"Sagt mir bitte nochmal, warum wir diesen Leuten helfen?", fragte Marilyn ihren Freund. Die beiden gingen ein Stück hinter der Gruppe, so dass sie ungestört reden konnten. "Wir haben momentan doch sowieso nichts zu tun. Das sind Trolle meine Liebe. Vielleicht ist sogar einer mit Level fünfzig darunter", antwortete John ihr. "Wenn Ihr unbedingt einen guten Kampf haben wollt, warum reisen wir dann nicht einfach zu den Erzengeln?" "Ich will einen Kampf und keinen Weltuntergang", meinte der Junge. "Und außerdem, denkst du, dass sie uns einfach in Skyfortress hineinlassen?" Die fliegende Insel der Erzengel war legendär, doch normalen Wesen war es nicht gestattet sie zu betreten, mal ganz abgesehen davon, dass außer den Erzengeln sowieso niemand dort hochgelangen konnte. Sie schwebte schon seit Urzeiten durch den Himmel und in manchen Städten ist es sogar ein Feiertag geworden, wenn Skyfortress einmal im Jahr auf ihrem Weg über die Stadt hinwegschwebte. Nicht wirklich verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Erzengel als Götter verehrt wurden. Jedes Mal, wenn sie auftauchte, sonderte die Insel kleine goldene Partikel ab, die die Felder der Bauern fruchtbarerer machten. John selbst hatte die fliegende Insel schon einige Male gesehen und jedes Mal aufs Neue dem Drang widerstanden, hinaufzufliegen. "Es wäre natürlich verlockend", murmelte John. "Alleine ihre Bibliothek da oben soll wahre Wunder beherbergen. Aber ich habe mich für ein Leben entschieden, in welchem ich diesen Ort wahrscheinlich niemals betreten werde." Marilyn sah ihn nachdenklich an. "Ihr könntet alles haben, Ihr könntet sogar über den Erzengeln, Feuerdrachen und Waldgeistern stehen. Warum gebt Ihr Euch dann hiermit zufrieden? Ihr könntet all diese ‚Götter‘ einfach vernichten." John schüttelte den Kopf. "Ohne diese Wesen würde die Welt vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten. Sie zu vernichten ist keine Option." Er erkannte an Marilyns Blick, dass sie langsam verstand, was er ihr sagen wollte. "In Ordnung, danke, dass Ihr mir das erklärt habt", meinte sie und senkte leicht den Kopf. John schmunzelte und wuschelte ihr durch die Haare. "Wie bereits gesagt, es ist immer gut, Fragen zu stellen." "Trotzdem denke ich, dass Ihr über ihnen stehen solltet", meinte sie leise und zog einen Schmollmund, so dass John lachen musste.
Nach ein paar Stunden Marsch waren sie schließlich angekommen. "In Ordnung! Wir rasten hier für zwei Stunden, schließlich wollen wir nach einem solchen Marathon nicht unausgeruht gegen Trolle kämpfen! Macht euch kampfbereit und bereitet alles vor! Was ihr nicht braucht, das bleibt vor der Höhle! Keine unnötige Last!", gab Tammy bekannt und alle taten, wie ihnen geheißen. Als die Mittagssonne schließlich hoch am Himmel stand begab sich die Gruppe in die Höhle. "Ziemlich dunkel hier drin", raunte einer der Männer. "Licht zu machen wäre zu gefährlich, sie könnten uns sehen", meinte Tammy. "Da hätte ich eine Lösung", mischte sich John ein. "Marilyn, kannst du vorangehen und uns sagen, wo es langgeht?" Das Mädchen nickte und übernahm die Führung. "Wie praktisch. Solche Augen hätte ich auch gerne", meinte ein bärtiger Krieger, während er hinter seinen Kameraden herging. Plötzlich blieb Marilyn stehen. John konnte sehen, dass sie sich anstrengte, um alles genau zu erkennen. "Ich sehe fünf Trolle", flüsterte sie. "Einer von ihnen schläft, die anderen sitzen um einen Topf herum und essen." "Boah, allein an diesem Gestank hätten wir sie schon bemerken müssen", stöhnte Tammy. "Wo ist der Größte?", fragte John seine Partnerin. "Er sitzt dort hinten in der Ecke Meister. Ich habe keinen Zweifel, dass er der stärkste Troll ist", antwortete sie leise. "Okay, dann werden wir den gemeinsam übernehmen", flüsterte Tammy. "Nicht nötig. Überlasst den großen Marilyn und mir. Die anderen übernehmt ihr", meinte der Junge. "Seid Ihr verrückt? Alleine gegen so einen Troll?", zischte die Kriegerin. "Das passt schon", beruhigte John sie. "Sobald ihr alle bereit seid werde ich einen Lichtball an die Decke werfen, damit ihr alle etwas sehen könnt. Danach habt ihr zirka fünf Sekunden, wenn nicht sogar weniger, um euch einen Überblick zu verschaffen. So lange wird es dauern, bis die Trolle gecheckt haben, was passiert. Ich vertraue darauf, dass ihr eure Kampffertigkeit und euer Strategiewissen nach eigenem Ermessen einsetzt." Die Abenteurer-Gruppe nickte zustimmend und der Junge grinste. Damit hatte er auch gleich klargemacht, dass er nicht für das Schicksal der anderen verantwortlich sein würde. John hob seinen Stab und feuerte einen Lichtball gegen die Höhlendecke, wo er hängenblieb und den gesamten Raum ausleuchtete. Die Gruppe stürmte unter lautem Kampfgeschrei los, doch die Trolle bemerkten schnell, was los war und gingen in die Verteidigung über. Auch der schlafende Troll wurde wach und griff instinktiv nach seiner Keule. John und Marilyn bahnten sich ihren Weg durch die vier Trolle, welche sie mit ihren Keulen immer um wenige Zentimeter verfehlten, dann standen sie endlich vor dem großen Exemplar. "Du…stark für Mensch!", knurrte der Troll grinsend. "Oh, bitte halte mich nicht für einen einfachen Menschen", meinte der Junge. "Ich bin gekommen, um einen guten Kampf zu finden." "Name?", fragte der Troll ihn dumpf. "John", antwortete er ihm. "Werde merken, als Namen von mutigen Krieger, der gewagt hat herauszufordern!" John lächelte. Er war schon einigen Trollen begegnet und hatte bisher bei fast jedem festgestellt, dass sie ehrenhafter waren, als die meisten Menschen dachten. "Marilyn bleib zurück!", rief er. "Sehr wohl." Sie entfernte sich mit einem einzigen Sprung. Dann holte der Troll mit seiner Axt aus und der Kampf begann.
