Ein Ufo.
Mit diesem Gedanken versuche ich, mich zu belustigen. So viele Lichter. Ein Ufo auf der Autobahn, was macht ein Ufo auf der Autobahn? Und wieso hält es, direkt vor unserer Nase?
Ist es der Wunsch, weit weg zu sein, der uns dieses Ufo sehen lässt? Vielleicht versucht meine Gedankenwelt, mich davon abzulenken, dass unsere Reise nun zu Ende ist.
Denn das ist sie, mit Sicherheit.
Ich wehre mich nicht. Wahrscheinlich weiß ich, dass es zwecklos wäre. Ich schalte einfach ab. Verziehe mich in meinen Panzer. Ich überlasse alles Marie. Sie redet. Mit unseren Außerirdischen Freunden, so versuche ich weiter vergeblich, mich zu amüsieren. Sie lügt. Dreist, ohne Rücksicht.
Etwas in mir kommentiert, dass es zwecklos ist. Aber ich mache mir nicht die Mühe, Marie das zu sagen. Es wird nichts ändern, sie werden uns ohnehin ertappen. Unsere Gedankenwelt sezieren, diese Außerirdischen.
Und wir steigen in das Ufo. Haha. Ufo. So viele Lichter. Ist das Galgenhumor?
Schließlich kommt die entscheidende Frage, auf die wir nicht schnell genug eine Antwort wissen. Und wir sind ertappt. Marie holt Luft, um zu retten, was nicht zu retten ist - aber ich unterbreche sie.
Erzähle die Wahrheit. Schluss mit all den Lügen. Sollen sie ruhig alles wissen, ich habe längst alle Angst hinter mir gelassen.
Ich höre, was sie sagen, aber fühle es nicht. Antworte nur weiterhin wahrheitsgetreu, ohne Scheu, ohne mich zu Verstellen. Ist das mein wahres Selbst? Wenn ja, ist es nicht traurig, auf diese Weise zu seinem eigenen Selbst zu finden?
Marie sieht mich nur an. Sagt nichts. Beobachtet mich nur.
Ich weiß sie ist nicht einverstanden.
Schließlich sitzen wir in ihrem Mutterschiff. Sie durchstöbern unsere Sachen. Mir ist das egal.
Während Marie mich anstarrt, fühle ich, wie alles in meinem Kopf zusammenbricht.
Es gab nie eine Chance, Marie auf diese Weise zu beschützen. In ein schönes neues Leben zu starten. Ich habe mir bloß eine Utopie aufgebaut.
Diese Euphorie. Und diese Gefühl, ein Held zu sein. Sein eigener Held... alles eine Lüge.
Ich war dumm. Und blind. Das sehe ich jetzt, wo mich keinerlei Emotion mehr blendet.
Es hätte nie geklappt. Wir wären verreckt. Sofort. Und ein Gefühl in mir erzählt mir, dass Marie nie etwas anderes gewollt hatte. Es nur ausgeschmückt hatte, um mir die Angst zu nehmen.
Im Radio spielen Lieder, die ich nie wieder mit etwas anderem in Verbindung bringen werde.
Währenddessen ruht Maries Blick noch immer auf mir. Ich schaue nicht auf. Kann ihr nicht in die Augen sehen. Ich weiß, dass ich schon wieder gescheitert bin.
Gescheitert daran, sie zu beschützen. Und ich werde es mir mein Leben lang nicht verzeihen können.
Und auch sie wird es mir unser Leben lang nicht verzeihen können.
Mit einem Ruck steht sie auf. Sieht mich immer noch an.
"Nein!"
Ihre Stimme hallt im Raum wider, von allen Seiten schlägt sie auf meine tauben Ohren nieder. Ich überwinde mich schließlich, sie anzusehen. Und aus meinen Augen kann sie alles lesen, was sie wissen muss: Dass es vorbei ist.
" Dann trennen sich unsere Wege."
Marie...
Ich bin zu schwach, um noch ein Wort zu sagen, sie zurückzuhalten. Ich verrate sie. Nicht einmal aus Angst, sondern aus purer Müdigkeit. Ich wäre entsetzt über mich selbst, aber da ist nichts mehr. Es ist mir egal.
Und sie merkt es. Ich bin müde. Selbst zu müde um ihr dies zu sagen. Sie weiß es ohnehin.
Sie mustert mich noch einige Momente, ihre Augen voller Wut, Trauer, Enttäuschung, bevor sie sich umdreht und ihres Weges geht. Ich sehe ihr nicht einmal hinterher.
Wie auch immer sie flieht, es geht mich nichts mehr an.
Ich schicke ihr alle meine Emotionen mit auf ihren Weg.
Die folgenden Wochen bin ich nicht wirklich in meinem Körper anwesend, obwohl ich spreche und mich bewege. Ich bleibe zurückgezogen irgendwo in mir und singe mir mein Mantra vor.
Längst habe ich eines begriffen:
Ich brauche die große weite Welt nicht für meine Flucht, ich habe immerhin die Tiefen meines Verstandes dafür.