Nürnberg, 09.04.1808
Einstweilen senkte die Sonne sich schon über Kaiserburg, Faust war gerade heimgekehrt. Sein Blick fiel erneut auf die Arbeit des jungen Wagner.
„Ich sollte...“, setzte er an, wurde aber von einem Klopfen an seiner Tür unterbrochen. Er drehte sich um und sah zur Tür. Es klopfte erneut.
„Ich bin ja schon da!“, rief Faust, als er zur Tür lief, auf dem weg beinahe über
seinen Teppich stolperte, und sie leise fluchend öffnete.
„Guten Tag, kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte er den Mann im Türrahmen.
„Ich suche einen Doktor Heinrich Johann Faust.“
„Nun, dann sind Sie hier richtig.“
Der Mann trat ein und sah sich im Raum um.
„Schlimm... lebt man als Gelehrter denn immer so ärmlich?“, fragte er.
Faust wusste nicht so recht, wie er darauf antworten sollte.
„Wie meinen? Die Gerätschaften waren recht teuer...“
„Ich rede von Ihrer ganzen Wohnung. So klein, so beengt.“ Er wischte mit dem Finger über den Schreibtisch, an dem sich etwas Staub angesetzt hatte.
„Nicht einmal ein Dienstmädchen haben Sie!“
Faust stellte sich vor seinen Schreibtisch.
„Lassen Sie den Tisch in Ruhe, das sind empfindliche Gegenstände, die Sie da sehen!“
Der Mann lächelte abwertend.
„Nun, was kostet Sie denn das komplette Material auf dem Tisch?“
„Das? Nun, 120 Gulden sicherlich.“
Er zog seine Brieftasche und schüttete sie vor Fausts Augen aus. Es war genug Geld, um seine komplette Ausrüstung zweimal zu kaufen. Sein Blick war triumphierend, arrogant, abwertend und trotzdem bewundernswert. Er war nicht gewöhnlich, das spürte er sofort.
„Nun“, sagte Faust. „Sie erwarten wahrscheinlich, dass ich frage, woher Sie das ganze Geld haben.“
„Sie sind nicht dumm, das wusste ich sofort“, erwiderte er.
„Ich bin Doktor.“
„Ein Titel sagt nichts über einen Menschen.“
„Ebenso wenig wie Geld.“
Der Mann lachte. Jetzt, wo Faust ihn näher betrachtete, fielen ihm seine dunklen Augen auf. Augen wie diese hatte er noch nie gesehen.
„Lucian ist mein Name“, sagte der Mann mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Faust winkte ab.
„Namen sind nichts als Schall und Rauch.“
Lucian wirkte überrascht.
„Wie bitte?“
„Ich darf Sie herzlichst auffordern, zu gehen, Herr...“
„Lucian. Aber wollen Sie nicht hören, was ich zu sagen habe?“
Der Doktor blieb konsequent.
„Nein danke. Und nun, gehen Sie bitte.“
"Nun gut. Wie Sie wünschen."
Der Mann verließ die Wohnnung, ohne zu murren, aber sein Gesichtsausdruck gefiel ihm nicht. Das lebendige Lächeln wirkte nun starr und erzwungen und Faust spürte, wie ihm kalt wurde. Er schlug die Tür zu und setzte sich an den Schreibtisch. Lucian steckte ihm immernoch in den Knochen. Er hatte das Gefühl, als kenne er ihn, konnte ihn aber nicht genauer zuordnen. Eigentlich war es auch nicht das Gesicht, das ihm bekannt vorkam. Es war vielmehr die Präsenz dieses Mannes. Ihm wurde unwohl, als er auf die Stelle sah, an der Lucian sein Geld ausgeschüttet hatte. Eine Münze hatte er vergessen. Er nahm sie, stand auf und rannte zur Tür. Lucian war natürlich schon weg, doch Faust sah einen Zettel vor seiner Tür liegen. Er hob ihn auf. Auf ihm war etwas geschrieben.
„Was?“, war alles, was er hervorbringen konnte, als er es las.
Er rannte zu seinem Schreibtisch und fing an, alles auf ihm aus dem Weg zu räumen.
„Das kann nicht sein. Das kann nicht...“, sagte er, immernoch wie ein Wilder durch seine Sachen wühlend. Schließlich holte er einen Spiegel hervor und legte ihn an, danach drehte er das Blatt noch einmal, um sicher zu gehen.
„Bei Gott!“, rief er. „Ein perfektes Ambigramm!“.
Darauf zu lesen war ein Name.
„Nostradamus!“