Auf dem Hauptplatz am Brunnen standen sie und warteten auf uns: Funny, Béilo, Gothank und Relkúag. Wir gingen zu ihnen und Funny hatte diesen Blick aufgesetzt, als wolle sie mich töten und umarmen zugleich. Sie beließ es aber bei einem einfachen hallo...
Béilo reichte mir die Pranke zum Kriegergruß:
"Al-cherti em, Bruder. Es tut gut dich zu sehen."
"Geht mir auch so." lächelte ich und kraulte den Mauxie, der auf der Schulter des Snift saß und zufrieden gurrte. Ein Räuspern ließ mich herumfahren.
"Ach, Relkúag." lachte ich erleichtert. "Danke, dass du sie hergebracht hast."
"Nicht der Rede wert. Sie rochen genauso wie du, also nahm ich an, dass sie dich kennen." Béilo schnupperte an sich selbst, da mussten wir schmunzeln und als er merkte warum, fing er selbst an zu lachen.
"Schhht! Seid mal leise" zischte der blinde Gaukler. Sekundenlang blieb es still, bis wir es auch hörten... klong, klong, klong...
Ein Läuten, wie von einer riesigen Metallglocke.
"Was bedeutet das?" erkundigte sich Chase.
"Dass in einer Stunde die Gaststätten schließen, denn dann bricht die Dämmerung herein und mit ihr kommen die Dämonen über Olim..." erklärte der Gaukler. "Wir sollten uns schnellstens eine Bleibe suchen. Hat der Boss irgendetwas vorgeschlagen?"
"Nun ja. Er meinte, wir sehen uns bei Tion." erwiderte ich.
"Tatsächlich?" staunte Relkúag. "Also wünscht er euch bei der Versammlung zu sehen, sehr interessant... Gut. Zu Tions Gasthaus ist es nicht weit, lasst uns trotzdem gleich gehen." Wie immer drehte er sich einfach um und stromerte los, ohne weiter auf uns zu achten. Ich kannte das schon und folgte ihm, die anderen taten es mir gleich.
"Kann man ihm trauen?" flüsterte Funny mir zu?
"Ich denke schon. Und mach dir nicht die Mühe zu flüstern, er hört dich trotzdem." sagte ich normallaut.
Wir bogen vom Hauptplatz aus links ein und dann wieder rechts und noch ein mal links bevor wir an einem verfallenen Häuschen halt machten.
"Ieeek!" Funny sprang an Chase' Seite und umklammerte seinen Arm.
Über der Tür des Hauses hing etwas, das starke Ähnlichkeit mit einem Menschenkopf hatte. Erst bei näherem Hinsehen erkannte man die giftgrünen Pupillen und die Hauer eines Ebers, die den Dämon entlarvten. Die langen Haare hingen in wild zerzausten Strähnen im Gesicht herum und der Ziegenbart war fast einen Fuß lang. Die spitzen Ohren stachen aus den Seiten, ebenso wie die zwei Hörner aus der Decke des Schädels.
"Wie der Teufel persönlich." hauchte Chase.
"Das ist der Teufel persönlich." murmelte Relkúag trocken und trat in das Gebäude.
"Beim Gehörnten, Relkúag! Alter Freund!" ein lachender Zwerg, mit Schürze, Stiefeln und langem braunem Bart, kam uns entgegen und nahm den Gaukler stürmisch in die Arme. Der Blinde ließ es über sich ergehen.
"Tion, mein Guter, mach die Tafel bereit, den heute Nacht ist die Versammlung dein Gast." sprach er mit gewichtiger Stimme. Der Gastwirt stockte, dann lächelte er und sprang Hände klatschend im Kreis herum.
"Ja," sang er. "Ja, ja, ja, die Versammlung kommt zu mir!" lachend sprang er hinter die Theke und begann das Geschirr aus den Schränken zu räumen. Inzwischen hatten sich auch meine Augen an die Dunkelheit im Raum gewöhnt. Es war ein seltsamer Anblick:
Statt Stühlen standen Betten herum, statt Tischen sah man Bierfässer, auf die Tion nun die Platen und Krüge platzierte. Die Gaststätte bestand nur aus dem Ausschenkraum und so musste aus diesem auch zugleich der Schlafraum gemacht werden. Hier und da lag jemand auf einem der gut 20 Betten, schlief und grummelte. Die Theke war heruntergekommen, aus Ebenholz und hatte Schrammen und Flecken von getrocknetem Met oder Blut. Keines der Betten schien einem der anderen zu gleichen. Vermutlich stammten sie aus den verwüsteten Häusern. weil ihre Besitzer von Dämonen getötet worden waren. Von draußen drang kaum Licht herein und die wenigen Kerzen im Raum spendeten nur wenig Helligkeit.
"Ähm, Verzeihung. Aber warum freut es sie so dass die Versammlung hier statt findet?" Tion drehte sich zu mir um und sah mich schief an, ähnlich wie ein dummes Kind, dass man manchmal mit Blicken straft.
"Aber junger Mann! Das ist doch logisch! Jeder Wirt in ganz Olim reißt sich darum, dass das Treffen in seinem Hause statt findet! Schließlich wird mein Wirtshaus heute Nacht das Sicherste im ganzen Ort sein! Denn die Monster hüten sich davor die Söldner zu überfallen, die unter SEINEM Kommando stehen..." Bei den letzten Worten senkte der Zwerg verschwörerisch die Stimme. Dann sah er mich plötzlich an, als sehe er mich jetzt zum ersten mal wirklich. "Nebenbei, wer seid ihr eigentlich?"
"Oh natürlich, das hatte ich völlig vergessen." verlegen fing Relkúag an uns nacheinander vorzustellen und wir waren erstaunt, wie gut er sich unsere Namen gemerkt hatte.
"Das sind Chase und Funny und dort hinten steht Béilo mit seinem Mauxie Gothank. Und dies hier, mein lieber Tion, ist Flash Raffael, der Sohn von Eros, du erinnerst dich vielleicht noch an ihn?" setzte er verschmitzt hinzu.
"Beim Gehörnten! Aber natürlich erinnere ich mich! Lass dich ansehen!" Wenn es doch nur beim Ansehen geblieben wäre! Aber er drehte und wendete mich nach Belieben, wobei er immer wieder "Beim Gehörnten, beim Gehörnten!" rief, umarmte mich halb und sah sich mein Gesicht genau an. Hier hielt er inne.
"Ja, du bist der Sohn von Eros Raffael. Du hast seine gelben Augen." Ich schluckte. Dass mein Vater gelbe Augen gehabt hatte, wussten nur wenige, also wie um alles in der Welt konnte dieser Zwerg hier davon wissen.?
"Kann... Kannten sie ihn gut?" stotterte ich.
"Ob ich ihn kannte, ha! Nun ja, er war der Botschafter von Kertófu, nicht wahr? Aber auch einer der besten Krieger von dort, wie du sicher weißt."
"Botschafter? Nein. Davon hör ich zum ersten mal. Können sie mir von ihm erzählen?" Innerlich zitternd sank ich auf eines der Betten neben uns und starrte den Zwerg an. Warum hatte Cámalon mir nie von der Stelle erzählt, die mein Vater bei Hof inne hatte. War das etwa eine dieser Geschichten für die ich "noch zu jung" war? Bis aufs Äußerste gespannt vergaß ich alles um mich herum und hing an den Worten Tions.
"Hm..." brummte er ganz tief, machte es sich ebenfalls auf einer Matratze bequem und fing an zu erzählen...