John wurde hart getroffen und gegen die nächste Höhlenwand geschleudert. Lachend rappelte er sich wieder auf. "Wundervoll! Sechzigtausend Damage-Punkte!", rief er begeistert. "Das ist dreimal so viel, wie ich pro Sekunde regenerieren kann!" Er ging langsam wieder auf den Troll zu, der zum nächsten Schlag ausholte. "Lichtblitz!", rief John und sein Stab leuchtete grell auf. Der Troll taumelte zurück und der Junge nutzte die Chance. "Knochenlanzen!", rief er und aus den Höhlenwänden bohrten sich tausende spitze Knochen heraus, welche wie ein Pfeilregen auf den Troll niedergingen. Das Monster steckte es allerdings weg und ließ seine Axt auf den jungen Magier niedergehen, der gerade noch ausweichen konnte. "Das macht einen", meinte John und feuerte seinen nächsten Angriff ab. "Schallmauer!" Ein ohrenbetäubender Schallstoß entwisch dem blauen Stein auf seinem Stab und schleuderte den Troll gegen die nächste Wand, so dass die ganze Höhle erzitterte. "Zwei!", rief der Junge zufrieden. "Doppelschlag!", rief der Troll mit seiner tiefen Stimme und die Axt, die auf John zuraste, teilte sich auf und erwischte ihn zweimal hintereinander. "Haha, er kann sogar Skills einsetzen!", rief der Junge und wehrte den nächsten Schlag mit seinem Stab ab. "Wundervoll", meinte Marilyn sarkastisch und grinste, während sie in einiger Entfernung an der Höhlenwand lehnte und den Kampf mit verschränkten Armen beobachtete. Die anderen schlugen sich momentan auch noch ganz gut. Drei der Männer waren zwar bereits zermalmt worden, doch das Mädchen hatte keine Sympathie für die Menschen. Solange John es ihr nicht befahl würde sie auch nicht eingreifen. Und zum Glück waren sie weit genug weg, so dass niemand sehen konnte, dass sie nur untätig herumstand. Plötzlich ertönte ein Schrei, der von Tammy kam. "Marilyn, hilf ihnen!", rief John da plötzlich, der seinen Stab gerade gegen die Axt des Trolls stemmte und das Mädchen verbeugte sich leicht. "Wie Ihr wünscht", antwortete sie und rannte los.
Als sie um die Ecke bog erkannte sie sofort, was passiert war. Tammy und zwei Männer waren die einzigen, die noch übriggeblieben waren, jedoch hatten sie auch alle Trolle bis auf einen getötet. Die Kriegerin hatte sich schützend über Ben gestellt, der schwer verwundet am Boden lag und Marilyn konnte sehen, dass der letzte Troll zu viel für die drei war. ‚Nun ja, mein Meister hat gesagt, ich soll ihnen helfen, also…‘, überlegte sie kurz, dann stürmte sie los. Die Menschen und der Troll wussten gar nicht, was überhaupt geschah, so schnell war sie erschienen. Wie ein Wirbelwind sauste sie um den Troll herum, bis sie dann schließlich vor ihm zum Stillstand kam. Der Troll fiel krachend zu Boden und Blut strömte aus seiner Wunde, die sich viermal ganz um seinen Körper zog. "Du…du hast ihn einfach aufgeschlitzt. Und dann noch mit dieser Geschwindigkeit", keuchte einer der Männer. "Kleinigkeit", meinte sie grinsend.
John stand vor dem Troll, welcher keuchend auf dem Boden kniete. "Das war mal ein etwas interessanterer Kampf", meinte er. "Lügner. War nicht annähernd stark genug", grunzte der Troll. "Mach dir nichts daraus, du hast dich länger behauptet, als die meisten", meinte der Junge, der seltsamerweise Mitgefühl für den Troll empfand. "Dann ich kann glücklich gehen", meinte der Troll. "Name?", wiederholte John nun die Frage, die ihm sein Kontrahent zu Beginn gestellt hatte. "Borg", antwortete der Troll. "Ich werde ihn mir merken, als Name eines wahren Kriegers. Todeslicht." Mit diesen Worten leuchtete die Spitze von Johns Stab dunkelblau auf. Das Licht erreichte Borg, woraufhin der Troll umfiel und regungslos liegen blieb. Der Kampf war beendet.