Kurz nach zwanzig Uhr dreißig wollte ich die Stimme meiner Frau hören. Wenn auch nur ganz kurz. Ich rief auf ihr Handy und sie ging sofort ran. "Michael?" - "Ja mein Hase!" - "Ich hab so gewartet und gehofft, dass du dich in der Pause meldest! Wie läufts, Liebling?" - "Fantastisch, mein Schatz! Es könnte nicht besser laufen. Der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt und ich erhielt am Schluss wirklich tosenden Beifall! Wir haben jetzt noch knapp fünf Minuten Pause aber die Leute kommen schon zurück, weil ich ihnen noch eine Diskussion versprochen habe!" - "Ich hab dir ja gesagt, du könntest sowas aus dem Stegreif! Du kannst einen ganzen Saal an deine Lippen fesseln, auch wenn die Leute vorher gar nicht glaubten, dass sie das geringste Interesse an dem hätten, was du ihnen erzählst..." - "Ich würde jetzt lieber dich an meine Lippen fesseln, mein Engel! Wenn ich in meinem Zimmer bin und es ist noch vor Mitternacht, dann versuch ich dich nochmal anzurufen, Schatz!" - "Bist du verückt? Du rufst auf jeden Fall an, hörst du?" - "Na gut, Sel! Ich liebe dich! Bis dann!" - "Bussi, Schatz!"
Der Saal füllte sich erneut wieder zur Gänze, was mich wirklich freute! Es kamen die ersten Fragen, die angenehmer Weise alle kompetenter Natur waren. Ich konnte nur hoffen, morgen ein ebenso diszipliniertes und kompetentes Publikum zu haben, wie heute Abend. Die Diskussion dauerte noch bis etwa dreiundzwanzig Uhr und ich wurde ein weiteres Mal mit Applaus belohnt. Meine Bodyguards geleiteten mich auf meine Suite und ich freute mich darauf, Sel anzurufen.
Danter hatte sich vorbereitet. Er hatte die Wohnung des Freundes seiner Tochter für sich, der sich noch in Gewahrsam befand. Die Wohnung gehörte zu einem alten Zweifamilienhaus, welches aber nur von Monika und ihrem Freund bewohnt wurde. Es stand ein wenig abseits des Dorfes und bot ihm ein perfektes Lager für eine Entführung. Man darf nicht vergessen, dass Danter nicht nur von der Polizei gesucht wurde, auch seine Gläubiger waren ihm auf den Fersen, letztere waren allerdings nicht zimperlich, was die Anwendung von körperlicher Gewalt betraf.
Er war in die Nähe des Weberschen Reihenhäuschens gefahren und wartete einen günstigen Moment ab. Der alte VW-Bus von Monikas Freund war das ideale Fahrzeug, das ohnehin nach der Entführung in der Garage verschwand. Danter war sich nicht sicher, ob der Junge zu Hause war. Die Oma hatte er kurz gesehen, sie hatte gerade ein Fenster zu gemacht. Er fragte sich, ob es einen großen Unterschied machen würde, wen von beiden er sich holte. Zwar war es der Junge, der offenbar in irgendeiner Beziehung zu Montar stand, einfacher aber würde es sein, die alte Dame Hops zu nehmen. Da! Der Junge war auch zu Hause! Er musste handeln. Er fuhr auf den kleinen gepflasterten Platz neben der Haustür. Er zog eine Glock, Kaliber neun Millimeter, ging zur Haustür und läutete. Die Haustür ging auf. Sofort stellte er seinen Fuß hinein und drückte die Tür zur Gänze auf. Oma Weber fiel hin und Danter schloss sofort die Haustür. Er hielt ihr die Waffe an den Kopf und befahl ihr, sofort ruhig zu sein. Als Tommy aus seinem Zimmer kam um nachzusehen, sprach er ihn scharf an: "Noch ein Schritt und ihr Gehirn klebt an der Mauer!" Tom blieb sofort stehen. "Hör zu, Junge! Ich habe nichts mehr zu verlieren! Ich werde deine Oma entführen und du wirst Montar anrufen, wegen dem Lösegeld! Wenn du nicht kooperierst, töte ich sie!" Tom war einen Augenblick paralysiert, fing sich aber erstaunlich schnell. "Wenn sie Michael ausnehmen wollen, müssen sie mich mitnehmen! Für mich zahlt er sicher mehr als für Oma." - "Ach, und das erzählst du mir?" - "Ja! Weil ich das Arschloch selbst nicht mag! Der soll ruhig blechen, der Drecksack! Bildet sich ein, er könnte mich gegen meinen Willen adoptieren, der Arsch. Wollen wir gemeinsame Sache machen?" - "Na du bist ja ein Früchtchen!" Thomas war jedes Mittel recht, um Oma aus Danters Schusslinie zu bringen. Frau Weber war gelähmt vor Angst. Tommy fürchtete um ihr Herz! "Oma, du musst sagen, er hat mich gedroschen, bevor er mich mitgenommen hat, damit er ordentlich zahlt, der blöde Hund. Nennen sie Oma ihre Forderung! Sie kann sie an meinen Möchtegern-Papa weiterleiten! Mal sehen, was ich dem Arschloch wert bin... Komm Oma, ich helfe dir auf!" - "Halt!" rief Danter. "Was wollen sie mit ihr denn?" - "Na gut, dann hilf ihr auf!" Tom hatte es geschafft, den Gauner von Oma los zu eisen. Unglaublich, wie kühl er nach außen wirkte. Dabei zitterte er innerlich! Am meisten fürchtete er, dass Oma die Aufregung nicht aushalten würde, aber er musste den bösen Buben spielen, weil er Oma sonst nie aus der Situation raus bekommen hätte. Er hatte keine Ahnung, was jetzt werden würde, aber sie war fürs Erste aus der Schusslinie.