Und plötzlich war sie auf der Flucht.
Phoebe huschte durch die langen Gänge des Zuges, der sachte schwankte. Sie hörte harte Stimmen, die Befehle bellten, Stiefel trampeln.
Nadjas Rat zu beherzigen, war nicht so leicht, wie es die Frau anzunehmen schien. Die Polizei durchkämmte den Zug gründlich von vorne nach hinten. Phoebe, die durch die Gänge hetzt, erweckte bei den Passagieren schon genug Aufmerksamkeit. Aber wenn die Polizei ihre Fahrkarte sehen wollte, wäre ihre Flucht wohl vorbei.
Und das konnte sie nicht zulassen. Sie wollte nicht nach Hause, wollte nicht zurück, wo nur ihr Vater und die Stille wartete.
Und ihre Stiefmutter.
Mit zusammengebissenen Zähnen lief Phoebe immer weiter, wohl wissend, dass der Zug nicht unendlich lang war. Mit jedem Abteil, das sie neu betrat, wuchs ihre Sorge.
Wohin sollte sie flüchten? Nadja hatte offenbar einen Weg vom Zug gefunden, denn Phoebe hatte sie nicht mehr gesehen. Sie überlegte bereits, ob sie es wagen könnte, aus einem Fenster zu springen.
War der Tod denn eine so schlechte Option?
Mit einem kurzen Schütteln des Kopfes verdrängte sie den Gedanken. Sie war verzweifelt, aber nicht so verzweifelt. Sich umzubringen, das würde bedeuten, der Welt einen Sieg zuzusprechen. Doch Phoebe war wütend, und sie wollte sich nicht ergeben.
Schmerz, Angst, Trauer - das sollte sie niemals beherrschen. Sie wollte intelligenter sein.
Und glücklich werden.
Sie hatte das letzte Abteil erreicht, das merkte sie daran, dass es am Ende keine Tür mehr gab. Der Zug ratterte weiter vorwärts, einem fremden Bahnhof zu, doch Phoebe bezweifelte, dass sie auf einen Bahnsteig entkommen könnte.
Wie viel Zeit blieb ihr noch? Durchsuchte die Polizei jeden Fahrgast, oder hatte man den Beamten bereits von dem flüchtenden Mädchen erzählt? Und überhaupt, war diese Razzia allein Phoebe zuzuschreiben? Irgendwie mochte sie es nicht glauben.
Sie stolperte durch die Sitzreihen, kümmerte sich nicht um die anderen Passanten.
Sie brauchte einen Ausweg, doch es gab nur die Fenster.