreiten. Aber ich denke, er wird nicht allzu sehr bereut haben, mitgekommen zu sein. Ansonsten hätte er Funny ja nie kennen gelernt."
"Nun hör aber auf, ohne mich wärst du ja nicht mal bis Romino gekommen!" blaffte er mich an.
"Stimmt." gab ich zu. Ein Moment des Schweigens lag zwischen uns, dann fuhr ich fort.
"Und das dort drüben ist..."
Doch da flog die Tür ein weiteres mal auf und Arnuk stürmte herein. Sie setzte sich ein Stück abseits von der Gruppe auf den Boden und studierte die Gesichter die sie forschend von allen Seiten her anstarrten.
"Was ist?!" schnauzte sie. "Ich musste noch ein paar Monster zusammenschlagen!"
"Niemand hat dir einen Vorwurf gemacht, Arnuk." beschwichtigte Usongu sie.
"Tut mir leid, Boss." Für eine Sekunde meinte ich echte Reue zu hören. "Das nächste mal bin ich pünktlich."
"Wo ist er denn hin?" Funny sah zur Tür, an der eben noch Béilo gestanden hatte. Er war verschwunden.
"Wer?" wollte Simon wissen.
"Nnnnniemand..." winkte ich stotternd ab und sah meine Freunde eindringlich an. Sie verstanden...
"Gut, alle sind anwesend." Gott sei Dank beanspruchte der Boss alle Aufmerksamkeit für sich. " Wenn du erlaubst, Flash, erzähl ich jetzt von deinem Auftrag." Erleichtert nickend verfolgte ich meine eigene Leidensgeschichte, verbesserte und ergänzte hier und da etwas und spürte, wie sich eine unbehagliche Ruhe ausbreitete, die bis zum Ende hin immer unerträglicher wurde und ihren Höhepunkt erreichte, als Usongu endete.
"Geringe Aussicht auf Erfolg, keine Ahnung über den genauen Aufenthaltsort des Feindes und noch dazu ein Harzbaum als Gegner? Wann brechen wir auf!?" Marselion sprang Axt schwingend auf.
"Es kommt noch besser, Herr Zwerg. Wir haben schließlich eine Ahnung wo sich die Entführte befindet. Ich schlage vor, wir gehen als erstes in Ma-ish-nas Wald und sehen uns dort um, Boss. Die Tiere erzählen seltsame Geschichten und das Gras flüstert mir Dinge ins Ohr, die mich schon auf so manches gebracht haben." meinte Relkúag.
"In Ordnung. Aber lasst uns jetzt schlafen. Wir brechen morgen in aller Frühe auf. Tion, leg bitte bereit, was du an Vorräten entbehren kannst." gebot Usongu. Noch bevor er zu Ende geredet hatte, lagen schon einige da und schliefen. Tion hingegen ging seiner Arbeit als Wirt nach und bereitete uns alles Nötige vor. Ich bat ihn noch sich um unsere Pferde zu kümmern, dann legte auch ich mich aufs Ohr.*
(Béilo)
*HH* *HH* *HH* "Hahaha... Ich hab sie gefunden, Kevin. Ich hab sie gefunden!" Als die Tür aufgeflogen war kam mir ihr Geruch entgegen und betäubte alle meine Sinne. Aber ich wusste, es war noch zu gefährlich mich zu zeigen. Also bin ich raus und dann gelaufen und gelaufen und gelaufen... Die Dunkelheit hüllte mich ein und ein dutzend Monster und Dämonen verfolgten mich. Aber es war mir egal. Ich lief einfach weiter und jetzt bin ich hier. Auf diesem Dach. Der Kopf des Teufels hing vor mir. Also saß ich gegenüber von Tions Haus. Du meine Güte, war ich etwa im Kreis gelaufen? Das Stroh hier oben war feucht und die Holzplatten hart und unbequem. Ich hatte einen Bannkreis um mich gezogen, denn selbst in diesen Höhen gab es fliegende Quälgeister. Egal. Selten war ich so glücklich gewesen... Lachend und die Sterne beobachtend, fiel mir auf, dass sie zu lesen gar nicht so schwer war... Dort oben war auch wieder der kleine Haufen mit den zwei großen Sternen. Und ich begann zu träumen.
Plötzlich weckten mich ein Knall und das Gequietsche eines Tors. Langsam und so leise wie möglich kroch ich vorwärts um nachzusehen, wer da unten war.
Dort unten stand jemand und wurde von allerlei kleinen Geschöpfen des Bösen bedrängt. Da leuchtete ein kleines Auge in der Nacht auf. Sie hielt es hoch über ihren Kopf und der Gegenstand verscheuchte das Kleingetier. Gelassen, aber leise fluchend über dieses "aufsässige Gewürm", sprang sie leicht wie der Wind davon. Wo wollte sie nur hin? Mitten in der Nacht?
*
(Flash)
"Ich kann dich spüren..." Eisige Schauer laufen mir über den Rücken...
"Ich kann dich sehen..." Ihre Blicke stechen mich, wie tausend Nadeln...
"Ich kann dich atmen hören..." Grausame Schreie dringen in meinen Geist... "Stell das ab!!!"
"Es dauert nicht mehr lange,... bis du mir gehörst!" Ich bekomme keine Luft mehr!....
*
"Luft!!!" rief ich und saß kerzengerade in meinem Bett.
"Was is los?" schnaufte Chase.
"Nichts,... ich brauch nur frische Luft..." antwortete ich stockend, stieg aus dem Bett und tastete mich zur Tür hinaus.
"Was machst du denn jetzt noch auf?" Mein Herz blieb für einen Augenblick stehen. "Ach so, hab vergessen dir deine Spezialmischung zu geben..."
"Um Gottes Willen, erschreck mich bitte nie wieder so, Béilo!" Ich sah mich um, bis ich seine Silhouette auf dem Dach gegenüber erkannte. "Spezialmischung? Und was treibst du hier?"
"Nur in den Sternen lesen und träumen. Übrigens, dass du seit längerem keine Alpträume mehr hast, ist mein Verdienst. Nur heute hatte ich jemand anderes im Kopf, tut mir leid. Da hab ich nicht an Teemischen gedacht..."
"Ach, dann weißt du es schon? Ah..au! Lass mich los du Mistvieh...!" Ein kleiner Quälgeist hatte sich an meinem Ohr festgebissen und Béilo lachte mich aus.
"Klar weiß ich es, wer hat den hier die Supernase, hm? Hier!" Er warf etwas und ich fing es auf: eine kleine Nadel aus Holz mit eingravierten, winzigen Schriftzeichen. "Ein Austreiber. Piecks das Vieh damit und er verpufft. Für so kleine wie den da reicht's..." Ich tat was er sagte und *Puff*, weg war der Quälgeist.
"Sie ist übrigens vor einigen Minuten weg gegangen. Du weißt nicht zufällig, was für einen Auftrag sie bekommen hat, oder?" Ich kostete seine fiebrige Neugier und Ungeduld noch einen Moment aus, bevor ich rausrückte, was er wissen wollte...
"Sie ist in den Wald geschickt worden um uns den Weg zu ebnen."
"Danke, mein Freund. Ich bin dir was schuldig...!" Ich bin mir nicht sicher, ob er dann noch was gesagt hat, gehört hab ich nichts mehr, denn er war schon aufgesprungen und in der Nacht verschwunden...
"Und was ist mit meinem Tee? Mann..." Doch ich konnte auch so die letzten paar Stunden Schlaf genießen. Vielleicht lag es an dem Austreiber. Jedenfalls ließen mich die Alpträume in Ruh'.